Alice und Ellen Kessler Alice und Ellen Kessler: Sachsens berühmtestes Zwillingspaar hat Geburtstag

München/dpa. - Am Sonntag (20. August) werden Alice undEllen Kessler 70 Jahre. Ans Aufhören denken sie aber noch langenicht. «Das Jahr war sehr busy für uns, aber wir wollen es jetzt dochetwas ruhiger angehen lassen und nehmen nicht mehr alles an», sagtAlice Kessler.
Geplant war die Bilderbuchkarriere der Blondinen, die in Nerchauals Töchter des Ingenieurs Paul Kessler zur Welt kamen, nicht. Alice,die 28 Minuten ältere Schwester, wollte ursprünglich Modezeichnerinwerden, Ellen zog es in die Medizin. Ballettunterricht nahmen dieZwillinge als Sechsjährige nur, weil ihr Vater wollte, dass sie sichgraziös bewegten. Dann aber entdeckten sie ihre Liebe zum Tanz, unddie alten Berufswünsche waren schnell vergessen. 1947 nahm dasKinderballett der Leipziger Oper die Beiden auf, 1950 ertanzten siesich die Aufnahme in der Operntanzschule mit Auszeichnung.
Als die Familie 1952 ein Besuchervisum zur Flucht aus der DDRnutzte, tanzten die Mädchen in der Bundesrepublik weiter: noch 1952wurden sie vom Düsseldorfer Revuetheater «Palladium» engagiert, dreiJahre später entdeckte sie der Direktor des Pariser «Lido», PierreLouis Guerin, und verpflichtete sie für sein Varieté auf den Champs-Élysées. Für die nicht einmal 20-jährigen Mädchen erfüllte sich damitein Traum: «Wir haben geglaubt, die Sterne zu erreichen, als wir amersten Abend zum Arc de Triomphe gingen», erzählt Ellen Kesslerspäter.
Doch den Sternen sollten sie noch viel näher kommen: Die Kessler-Schwestern tanzten sich in einem Jahr an die Spitze der weltberühmtenTanzgruppe «Blue Bell Girls», als ihr Vetrag im «Lido» auslief,gingen sie auf Tour und begeisterten auf Showbühnen, in Filmen undFernsehshows überall auf der Welt mit ihrer oft gelobten «brillant-perfekten Tanzkunst im Revuestil». Von Japan bis Südamerika und vonAustralien bis Italien tourten die Beiden, kamen dabei in Tuchfühlungmit fast allen Stars ihrer Zeit: Frank Sinatra und Elizabeth Taylor,Fred Astaire und Sammy Davis jr., keiner der großen Namen fehlt inihrer Liste.
Ihre privaten Höhepunkte waren dabei Italien und Amerika, wieAlice Kessler heute sagt. Ihr Ruhm ging sogar soweit, dass sie eineRolle im Elvis-Presley-Film «Viva Las Vegas» ausschlugen. «DasWichtigste in diesem Leben ist, "nein" sagen zu können.» Allein dasPrivatleben der Blondinen blieb bei ihrem raschen beruflichen Tempoauf der Strecke: Obwohl beide zeitweise feste Beziehungen pflegten,hat keine je geheiratet. Die Gründe, die sie dafür ins Feld führen,sind zahlreich: die schwierige Kindheit, der alkoholabhängige Vater,die Liebe zur Unabhängigkeit. Selbst eine Astrologin, die ihnenEhelosigkeit prophezeit haben soll, wurde genannt.
Obwohl Alice und Ellen stets betont haben, «keine Heiligen»gewesen zu sein, hat ihr Interesse an Männern mittlerweilenachgelassen: «Wir schauen uns gar nicht mehr um, ob wir einenfinden», bekannte Ellen kürzlich in einem Interview, und Alicebestätigte: «Lieber behalt' ich meine Freiheit!» Damit auch dieSchwester die Freiheit nicht stört, ist das gemeinsame Haus inGrünwald von einer Trennwand durchzogen: So seien sie unabhängig,aber nie einsam. Etwa zum Essen - am liebsten italienisch oderchinesisch - laden sie sich aber gegenseitig ein.
Ihren Geburtstag feiern sie gemeinsam im kleinen Kreis in Positanoin Italien. Beruflich gebe es keine großen Träume mehr, so dieTänzerin: «Früher wollten wir unbedingt einmal auf den Broadway, daswar der große Traum. Aber es hat nicht geklappt, weil es keineZweitbesetzung für uns gab. Heute will ich auch gar nicht mehr, daswäre mir viel zu anstrengend.» Sie widme sich lieber ihren Hobbys,gehe Golfen und organisiere ihr Haus: «Bei mir muss es immer sehrordentlich sein!» Auch die Wünsche sind ganz bescheidene: «Gesundheitund Zufriedenheit, mehr nicht.»