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"Abzocke pur"  Wir-kaufen-dein-Auto.de: Kritik an falschen Preisen beim Autoverkauf

Von Thomas Magenheim 11.06.2018, 00:46

Ökonomisch gilt es als Deutschlands Vorzeige-Start-up mit einer Marktbewertung von fast drei Milliarden Euro. „Wir-kaufen-dein-Auto“ kennen wegen umfangreicher Werbung in TV und sozialen Medien auch Menschen, die noch nie ein Auto verkauft haben. Weniger gut ist es um das Image der Berliner Auto1 Group und ihrer Online-Plattform bestellt.

Im Internet braucht man wenige Klicks, um auf Kommentare wie „Zeitverschwendung, unseriös, unverschämt, Bauernfängerei, Abzocke pur“ zu stoßen. Auch bei Verbraucherzentralen wie in Nordrhein-Westfalen laufen wegen der Praktiken immer mehr Beschwerden auf. „Was in der Reklame heiß klingt, erzeugt bei vielen Verbrauchern nur kalte Wut“, sagt Verbraucherschützer Georg Tryba.

Wir-kaufen-dein-Auto.de: Verlockende Angebote für Autoverkäufer

Fälle wie diese werden immer wieder geschildert: „Ich habe die Daten von meinem Fahrzeug online bei wirkaufendeinauto.de angegeben“, schildert ein Autobesitzer auf einem Adac-Blog. Als Ankaufspreis wurden erst einmal 4600 Euro genannt, beim obligatorischen Vorortbesuch in einer Filiale der Online-Plattform dann aber nur noch 900 Euro. „Bei einem türkischen Händler um die Ecke wurden mir 1900 Euro geboten“, zürnt der Autobesitzer. Verkauft habe er sein Auto dann für 2500 Euro ohne die Berliner Plattform.

Ein krasser Einzelfall ist das nicht, sagt Tryba und sieht im Vorgehen eher ein Prinzip. Erst werde online als Köder ein fantastisch guter Kaufpreis genannt, der dann nach Begutachtung oft zu einem fantastisch schlechten werde. Ein dokumentierter Lockvogelpreis sei von 2222 Euro auf 263 Euro zusammengeschnurrt. „Da gibt es von so manchem Verschrotter mehr Geld“, urteilt die Verbraucherzentrale. Auch die Gründe für Preisverfälle nach Begutachtung seien oft nicht nachvollziehbar.

Einen Verkauf haben die Nordrhein-Westfalen testweise begleitet. Für einen fünf Jahre alten Citroën Berlingo wurde erst online ein Lockpreis von knapp 6000 Euro genannt. Nach Vorort-Prüfung sind daraus 2679 Euro geworden. Auch den Zeitdruck der Online-Autokäufer rügen die Verbraucherschützer. Erst wird gewarnt, dass das Angebot nur fünf Tage gelte, erklärt Tryba. Nachdem niemand darauf reagiert habe, habe wir-kaufen-dein-Auto dreimal per E-Mail das Angebot um schließlich rund 400 auf gut 3000 Euro erhöht. Verkauft wurde der Berlingo dann für 5000 Euro, aber nicht über die Online-Plattform. Die agiere wie ein Zocker, finden die Verbraucherschützer. Auf Fragen zu den Geschäftspraktiken habe sie nicht reagiert.

Wir-kaufen-dein-Auto.de: Unternehmen verweist auf Kundenzufriedenheit von 70 bis 80 Prozent

Die viel gescholtenen Berliner verweisen hinsichtlich ihrer Preise auf eine Studie des TÜV Rheinland. Der hat die Untersuchung zwar als nicht repräsentativ gekennzeichnet, aber im Vorjahr immerhin 50 Testautos neben wirkaufendeinauto.de bundesweit auch freien, Marken- und Exporthändlern angeboten. Im Schnitt habe die Online-Plattform mit gut 4 600 Euro am meisten pro Fahrzeug geboten. 500 Euro weniger waren es bei Markenhändlern, 800 bis 900 Euro weniger bei freien und Exporthändlern. Bei 31 der 50 Autos habe die Onlineplattform den besten Preis geboten und jedes Auto gekauft.

Firmenmitgründer Hakan Koc beansprucht eine Kundenzufriedenheit von 70 bis 80 Prozent für das zusammen mit Christian Bertermann 2012 aus der Taufe gehobene Start-up. Erhoben wird sie aber vom Unternehmen selbst. „Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Kunden unzufrieden sind“, räumt die Firma ein. Die Online-Bewertung diene einer ersten Orientierung. Bei der kostenlosen Begutachtung könne der Preis je nach Schäden oder Sonderausstattung korrigiert werden, alles werde transparent dokumentiert.

Privat mehr erlösen

„Die Zufriedenheit unserer Kunden ist und bleibt dabei die Basis unseres Erfolgs“, sagt Bertermann und verweist auf 420.000 im Vorjahr gehandelte Gebrauchtwagen. Seit 2012 waren es über eine Million. Die Auto1 Group mache das zu Europas führender Plattform für den Autohandel, was auch den Technologiefonds Soft Bank Vision Fund zum Einstieg bewogen hat. 460 Millionen Euro haben die Investoren bezahlt.

Doch private Autoverkäufer werden nicht nur durch Werbeversprechen, sondern auch aus Bequemlichkeit angelockt. Die komme jedoch teuer zu stehen, warnt Tryba. Er rät dazu, ein Angebot von wir-kaufen-dein-Auto.de nicht sofort anzunehmen. Wer selbst an Privat verkauft, könne oft viel mehr erlösen. (mz)