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Ägypten Ägypten: Nachbau der antiken Bibliothek ist ein Publikumsmagnet

Von Arno Schütze 13.07.2004, 06:24
Die Lesehalle der «Bibliotheca Alexandrina» in Alexandria (Ägypten) deren futuristische Glas-Aluminium-Decke von altägyptisch wirkenden Säulen getragen wird (Foto vom April 2004). Seit der Eröffnung vor knapp zwei Jahren zählte die Bibliothek, die aussieht wie eine schräg gestellte, silberne Scheibe, über eine Millionen Gäste. Doch im Lesesaal klaffen große Lücken in den Reihen der Buchrücken, denn von den acht Millionen möglichen Büchern, stehen bisher nur 250.000 in den Regalen. Für Generaldirektor Ismael Serageldin haben Bücher keine Priorität, sondern für ihn gehört die Zukunft der digitalen Information. (Foto: dpa)
Die Lesehalle der «Bibliotheca Alexandrina» in Alexandria (Ägypten) deren futuristische Glas-Aluminium-Decke von altägyptisch wirkenden Säulen getragen wird (Foto vom April 2004). Seit der Eröffnung vor knapp zwei Jahren zählte die Bibliothek, die aussieht wie eine schräg gestellte, silberne Scheibe, über eine Millionen Gäste. Doch im Lesesaal klaffen große Lücken in den Reihen der Buchrücken, denn von den acht Millionen möglichen Büchern, stehen bisher nur 250.000 in den Regalen. Für Generaldirektor Ismael Serageldin haben Bücher keine Priorität, sondern für ihn gehört die Zukunft der digitalen Information. (Foto: dpa) dpa

Alexandria/dpa. - Knapp zwei Jahre nach ihrer Eröffnung ist derNachbau der antiken Bibliothek im ägyptischen Alexandria zu einem dergrößten Touristenmagneten der Stadt geworden. Hunderte drängen jedenTag zur «Bibliotheca Alexandrina», die aussieht wie eine riesigeschräg gestellte silberne Scheibe. Gruppen aus Japan und Deutschlandlassen sich vor der grauen Granit-Fassade fotografieren, in dieSchriftzeichen aus aller Welt eingemeißelt sind. Schulklassen staunenüber die Architektur der Lesehalle, deren futuristische Glas-Aluminium-Decke von altägyptisch wirkenden Säulen getragen wird. Seitder Eröffnung kamen bislang über eine Million Gäste. In den Augen vonKritikern pilgerten sie zu einer leeren Kulisse.

Im Lesesaal klaffen große Lücken in den Reihen der Buchrücken. DieBibliothek hat Platz für acht Millionen Bücher. Bislang stehen etwa250 000 in den Regalen. Das Magazin ist komplett leer. Ein Grund: Fürden Generaldirektor Ismael Serageldin, gelernter Architekt undehemaliger Weltbank-Vizepräsident, haben Bücher erklärtermaßen keinePriorität. «Sich mit einem Buch hinzusetzen und zu lesen ist einwunderbarer Gedanke, aber die Zukunft gehört der digitalenInformation», sagt sein Sprecher Ayman El Amir.

Wissenschaftler und Studenten könnten in der Bibliothek aufMillionen Bücher und Zeitschriftenartikel online zugreifen, sagt ElAmir. Zudem sei die Kopie eines Internet-Archivs abrufbar, in der 10Milliarden vom Netz genommene Seiten gespeichert seien. Auch in einemKatalog weltweit verbotener Bücher und einer Sammlung antikerSchriften könnten Interessierten recherchieren. «Das Internet istsinnvoll, wenn man eine Antwort auf eine spezifische Frage findenwill», sagt der Biochemie-Professor der Universität Alexandria,Mohamed Helmy. «Aber wenn man einen Überblick über ein bestimmtesThema braucht, ist ein Buch viel besser.» Die Kunststudentin Ola Alaael-Deen erklärt: «Mein Fach lässt sich eigentlich nur aus Büchernlernen.»

Eine Stätte des Lesens und Studierens zu sein, ist nur eines derZiele des zur Hälfte mit ausländischen Spenden gebauten 200 MillionenDollar teuren Prestigeobjekts. «Die Bibliotheca Alexandrina ist einHafen des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens», sagt El Amir.«Seit der Eröffnung gab es über 500 Events, etwa Tagungen im zurBibliothek gehörenden Konferenzzentrum.» In einem Planetarium werdedie Welt der Sterne erklärt, in drei Galerien sei Platz fürAusstellungen. Auch eine Theatergruppe, ein Orchester und ein Kinder-Ballett seien Teil von Ägyptens «Fenster zur Welt».

In der antiken Bibliothek standen einst 700 000 Papyrus-Rollen mitallen bedeutenden Werken der damaligen Zeit. «Die Angestelltenkopierten sie immer wieder und erhielten sie damit, bis dieBibliothek im vierten Jahrhundert im Krieg verbrannte», sagt Hans-Peter Geh, ehemaliger Chef der Stuttgarter Landesbibliothek undKuratoriums-Mitglied der Bibliotheca Alexandrina. «Die Bücher imheutigen Bestand sind bislang ausschließlich Schenkungen.»Entsprechend findet sich in den Regalen neben großen Werken derLiteratur und Wissenschaft auch viel Mittelmaß. «Für mich ist jedesBuch kostbar», sagt El Amir. «Wir nehmen auch Zeitschriften an, sogarwenn es nur eine einzige Ausgabe ist.»

Auf Druck der Kuratoriumsmitglieder mit bibliothekarischemSachverstand setzte die Bibliotheca Alexandrina vor KurzemFachreferenten ein, die sich um die Akquise von Büchern kümmern.«Eine Million Dollar stellt die Bibliothek nun pro Jahr für denAnkauf von Büchern zur Verfügung», sagt El Amir. «Das ist mehr alsjede andere Bibliothek in Ägypten bekommt.» Zu den 1100 Angestelltenist nun vor wenigen Tagen doch noch die Stelle einer inhaltlichverantwortlichen Bibliotheksdirektorin hinzu kommen. Sohair Wastawy,die zuvor im amerikanischen Wisconsin arbeitete, soll der Bibliotheknun ein Gesicht geben. Geh sagt: «Ihr Ziel wird es sein, die Balancezu finden zwischen der digital gespeicherten Information und der aufPapier.»