Aimee Mann: So schön kann Verzweiflung klingen

Berlin - Eigentlich ist sie eine am Folkrock der 60er und 70er Jahre orientierte Singer-Songwriterin, und eine der besten noch dazu. Aber Aimee Mann hat auch Filmgeschichte geschrieben.
Im preisgekrönten „Magnolia” (1999) von Regisseur Paul Thomas Anderson singen die traurigen Hauptfiguren abwechselnd je eine Textzeile von Manns ebenso trauriger Soundtrack-Ballade „Wise Up”. Es ist eine bewegende, magische Szene, die den Film endgültig zum Ereignis macht - und die damals knapp 40-Jährige doch noch zum Star.
Jetzt hat die Sängerin - nach Jahren der Stagnation auf hohem Niveau - eine Platte gemacht, die an die Klasse von Liedern wie „Wise Up” oder „Save Me” und dem dazu gehörigen Album „Bachelor No 2” (2000) heranreicht. „Mental Illness” ist ihr reduziertestes Studiowerk - eine auf pure melodische Schönheit und hochwertige Texte setzende Songsammlung im Stil von Paul McCartney, Leonard Cohen oder Nick Drake.
Besonders der 1974 im Alter von 26 Jahren an einer Überdosis Antidepressiva gestorbene Folk-Hippie Drake hat es Mann diesmal angetan. Erstmals hat die Amerikanerin Streicher-Arrangements für ihre Lieder zugelassen, die tatsächlich an großartige Stücke des Briten erinnern, etwa in „Good For Me” oder „Poor Judge”.
Dabei ließ sie sich auf die Vorlieben ihres Produzenten Paul Bryan ein. Das von Jamie Edwards gespielte Klavier und akustische Gitarren sind weitere wichtige Puzzlesteine für das sehr weiche Klangbild.
Dass die für ihre Beschreibung hypersensibler, oft verzweifelter Menschen berühmte Songwriterin die Platte „Mental Illness” nannte, war eher Zufall. „Der Titel kam von einem Freund, der mich fragte, worum es bei diesem neuen Album geht”, sagt Mann. „Und ich antwortete: Ach weißt Du, die üblichen Songs über Geisteskrankheiten. Woraufhin er meinte: Dann nenn' es doch auch so.” Sie hoffe aber, „dass man merkt, dass hier auch mein Galgenhumor im Spiel ist”.
Aimee Mann ist seit 1997 mit dem Musiker Michael Penn verheiratet und damit eine Schwägerin von Oscar-Preisträger Sean Penn. Sie hat auch sonst - nicht erst seit dem Welterfolg „Magnolia” - gute Beziehungen zum Filmgeschäft, spielte beispielsweise kleine Rollen in „The Big Lebowski” von den Coen-Brüdern oder in der Kultserie „Portlandia”.
Vor allem ist die 56-Jährige ein sehr politischer Mensch - das zeigte sie erst kürzlich wieder, mit einem Protestsong gegen Donald Trump. In „Can't You Tell” versetzte sich Mann quasi in den Kopf des damaligen US-Präsidentschaftskandidaten hinein - und fand heraus, dass er nur aus Eitelkeit und Narzissmus ins Weiße Haus strebte. „Er wirkt wie ein Junge, zu dem nie jemand Nein gesagt hat”, sagte Mann gut zwei Wochen vor der Wahl. Auch damit hatte sie recht. (dpa)