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Wirtschaftskrise Wirtschaftskrise: Werden 2009 eine Million Jobs vernichtet?

22.04.2009, 16:08

Washington/Berlin/dpa. - Nach seiner Prognose schrumpftdie deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 5,6 Prozent - es ist einerder heftigsten Einbrüche in Europa. Die führenden deutschenWirtschaftsforschungsinstitute erwarten im Zuge der Finanzkrise einennoch tieferen Absturz: ein Minus von 6,0 Prozent desBruttoinlandsprodukts (BIP), wie am Mittwoch in Berlin zu erfahrenwar. Sie rechnen deshalb für 2009 mit einem Verlust von rund einerMillion Arbeitsplätzen.

Weltweit erwartet der IWF für 2009 einen Rückgang derWirtschaftsleistung um 1,3 Prozent: der mit Abstand schlimmsteEinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Das geht aus dem jüngstenglobalen Ausblick hervor, den der IWF am Mittwoch in Washingtonvorlegte. «Wir stecken in der Mitte von etwas, das einer Depressionsehr nahe kommt», sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. Mit einemerwarteten weltweiten Wachstum von 1,9 Prozent im kommenden falle dieErholung der globalen Wirtschaft voraussichtlich schwächer aus alsnach früheren Abschwüngen, wobei diese Prognose «von großenUnsicherheiten geprägt» sei. Grund sei die Kombination vonFinanzkrise und einem gleichzeitigen, globalen Konjunktureinbruch.

Auch die Bundesregierung rechnet nunmehr mit einem Einbruch derdeutschen Wirtschaft in diesem Jahr von mindestens 5,0 Prozent, wieBundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) undBundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in Berlindeutlich machten. Steinbrück sagte, eine Fünf vor dem Komma halte erinzwischen «nicht für unwahrscheinlich». Die neue Vorhersage wird am29. April vorgelegt. Bei der vergangenen Schätzung im Januar ging dieRegierung noch von einem BIP-Rückgang von 2,25 Prozent aus. Ein neuesKonjunkturpaket ist von der Bundesregierung dennoch nicht geplant. Esgehe darum, bisher getroffene Maßnahmen umzusetzen. Die bisherigenzwei Konjunkturpakete für dieses und nächstes Jahr haben ein Volumenvon mehr als 80 Milliarden Euro.

Die deutsche Wirtschaft leide vor allem unter ihrerExportabhängigkeit und dem schwachen Binnenmarkt, erklärten die IWF-Experten und sagten voraus, dass das weltweite Handelsvolumen indiesem Jahr um elf Prozent schrumpfen wird. Deshalb riet der IWFDeutschland zu weiteren Schritten, um die Konjunktur anzukurbeln.«Deutschland hat den Spielraum dazu und sollte es in Erwägungziehen», sagte IWF-Ökonom Jörg Decressin.

Denn in der Eurozone stürzt in diesem Jahr laut IWF nur noch dieirische Wirtschaft schwerer ab als die deutsche - Irland muss sichauf ein Minus von acht Prozent einstellen. Während der IWF weltweitfür 2010 wieder ein leichtes Wachstum von 1,9 Prozent erwartet, wirdfür Deutschland laut Prognose die Talfahrt weitergehen: Sie wird auchim kommenden Jahr schrumpfen - um ein Prozent.

Der IWF korrigierte praktisch alle im Januar getroffenenLänderprognosen nach unten. In den USA als Ausgangspunkt der Kriseerwartet der Fonds nun, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 2,8Prozent schrumpft und sich 2010 ein Nullwachstum einstellt. Für dieEurozone prognostiziert der IWF 2009 ein Minus von 4,2 Prozent,gefolgt von minus 0,4 Prozent 2010.

Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer bekommen die Krise mitvoller Wucht zu spüren: Dort erwartet der Fonds in diesem Jahr nurnoch ein Wachstum von 1,6 Prozent. 2010 sollen diese Staaten aberschon wieder um 4 Prozent zulegen, vor allem die asiatischenSchwellenländern dürften sich schneller erholen (plus 6,1 Prozent),insbesondere China (plus 7,5 Prozent) und Indien (plus 5,6 Prozent).

Eine echte Kehrtwende wird sich laut Fonds erst einstellen, wennder Kampf gegen die Krise im Finanzsektor forciert und die Nachfragestärker angekurbelt werde. Den bisherigen Maßnahmen sei es bislangnicht gelungen, die «zerstörerische Wechselwirkung» vonKonjunkturabschwung und der Krise in der Finanzwirtschaft zuunterbrechen, kritisiert der IWF. Gehe die Politik die grundlegendenProbleme nicht massiv genug an, drohe sich die Krise in die Länge zuziehen und noch teurer als bisher schon zu werden. Oberste Prioritätfür die Politik müsse die Neuordnung des Finanzsektors haben.

   Laut einer dpa-Umfrage erwarten Bankenvolkswirte, dass dieWirtschaftskrise dem deutschen Arbeitsmarkt immer mehr zusetzt. Diesonst übliche Belebung in diesem Frühjahr werde von den Auswirkungender Krise weitgehend aufgezehrt. Nach Berechnungen von Fachleutenwaren im April rund 3,56 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit.Die führenden deutschen Forschungsinstitute erwarten, dass dieArbeitslosigkeit im Herbst die Marke von vier Millionen inDeutschland überschreiten und 2010 auf knapp 4,7 Millionen steigenwerde, schrieb die «Süddeutsche Zeitung» (Donnerstag).

Unter Berufung auf Informationen aus dem Kreis der Institute hießes weiter, dass für 2010 nur noch mit einem leichten Rückgang desBruttoinlandsprodukts von 0,5 Prozent gerechnet werden müsse.Zudem rechnen die Institute wegen des Konjunktureinbruchs miterheblichen Fehlbeträgen in den öffentlichen Haushalten. Für 2009veranschlagen sie das Finanzierungsdefizit auf 89 Milliarden Euro.Dies entspricht 3,7 Prozent des prognostiziertenBruttoinlandsprodukts (BIP). Für das nächste Jahr erwarten dieInstitute sogar ein enormes Haushaltsloch von mehr als 132 MilliardenEuro. Die Defizitquote würde damit auf 5,5 Prozent des BIP anziehen,berichtete die Zeitung.