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Am Elvis-Grab in Eisleben

Von Steffen Könau 15.04.2012, 17:07

Eisleben/MZ. - Ein Wettrennen ist es am Ende gewesen, bei dem der Ausgang nicht sicher feststand. "Wir waren wirklich kurz davor, ,Jurassic Park' zu zeigen", sagt Sven Wittek, eine Hälfte des Eisleber Comedy-Duos Elsterglanz. Bis 24 Stunden vor der Vor- Premiere, die Wittek und sein Kollege Gilbert Rödiger am Freitag mit Freunden, Helfern und Nachbarn in ihrer Heimatstadt feierten, saßen die beiden Regisseure, Autoren, Hauptdarsteller, Tontechniker und Cutter am Computer, um ihren ersten Film "Im Banne der Rouladenkönigin" fertigzuschneiden. "Die letzten zwei Tage habe ich überhaupt nicht mehr geschlafen", stöhnt Wittek.

Sechzig Minuten Kinofilm sind es geworden, gedreht auf eigene Kosten und durchweg gefilmt mit einer handelsüblichen Spiegelreflexkamera, mit der Hollywood-Regisseur Joe Johnston zuletzt auch "Captain America" gedreht hatte. "Wir wollten das immer schon machen", sagt Gilbert Rödiger, "also haben wir es einfach versucht."

Das "Elsterglanz-Prinzip" nennen die beiden Zufallsstars das. Auch ihre ersten Hörspiele, eingesprochen "nur for de Kumpels" und heute deutschlandweit Kult, entstanden ohne Vermarktungsabsicht. "Es ging darum, die Leute bei uns so zu zeigen, wie sie sind."

Zugespitzt selbstverständlich, überhöht und freundlich karikiert. Demselben Rezept folgt auch die bizarre Geschichte um den Versuch des bezopften Elsterglänzlers Gilli, an die heißverehrte Supermarktverkäuferin Janette heranzukommen. Das Mädchen ignoriert ihn hartnäckig, Freund Sven liefert folglich Ideen, wie dem Mangel nun am besten abzuhelfen wäre.

Eine Tour de Force durch die tiefsten Abgründe des handfesten Humors der beiden ehemaligen Rockmusiker schließt sich an. Mit ihrer gewohnten Mischung aus absurdem Humor und schrägem Mansfelder Dialekt bieten Elsterglanz ein wenig Schatzjagd wie in "Sakrileg", ein wenig Gangsterklamotte und ganz viel Heimatkino. Gilbert Rödiger spielt dabei einen liebestollen Wichtigtuer, der beständig bereit ist, anderen die Welt zu erklären. Sven Wittek gibt den wortkargen Sidekick und Stichwortgeber, hat aber ebenfalls Momente, in denen er mit verwegenem Wortwitz und bizarren Posen strahlen kann.

Ansonsten liefern sie die gewohnte Portion Lebenshilfe, etwa wenn Rödiger ein paar Autofahrern erläutert, wie sich ein Reifen ohne Wagenheber wechseln lässt. Wer den Film gesehen hat, kennt die "Warschauer Wippe" und benötigt dazu nur einen Betonpapierkorb.

Zielgenau geht es hier am Rande der Realität entlang. Überzeichnet wird der Menschenschlag, überzeichnet wird die Mundart - und in der Übertreibung kenntlich. Zum Beispiel, wenn Wittek als derangierter Investor im Rathaus auftritt und einen Vortrag darüber hält, wie Eisleben seine Stadtsilhouette mit einem eigenen Fernsehturm abrunden könnte. Warum, fragt es da von den Mächtigen zurück? Nun, von dem Eisleber Turm könne man ein Stahlseil bis zum Fernsehturm in Berlin spannen. "Auf dem hätte eine Milliarde Vögel Platz."

Nein, das Rathaus entscheidet sich dann doch lieber dafür, das Elvis-Grab ins Mansfeld zu holen. Aber wer nach Logik sucht, ist hier an der falschen Adresse. Das hier ist ein "Aufstand der Herzen" (Wittek), angetrieben von Flaschenbier und Gehacktesbemmen. Eine kleine Welt, die ihre eigenen Rätsel und Grundregeln hat. "Warum gibt es kein Sprühgehacktes aus der Dose?", heißt es einmal. Draußen im Foyer, wo der rote Teppich liegt, wird es später raunen, das sei gar keine schlechte Idee. Ein andermal wird die Verzichtbarkeit des Internets mit einer dem Männerverstand absolut einleuchtenden Analogie erklärt: Das brauche einfach niemand - genau wie Biergläser.

Elsterglanz-Humor knickt schräg von der Wirklichkeit weg und sucht gelegentlich auch unter der Gürtellinie nach dem Sinn des Lebens. Zwischen Verballhornungen Marke "Seesack, öffnet Dich" und den gewohnten Mundartstandards, die aus jedem "bei" ein "bein" und aus jedem Kerl einen "Brummer" machen, gelingt es den Debütanten auch, in der - absolut professionell wirkenden - Bildsprache den eigenen schrägen Dialekt zu sprechen: In einer Szene laufen ein paar verschleierte Damen mit Nordic-Walking-Stöcken durchs Bild, in einer anderen tapezieren die beiden Helden versonnen eine Wand, die Bahnen kleben sie quer.

Das Elsterglanz-Prinzip. Jahrelang haben Rödiger und Wittek sich dagegen gewehrt, aus ihren Kunstfiguren Gilli und Sven herauszutreten, die Zehntausende nur als Stimmen kannten. "Wir sind in die Berühmtheitssache reingerutscht", sagt Wittek. Bis heute haben sie alle Plattenverträge abgelehnt. "Wir wollen einfach lieber unabhängig bleiben."

Bei "Im Banne der Rouladenkönigin" spielt deshalb kein Schauspieler mit, nur Freunde und Nachbarn. Für eine "schmale Mark" habe man gedreht, weil die Filmförderer abgewunken hatten. "Die wollten beim Inhalt mitbestimmen."

Durften sie nicht. Herausgekommen ist so ein Heimatfilm der besonderen Art, der sich selbst und die Menschen der Region durch den Kakao zieht, ohne zu denunzieren. Wann und wo der erste Elsterglanz-Film zu sehen sein wird, ist noch völlig offen. "Bisher hatten wir mit der Fertigstellung zu tun", sagt Sven Wittek, "wie es weitergeht, überlegen wir von jetzt an."

www.elsterglanz-dieband.comwww.elsterglanz-diefans.de