Al Jarreau Al Jarreau: Stimmakrobat kehrt zurück zu seinen Jazz-Wurzeln

New York/dpa. - Darauf interpretiert Jarreau Hits seiner frühen Idole HoagyCarmichael, Duke Ellington, Lionel Hampton, Dizzy Gillespie und«der unvergesslichen» Betty Carter. «Diese Songs sind wie alteFreunde», sagte Jarreau kürzlich in einem US-Radiointerview. «"TheMidnight Sun" habe ich schon gesungen, als ich fünf war und noch amRockzipfel meiner Schwester hing.»
Heute vereint Jarreaus Stimme ein seltenes Einfühlungsvermögen miteiner schwer nachvollziehbaren Virtuosität, Sicherheit undGewandtheit. Vielgerühmt sind seine Imitationen von Instrumenten -war das nun eine echte Trompete, der wirkliche Bass? Oder doch derschlaksige Sänger aus Milwaukee? Jarreau wechselte mühelos hin undher zwischen klassischem Jazz und Funkrhythmen, Fusion und Soul, undbot auch eingängigen Hitparaden-Pop («Mornin' Mr. Radio», «Boogiedown»).
Ein Vierteljahrhundert lang wurde er für seine Gesangsakrobatik,die Verschmelzung von afrikanischen und brasilianischen Rhythmen undsein Charisma in aller Welt, ganz besonders aber in Europa, gefeiert.Fans lieben seine kunstvoll gemachten Alben «Glow» oder «We Got By»mit wahren Kleinodien an Stimmkunst, es folgten in den 80er Jahrenperfekt produzierte, aber musikalisch deutlich flachere Platten wie«Hearts Horizon» oder «Heaven and Earth». Diese Ausflüge in diemusikalisch eher seichten Höhen der Charts haben die Jazz-Puristendem smarten Sänger mit dem riesigen Mund nie so recht verziehen.
Zwischen den Zeiten von Kunst und Kommerz liegen die fünf Grammysund ausverkaufte Konzerte in Riesenhallen. 1996 veröffentlichteJarreau ein «Best of»-Album, das oft das endgültige Zurücklehneneines Künstlers markiert. Jarreau aber ging zurück: in die kleinenClubs - «Leute, passt mir auf die Live-Clubs auf!», sagte er 1997 inHamburg - und zu ausgesuchten Jazz-Festivals. Mit «Accentuate thePositive» lieferte er nun den letzten Beweis, dass seine Zukunft inder Vergangenheit liegt.
Als Sohn eines Pfarrers und einer Pianistin erprobte der junge Alseine Stimme im Gospelchor, gründete zu Schulzeiten die erste Band,schloss ein Psychologiestudium ab, spielte währenddessen Baseball alsHalbprofi und trat nachts in den Clubs auf.
Richtig entdeckt wurde er erst in Hamburg. Im legendären «OnkelPö» trat an seinem 36. Geburtstag - 1976 - ein gänzlich unbekannterSchwarzer auf und sang mythische Geschichten von «Aladdin's Lamp» undsalbungsvolle Balladen («Lock All the Gates»). Der damalige NDR-Redakteur Michael Naura: «Wir haben in Europa nicht andeutungsweiseein solches Talent.» Rundfunk- und Fernsehaufnahmen folgten undschließlich die Konzerttourneen über alle Kontinente.