Wolfgang Stumph wird 70 Jahre alt Wolfgang Stumph wird 70 Jahre alt: Stumpi Normalverbraucher

Halle (Saale) - Dass ein Sachse die Deutschen versöhnt, ist ein Wunder für sich: Millionen Menschen haben den kleinen Wolfgang Stumph gern, obwohl doch seine Landsleute eher verspottet und oft auch gar nicht verstanden werden. Walter Ulbricht, der Mauerbauer, kam aus Sachsen - und jahrelang hielt sich die Legende in Ost wie West, die Bösen kämen immer von dort. Dagegen konnte auch der gemütvolle Sachse Eberhard Cohrs nichts ausrichten: Im Osten geliebt, bekam er nach seiner Flucht im Westen keinen Fuß auf die Erde.
Shows im DDR-Fernsehen
Stumph aber ist der Bezwinger der Mauer, die durch die Köpfe laufen soll. Wenigstens für 90 Filmminuten ist es ihm vielfach gelungen, den kleinen Mann (und dessen Familie) hüben wie drüben in Einheit vor dem Fernseher zu bannen. Er ist schlechthin der Prototyp des gutmütigen, aber keineswegs unbedarften Durchschnittsbürgers, wie man ihn für das Fernsehen braucht, damit die Quote stimmt. Was mit dem Friesenkunstwerk Otto einst auf die eher derbdrollige Art gelang, ist mit dem knubbeligen Stumph, den viele kumpelnd „Stumpi“ nennen, auf der Ebene des gesamtdeutschen Michels abermals geglückt.
Dabei ist Stumph gar kein gebürtiger Sachse. Er kam am 31. Januar 1946 im niederschlesischen Radków (deutsch: Wünschelburg) zur Welt, also fast ein Jahr nach Kriegsende. Sein Vater war im Krieg verschollen, der Junge wuchs bei der alleinerziehenden Mutter auf, in der DDR. Er sei einer, hat Stumph einmal gesagt, „der nicht mit dem goldenen Löffel“ groß wurde. Viele Worte über die Sehnsucht nach dem Vater, über die ärmliche Kindheit hat er nie verloren. Aber dass einer in solcher Lage einerseits Spottlust entwickelt, um sich selbst zu schützen, und andererseits darauf hofft, den bescheidenen Verhältnissen durch eine Mischung aus Witz und Anpassung zu entkommen, ist logisch.
Beim Dresdner Kabarett „Herkuleskeule“ fand Stumph zunächst seine Bestimmung. Es fällt nicht schwer, sich den Mann auf der Bühne als bauernschlauen Burschen vorzustellen, der die frömmsten Sprüche klopft, hinter denen man allerdings das krasse Gegenteil an gefühlter Meinung vermuten darf. Auch in Shows des DDR-Fernsehens tauchte der freundliche Stumph öfter auf seit den 80er Jahren.
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So hätte das noch weitergehen können, wenn es überhaupt weitergegangen wäre mit dem Osten. Nun waren es damals zwar nicht die Dresdner, die heute mit Pegida von sich reden machen, sondern die Leipziger, die der alten DDR mit ihren Demonstrationen zum Abschied von der politischen Bühne verhalfen - aber der Typ, den Wolfgang Stumph verkörperte, war nun wegen seiner Glaubwürdigkeit als Otto Normalverbraucher Ost um so mehr gefragt.
Mit dem Film „Go Trabi Go“ ging er 1991 als Deutschlehrer Udo Struutz, der auf Goethes Spuren nach Italien reist, in die gesamtdeutsche Erfolgsspur: So sieht er also aus, der unbekannte Bruder aus dem Osten! Und da er nun einmal eingeführt war, lief der Rest wie am Schnürchen. Nicht zuletzt die Rolle als Kommissar Stubbe, den er 50 Mal für das ZDF gegeben hat und damit gute Quoten für den Sender einfuhr, hat Stumph endgültig zum Star gemacht. Die Idee, einen Dresdner nach Hamburg ziehen zu lassen, wo er als Ermittler arbeitet, hat sich als tragfähig erwiesen. Stumph als sächselnder Zonen-Columbo mit dem Hang zum Psychologisieren ist rasch zu einer festen Größe geworden.
Rühmenswerte Konsequenz des Schauspielers
Um so erstaunlicher und auch rühmenswerter die Konsequenz des Schauspielers, nach 50 Folgen Schluss zu machen, bevor der Erfolg am Ende hätte bröckeln können. Der letzte Film lief am 18. Januar 2014. Da stand Stumph vor seinem 68. Geburtstag - ein Alter, in dem auch die echten Kommissare nicht mehr hinter Verbrechern herjagen, sondern sich in ihr Obstgärtchen zurückziehen.
Stumph dreht idnes immer noch Filme, und nahezu immer bleibt er dem Bild, das man von ihm hat, treu: Er spielt den pfiffigen, anständigen Kerl, der sich schon mal reibt an den Mächten der Welt. „Alles muss sich rechnen heute. Manchmal denke ich sogar, Humanität muss sich rechnen“, hat er in einem MZ-Interview gesagt. Das war vor seinem 65. Geburtstag, damals hätte das Wort Flüchtlingskrise noch kaum einer schreiben können. Heute hört sich der Satz noch ganz anders an, es ist davon auszugehen, dass Stumph ihn immer noch unterschreiben würde. So, wie er sich immer geweigert hat, für Werbung aufzutreten. Man muss es sich eben leisten wollen. Und können. Stumph kann. (mz)
Das MDR-Fernsehen sendet am Sonntag um 15.30 Uhr „Go Trabi go“ und um 20.15 Uhr ein Porträt des Schauspielers Wolfgang Stumph.