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Versandhandel Versandhandel: ABDA-Chef für Versand-Verbot von verschreibungspflichtigen Medikamenten

Von Timot Szent-Ivanyi 07.08.2016, 14:39
Sind bald auch Rabatte für verschreibungspflichtige Medikamente möglich?
Sind bald auch Rabatte für verschreibungspflichtige Medikamente möglich? ABDA

Berlin - Der oberste Apotheker der Republik, Friedemann Schmidt,  machte vor einiger Zeit seinen Frieden mit dem lange bekämpften Versandhandel mit Arzneimitteln. Man müsse  akzeptieren, dass sich das Einkaufsverhalten der Menschen geändert habe und sie  heutzutage auch Medikamente im Internet bestellen wollten, so der Chef des Branchenverbandes ABDA:

„Wir wollen uns nicht mehr in dieser Schlacht aufreiben“. Doch im Herbst könnte das Thema wieder auf der politischen Tagesordnung stehen und für neuen Streit sorgen. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich voraussichtlich im September mit dem Versandhandel für verschreibungspflichtige Medikamente beschäftigen. Am Ende könnte auch ein Verbot stehen.

Konkret geht es um die Zulässigkeit von "Rx-Boni" - zu Deutsch: Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente. Sie sind in Deutschland verboten, da hierzulande alle rezeptpflichtigen Arzneimittel ähnlich wie Bücher einer Preisbindung unterliegen. Mit dieser für die Apotheker komfortablen Regelung soll ein Preiswettbewerb verhindert und gewährleistet werden, dass Medikamente überall verfügbar sind, auch auf dem Lande.

Unterschiedliche Urteile

Eigentlich galt das Thema als abgehakt: 2007 hatte eine Apothekerin aus Darmstadt gegen eine niederländische Versandapotheke geklagt, die deutschen Patienten bei rezeptpflichtigen Medikamenten Boni zum Beispiel in Form einer verringerten Zuzahlung einräumte. Sie sah dagegen einen Verstoß gegen deutsche Vorschriften.

Die Versandapotheke machte dagegen geltend, für sie gelte die deutsche Preisverordnung nicht. Die Frage wurde anschließend von mehreren obersten deutschen Gerichten unterschiedlich entschieden: Das Bundessozialgericht folgte den Argumenten der Versandapotheke, der Bundesgerichtshof sah dies anders.

Deshalb entschied am Ende der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe, der immer dann zusammentritt, wenn sich zwei der Gerichte uneins sind. Er kam zu dem Schluss, dass die deutschen Preisvorschriften auch dann gelten, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Versandapotheke mit Sitz in einem anderen EU-Land an Kunden in Deutschland geliefert werden. Damit wurde zugleich eine gesetzliche Klarstellung der damaligen schwarz-gelben Koalition bestätigt. Seitdem steht fest: Nachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente sind illegal, egal, wer sie anbieten will.

Ausländische Versandapotheken wie das niederländische Unternehmen DocMorris wollten anschließend erreichen, dass sich der EuGH mit der Angelegenheit beschäftigt. Denn dort sehen sie für ihr Anliegen größere Chancen, schließlich gilt in der EU die Freiheit des Warenverkehrs, die durch die Preisbindung beeinträchtigt werde. Doch der Gemeinsame Senat sah für die Überweisung keinen Grund.

Das Thema landet dann aber durch einen anderen Fall beim EuGH. Die deutsche Wettbewerbszentrale hatte die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) wegen einer Kooperation mit DocMorris verklagt. DPV-Mitglieder sollten bei der Bestellung bestimmter Präparate bei DocMorris einen Rabatt bekommen. Das mit diesem Fall beschäftigte Oberlandesgericht Düsseldorf legte die Angelegenheit schließlich dem EuGH vor.

Im Frühsommer konnten sich die Versandhändler bestätigt fühlen. Der Generalanwalt folgte der Argumentation, die deutschen Regelungen verstießen gegen den europäischen Grundsatz des freien Warenverkehrs. In der Politik und vor allem bei den Apothekern löste das Plädoyer größte Unruhe aus. Denn der EuGH übernimmt in rund 80 Prozent der Fälle die Argumentation des Generalanwaltes.

Dann sei das gesamte deutsche Preissystem für Arzneimittel nicht mehr zu halten, so die Befürchtung. Schließlich müsste in diesem Fall den ausländischen Versandapotheken erlaubt werden, Rabatte zu gewähren. Den inländischen Apotheken wäre das aber weiterhin verboten, was einer Diskriminierung gleichkäme. Damit wäre das Preissystem insgesamt obsolet.

Für den Fall, dass  das Gericht tatsächlich dem Generalanwalt folgt, plädiert ABDA-Chef Schmidt für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Gesundheitspolitiker der großen Koalition halten sich hingegen bedeckt. Sie scheinen ratlos, wie die Politik dann reagieren soll. „Klar ist nur, wenn das Gericht die Argumentation übernimmt, haben wir ein dickes Problem“, sagt ein Unions-Abgeordneter.

Denn damit sei die Preisbindung vom Tisch, was die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch die traditionellen Vor-Ort-Apotheken gefährde. Bei der SPD heißt es, ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten komme allerdings nicht in Frage – es war eine SPD-geführte Bundesregierung, die das Verbot 2004 aufgehoben hatte.

Apotheker hoffen

Nun hoffen Apotheker und Politiker, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sie setzen darauf, dass das Gericht den Vorschlägen des Generalanwaltes doch nicht folgt. Die Hoffnung ist nicht ganz unbegründet: Gerade in Fragen der Medikamentenversorgung sind die Richter in der Vergangenheit immer wieder eigene Wege gegangen.