75. Geburtstag von Gojko Mitic 75. Geburtstag von Gojko Mitic: Der Defa-Indianer

Halle (Saale) - Am 13. Juni wird Gojko Mitic 75 Jahre alt. Seit mehr als 50 Jahren steht der gebürtige Serbe vor der Kamera und auf der Bühne. Eingeprägt haben sich vor allem seine Indianerrollen. Zurzeit spielt er aber den Grafen Hans Georg von Arnim im Fantasy-Spektakel „Die Verschwörung von Chorin“. Einen Tag vor Mitic rundem Geburtstag hatte das Stück Premiere an den Uckermärkischen Bühnen Schwedt. Zwischen zwei Proben hat Sylvia Pommert in der vergangenen Woche mit Gojko Mitic gesprochen.
Wenn man den Namen Gojko Mitic erwähnt, kommt als Reaktion sofort „Tokei-ihto“. Ich persönlich hab ja eine Erklärung dafür. Aber wie ist Ihre?
Mitic: Ich weiß selber nicht, wie mir geschah. Damals, als wir den Film „Die Söhne der großen Bärin“ drehten, hätte ich nie gedacht, dass er so beim Publikum ankommt. Aber, mein Gott, es ist gut so. Gerade dieser erste Defa-Indianerfilm war für mich wegweisend, für meine Karriere, für mein Leben. Wenn es die „Bärin“ damals nicht gegeben hätte, dann hätte ich heute keine Proben und keinen Stress. Dann wäre ich heute nicht Graf Arnim.
Als die „Bärin“ Premiere hatte, war ich zwölf Jahre alt. Tokei-ihto hat mich also irgendwie geprägt als Kind. Außerdem waren Sie ja die perfekte Besetzung. Das spielte sicher auch eine Rolle. Für mich sind Sie deshalb immer Tokei-ihto geblieben – egal, was danach kam. Vielen anderen wird es ähnlich gehen.
Mitic: Zwölf? Ja, das ist das richtige Alter für so einen Film. Die Eindrücke, die man als Kind hat, die bleiben irgendwie haften.
Sie haben nach den Indianerfilmen viele Sachen gemacht, die auch in Erinnerung geblieben sind. „Spartacus“ im Bergtheater Thale zum Beispiel, „Alexis Sorbas“ am Theater Schwerin, mehr als hundert Mal „Verbotene Liebe“ im Fernsehen. Haben Sie sich manchmal gewünscht, dass das stärker in den Fokus rückt? Gerade auch jetzt, wo Ihr runder Geburtstag Anlass zur Rückschau gibt?
Mitic: Letztlich ist es egal, was man sich selber wünscht. Wichtig ist, was bei den Zuschauern wirklich haften geblieben ist. Und wenn Sie jetzt sagen, es war Tokei-ihto, dann ist es eben so. Natürlich habe ich viel anderes gemacht. Immer dann, wenn der Bedarf danach da war. Und es war bestimmt nicht schlecht. Aber, mein Gott, Indianerhäuptling ist auch nicht die schlechteste Schublade.
Sie haben allerdings immer wieder den Versuch unternommen, aus dieser Schublade rauszuspringen. Das sagten Sie jedenfalls.
Mitic: Jaja, einmal Indianer, immer Indianer ... Es ist mir nicht gelungen.
Aber gibt es eine Rolle, die Sie neben der Indianergeschichte besonders mochten?
Mitic: Wenn ich es jetzt sagen darf: Das war „Sorbas“. Alexis Sorbas ist ein Mensch, den ich bewundert habe. Man möchte selbst wahrscheinlich nicht so leben wie er. Aber er ist ein Lebenskünstler. Er beherrscht das Leben, er geht mittendurch. Wir alle sind irgendwie gehemmt. Sorbas nicht. Wir halten uns an Regeln, suchen nach dem richtigen Weg. Aber was ist der richtige Weg? Wer will das beurteilen? Wir machen es uns oft viel zu schwer. Sorbas kann sich an den einfachen Dingen des Lebens freuen. Er ist ein glücklicher Mensch. Die Figur ist mir besonders nahe.
Würden Sie rückblickend sagen, dass Sie den richtigen Weg gegangen sind?
Mitic: Okay, vieles würde ich mit meiner heutigen Erfahrung sicher anders machen wollen. Aber ich bin auch nie jemand gewesen, der forsch gesagt hat: Ich will jetzt das spielen und dann das. Ich lebe mein Leben anders. Ich schaue, was auf mich zukommt und was ich davon wahrnehmen will. So ist es bis heute geblieben. Natürlich hätte ich mich auch gegen das eine oder andere entscheiden können. Aber sollte ich zu Hause sitzen? Oder eine Weltreise unternehmen? Nein. Auch jetzt macht mir die Arbeit am Theater wieder Spaß. Und der Kontakt zu den Kollegen ist wunderbar. Man arbeitet an einer Geschichte und vergisst sich selbst dabei. Das ist einfach schön. Ich glaube, das Rentnerdasein gibt es für Schauspieler überhaupt nicht.
Den Begriff Rentner möchte man bei Ihnen gar nicht anwenden. Er mag zwar vom Alter her zutreffen, aber Sie sehen überhaupt nicht so aus.
Mitic: Na gut: Es ist schön, dass ich noch Energie habe und dass ich die Zeit nicht fühle, die hinter mir liegt. Andere Menschen in meinem Alter wirken zerbrechlich oder sind krank. Das kann aber auch schon bei jüngeren Menschen der Fall sein. Es kommt darauf an, was man aus sich macht. Wie diszipliniert man mit sich selbst umgeht. Und dann darf man die Gene nicht vergessen. Sie sind wahrscheinlich auch ein Faktor.
Ob Mitic auch heute noch alles Stunts selbst macht, was er an seinem Ehrentag macht und vieles mehr lesen Sie auf Seite 2.
Früher haben Sie alle Stunts selbst gemacht. Wie ist das heute?
Mitic: Heute ist das auch noch so. Hier in Schwedt gibt es ein paar Sachen, wo ich ein bisschen aufpassen muss. Hier spiele ich mit dem Feuer. Wir haben einen Drachen, der Feuer spuckt. Und wenn er spuckt, muss ich mich mit einem eisernen Schild davor schützen. Wenn ich dem Drachen aber zu nahe komme, umschließt das Feuer den Schild und umarmt mich. Dann wird es nicht nur sehr heiß. Dann ist es auch zu spät. Aber es macht trotzdem Spaß, damit konfrontiert zu werden und die Situation zu meistern.
Und Sie kommen auch wieder mit dem Pferd auf die Bühne?
Mitic: Ja, ja. Am Anfang hatten wir eines für Werbefotos. Das Pferd war geduldig, man konnte alles mit ihm machen. Nur die Bühne war leider nicht sein Metier. Es rührte sich nicht, ging weder vor noch zurück. Und das schon ohne Publikum. Was, wenn es da ist und vielleicht noch Krach macht? Was, wenn das Pferd erschrickt? Die Zuschauer sitzen hier ganz nah an der Bühne. Da kann es gefährlich werden. Also das war mir zu unsicher. Jetzt haben wir aber ein anderes Pferd gefunden, und das ist sehr cool. Die Bühne macht ihm nichts aus. Es ist neugierig und macht alles mit. Natürlich hängt es auch vom Reiter ab, wie sich das Pferd verhält.
Und da kennen Sie sich ja bestens aus. Wie halten Sie sich sonst noch fit?
Mitic: Also im Moment reichen die Proben. Reiten, fechten, das ist schon eine sportliche Herausforderung. Aber wenn ich zu Hause bin, gehe ich schwimmen, fahre meine Runden mit dem Kajak, fahre Fahrrad. Es ist wichtig, dass man sich bewegt, dass man etwas tut. Wer rastet, der rostet. Im Moment bin ich mit den Proben sehr beschäftigt. Aber sonst stehe ich morgens auf und schwimme erstmal eine Runde, auch wenn das Wasser kalt ist. Danach kalt abduschen und dann kann der Tag beginnen. Dann fühle ich mich wirklich wohl.
Da kann ich Sie nur bewundern.
Mitic: Ach ja, das kalte Wasser. Das ist ja meistens nichts für Frauen.
Richtig.
Mitic: Aber es gibt auch Frauen, die vor kaltem Wasser nicht zurückschrecken.
Ganz bestimmt. Ich gehöre nicht dazu. Lassen Sie uns lieber über Ihren runden Geburtstag reden. Am 12. Juni haben Sie Premiere in Schwedt. Was machen Sie am 13.?
Mitic: Zunächst mal haben wir noch Premierenfeier am 12. Juni. Und da feiern wir gleich in meinen Geburtstag hinein. Ich lade meine Kollegen ein. Vielleicht machen wir einen Umtrunk. Mal sehen, was sich ergibt. Ich bin niemand, der gern auf Putz haut. Der sagt: Heute habe ich Geburtstag und die Welt gehört mir. Geburtstage habe ich noch nie so gern gefeiert. Das war für mich immer ein Tag wie jeder andere.
Aber dieses Mal ist es ein runder Geburtstag. Man wird Sie nicht in Ruhe lassen.
Mitic: Ja, mein Gott, wenn sie mich nicht in Ruhe lassen wollen, kann ich es nicht ändern. Wenn es nur nach mir gehen würde, wäre es anders.
Sie stehen halt in der Öffentlichkeit. Auch dank Bad Segeberg. Bei den Karl-May-Spielen haben Sie die Nachfolge von Pierre Brice angetreten, und das überaus erfolgreich. Sind Sie vorher mit ihm in Erfahrungsaustausch getreten?
Mitic: Pierre Brice kannte ich schon sehr lange. Wir haben Anfang der 60er Jahre einigei Karl-May-Filme zusammen gedreht. Das waren ja eigentlich meine Anfänge als Indianer – noch bevor Tokei-ihto kam. Wir haben uns getroffen in Bad Segeberg, ja. Aber von Erfahrungsaustausch kann keine Rede sein. Ich bin sicher ein anderer Winnetou, als er es war. Man gibt sich der Figur ja auch hin und gestaltet sie selbst. Die Zuschauer entscheiden letztlich, ob sie die Darstellung annehmen oder nicht.
Ihre wurde angenommen. Das lag sicher auch daran, dass Sie Indianerfiguren sehr authentisch spielen. Sie haben sich mit dem Leben der Sioux und der Blackfeet intensiv befasst. Sie haben sie besucht ...
Mitic: Ja, es hat mich immer interessiert, was das für Menschen sind. Mein Interesse für Indianer hat eigentlich Karl May geweckt. Als Junge habe ich Winnetou I, II und III gelesen. Nach der „Bärin“ aber ging das Interesse noch einmal in eine ganz andere Richtung. Karl May war ein wunderbarer Fantast. Er entführt den Leser in ein Abenteuer. Hut ab, was der Mann geleistet hat. Aber Winnetou war eine fiktive Gestalt. Die tatsächliche Geschichte der Indianer war dann doch ein bisschen anders. Tecumseh, Osceola und Ulzana sind historische Figuren, die wirklich gelebt haben. Ihre Geschichte zu verfilmen, ist ein Verdienst der Defa.
Als ich 2001 in den Reservaten in den USA war, habe ich gelernt, das indianische Volk noch mehr zu schätzen. Die Indianer sind auf einer anderen Stufe als wir Europäer. Aber sie leben im Einklang mit der Natur. Sie nehmen nur, was sie brauchen, nicht mehr. Wir dagegen sind heute im Begriff, im Namen des Profits unseren eigenen Lebensraum zu zerstören. Es gibt Leute, die raffen und raffen. Für sie zählt nur das Geld. Dabei vergessen sie, zu leben. Aber auf Besitz kommt es nicht an. Die Demut gegenüber dem Schöpfer und der Natur – das ist etwas, was die Indianer in sich tragen. So sind sie erzogen worden, so leben sie. Diese Art zu denken gefällt mir, ganz klar. Das ist der Unterschied zwischen ihnen und uns.
Und Sie haben auch Ihre Filme gezeigt?
Mitic: Ja, ich war zwei Mal da. Und ich habe die „Bären“ und die „Apachen“ gezeigt. Ich war auch neugierig, wie die Indianer darauf reagieren würden. Sie haben die Filme also gesehen, und dann haben sie mich in ihren Stamm aufgenommen. Sie sagten, ich sei einer von ihnen. Das war schön. Ich wünschte, dass meine Kollegen, mit denen ich die Indianerfilme einst gedreht habe, auch dabei gewesen wären.
Sie sagen, Sie lassen die Dinge auf sich zukommen. Könnte darunter auch ein neuer Indianerfilm sein?
Mitic: Sie werden lachen, ich bin schon dabei. Meine Agentur hat entsprechende Vereinbarungen unterschrieben. Soweit ich weiß, soll Winnetou fürs Fernsehen neu verfilmt werden. Da gibt es auch eine Indianerrolle für mich. Für Winnetou selbst bin ich wahrscheinlich ein Jahr zu alt. Es wird eine andere Rolle sein. Und wenn ich mich nicht irre, ist die Rede von Philipp Stölzl als Regisseur. Das ist ein hervorragender Mann. Man versucht, gute Leute für die Neuverfilmung zu gewinnen, viele alte Hasen dieses Fachs. Kurz und gut: Ich habe zugesagt, und man wird einen neuen Film mit mir in diesem Metier sehen.
Wann?
Mitic: Das weiß ich jetzt nicht genau. Es war von Weihnachten die Rede. Aber ob in diesem oder im nächsten Jahr – keine Ahnung. Die Winnetou-Filme laufen ja traditionell zu Weihnachten. Dann wird man also einige Protagonisten von einst wiedersehen und schauen, was aus ihnen geworden ist.
Ursprünglich kommen Sie aus Serbien. Verbringen Sie Ihre Ferien bei der Familie?
Mitic: Mutter und Vater sind gestorben. Aber mein Bruder ist noch da. Jedes Jahr besuche ich ihn. Ich fahre zu meinen Wurzeln, und ich bin gern da. Dann laufe ich durch die Weinberge, in denen ich als Kind gewesen bin. Es sieht immer noch alles so aus wie damals. Mein Bruder kümmert sich um den Wein. Er war Jurist, ist jetzt aber Rentner und kann sich Zeit dafür nehmen. Er züchtet die Reben selbst. Und er hat auch Bienen. Wenn ich in meiner Heimat bin, esse ich gern das, was die Natur dort hergibt. Auch eine richtig gute Tomate zum Beispiel. Das ist alles echt Bio. Mein Bruder achtet darauf. Leider kann ich immer nur ein paar Tage bleiben, und dann muss ich wieder zurück. Aber es zieht mich auch nach Berlin, denn da bin ich zu Hause.
Kürzlich habe ich etwas ganz Kurioses gelesen. Danach muss ich Sie unbedingt noch fragen: Es gibt einen Asteroiden, der „Gojko Mitic“ heißt. Wie kam es denn dazu?
Mitic: Das weiß ich selber nicht. Ich hatte keinen Einfluss darauf. Wahrscheinlich haben die Jungs, die den Asteroiden entdeckten, ähnliche Erlebnisse gehabt wie Sie. Sie werden auch als Kinder die Indianerfilme gesehen haben, und das hat sie beeindruckt. Sie haben den Asteroiden registriert und sich gefragt: Wie nennen wir den denn? Na, nehmen wir doch „Gojko Mitic“! Es war auch für mich ein bisschen kurios, als ich davon hörte.
Und sie wissen nicht, wo der Asteroid herumschwirrt?
Mitic: Nein. Aber jetzt, wo Sie es sagen: Ich muss mich mit den Jungs mal in Verbindung setzen und sie fragen. Denn hoffentlich fliegt er nicht in Richtung Erde. Mein Gott, hoffentlich kreist er schön und will uns nicht besuchen. Denn damit will ich nichts zu tun haben. (mz)
