Verhalten vor Gericht: Zuschauer stören immer häufiger
Berlin/Hamburg/dpa. - Spektakuläre Prozesse sind Publikumsmagneten. Große Kriminalfälle und Strafverfahren mit berühmten Angeklagten locken Zuschauer oft in Scharen in die Gerichtssäle.
Dabei gelten für Beobachter strenge Regeln. Und immer weniger von ihnen wissen das offenbar. Richter beklagen, dass die Störungen zugenommen haben. Dabei kann das Stören einer Gerichtsverhandlung dem Verursacher eine Menge Ärger einbringen: «Man wundert sich schon sehr darüber, dass die Zahl der Zwischenrufe zunimmt», sagt Hanspeter Teetzmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Richterbundes (DRB) in Berlin und Direktor des Amtsgerichts in Delmenhorst (Niedersachsen). Der Jurist führt das vor allem auf den schlechten Einfluss von Gerichtsendungen im Fernsehen zurück.
Zuschauer, Angeklagte und Zeugen reden dort oft wild durcheinander und beschimpfen sich nicht selten sogar - unschöne Sitten, die einige Besucher offenbar zunehmend auch in echten Verhandlungssälen zum Maßstab nehmen. Das hat auch die 70-jährige Helgrid Allert aus Hamburg schon erlebt: «Ich habe das Gefühl, dass viele nicht wissen, wie man sich dort verhält.» Viele sähen wohl zu viele Kinofilme.
Was Prozess-Zuschauer dürfen und was sie lieber lassen sollten, regelt in Deutschland das Gerichtsverfassungsgesetz. Es erlaubt Richtern, «ungebührliches» oder «die Würde des Gerichts verletzendes» Verhalten zu ahnden und damit einen ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen zu gewährleisten. Unmuts- oder Beifallskundgebungen, Zwischenrufe, abfällige Gesten oder gar Drohungen sind also tabu - egal, wie emotional die Verhandlung auch sein mag.
Auch allzu freizügige und unangemessene Kleidung kann daneben sein, wie Teetzmann erläutert: «Wer in Badelatschen und kurzer Hose erscheint, der muss damit rechnen, dass der Richter ihn wieder nach Hause schickt.» Dabei gebe es allerdings eine Grauzone, die von verschiedenen Gerichten unterschiedlich interpretiert wird. «Das ist immer auch ein bisschen von den Gesamtumständen einer Verhandlung abhängig», sagt Michael Börsch, Sprecher des Landgerichts Wuppertal.
Darauf sollten es Zuschauer aber besser nicht ankommen lassen. Denn Störer können auf Geheiß der Richter aus dem Sitzungszimmer entfernt und bis zu eine Woche lang in Ordnungshaft genommen werden, falls sie sich Anordnungen widersetzen. Und wer die Würde des Gerichts in «grob unangemessener Weise» verletzt, kann zusätzlich mit einem Ordnungsgeld von bis zu 1000 Euro belegt werden. Ordnungsgelder von 100 Euro sind in der Praxis schon bei kleineren Verfehlungen üblich. Und sie werden von Gerichten gern zur Unterbindung ungehörigen Verhaltens eingesetzt, wie Teetzmann sagt: «Das geht schnell ins Geld, und das soll es auch.»
Eine Reihe von Besonderheiten müssen Besucher von Strafprozessen schon vor Betreten des Gerichtssaals beachten. Am Eingang der meisten Strafjustizgebäude gibt es aus Sicherheitsgründen penible Kontrollen. Alle potenziell gefährlichen und als Waffe einsetzbaren Gegenstände müssen abgegeben werden. Dazu zählen außer Messern oder Scheren auch Glasflaschen und kleine Elektrogeräte, die möglicherweise als Zündquellen für Sprengstoffe dienen könnten.
Auch Alkohol ist im Gerichtsgebäude tabu, ebenso Laptops, Handys, Fotoapparate, Kameras oder Tonbandgeräte. Denn auch wenn fast alle Verfahren prinzipiell öffentlich sind, ist das Aufnehmen und Mitschneiden der Verhandlungen streng untersagt.