Wirtschaftskriminalität Wirtschaftskriminalität: Siemens-Affäre weitet sich immer weiter aus

München/dpa. - «Von einem dreistelligenMillionenbetrag gehen wir noch nicht aus», sagte OberstaatsanwaltAnton Winkler am Montag in München. Es seien aber größere Summen aufausländischen Konten eingefroren. In der Finanzaffäre sind dieErmittler nach eigenen Angaben bis in die Vorstandsetage bei Siemensvorgedrungen. Die Vorstandsbüros seien bei der Großrazzia vergangeneWoche durchsucht worden. Allerdings gehörten Mitglieder desZentralvorstands nicht zu den Beschuldigten.
Auch das Unternehmen selbst betonte, dass Vorstandschef KlausKleinfeld von der Staatsanwaltschaft nur als Zeuge gesehen werde. Ersei bisher auch nicht vernommen worden. Im Umfeld des Konzerns wurdezudem betont, die Ermittlungen konzentrierten sich auf einen Zeitraumum das Jahr 2002 herum, in dem Kleinfeld noch Siemens-Chef in den USAgewesen sei.
Die Finanzaffäre war in der vergangenen Woche bekannt geworden. AmMittwoch durchsuchten mehr als 270 Polizeibeamte, Staatsanwälte undSteuerfahnder in einer groß angelegten Razzia die Konzernzentralein München und insgesamt rund 30 weitere Siemens-Standorte inDeutschland und Österreich. Bei den Ermittlungen geht es umUnregelmäßigkeiten in der Siemens-Festnetzsparte Com, die derzeitaufgelöst wird. Das veruntreute Geld soll möglicherweise fürSchmiergeldzahlungen im Ausland eingesetzt worden sein. «DieErmittlungen laufen weiter auf Hochtouren», sagte OberstaatsanwaltWinkler. Die Ermittler seien mit der Auswertung der beschlagnahmtenUnterlagen und mit weiteren Vernehmungen beschäftigt.
Im Zuge der Ermittlungen waren fünf Personen festgenommen worden,darunter auch ein ehemaliger Siemens-Bereichsvorstand, der derzeitGeschäftsführer einer Siemens-Tochter ist. Inzwischen ist einBeschuldigter wieder auf freiem Fuß. Der Haftbefehl sei außer Vollzuggesetzt worden, sagte Oberstaatsanwalt Winkler. Im Rahmen derVernehmung habe sich herausgestellt, dass sein Tatbeitrag dieszulasse. Laut Branchenkreisen soll es sich dabei aber nicht um denhochrangigen Manager halten. Die vier weiteren Beschuldigten befindensich noch in Haft. Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft derzeit voneinem Dutzend Verdächtigen aus, darunter befindet sich ein weitererehemaliger Siemens-Bereichsvorstand, der heute für ein anderesUnternehmen arbeitet.
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency Internationalforderte eine umfassende Aufklärung der Affäre. Es handle sich leiderum keinen Einzelfall, sagte der stellvertretende Vorsitzende Petervon Blomberg der dpa. Man dürfe auch nicht einfach darauf verweisen,dass in anderen Ländern Korruption üblich sei und Aufträge nichtanders zu bekommen seien. Zum einen sei erfreulicherweise seiteinigen Jahren auch Bestechung im Ausland in Deutschland strafbar.Zudem müsse jedes Unternehmen ganz klar entscheiden, wo es dieGrenzen ziehe. Notfalls müsse ein Konzern wie Siemens auf Aufträgeverzichten.