Umstellung der Telekom auf IP-Telefonie Umstellung der Telekom auf IP-Telefonie: Kunden können Schadenersatz fordern

Berlin - Was stellt die Telekom eigentlich um?
Das gesamte Netz der Deutschen Telekom wird auf den technischen Standard umgestellt, mit dem im Internet Datenpakete verschickt werden – das Internet Protocol (IP). Das bedeutet technisch, dass die Sprache genauso wie digitalisierte Bilder oder Texte behandelt wird. Die Telekom erhöht damit die Leistungsfähigkeit ihrer Netze, gleichzeitig sinken die Wartungskosten. Das ist für den Konzern dringend nötig, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu sein. Das Projekt läuft seit dem vorigen Jahr und soll 2018 abgeschlossen sein. Das Telefonieren soll dann deutschlandweit mit dem sogenannten Voice-over-IP-Verfahren (Voip) laufen. Laut Telekom-Deutschlandchef Niek Jan van Damme entspricht die Dimension des Großprojekts einem Neuverlegen aller Gleise bei der Bahn.
Läuft die Umstellung planmäßig?
Nach Angaben der Telekom sind 3,5 Millionen Anschlüsse umgerüstet worden. Jede Woche kämen 60000 hinzu. Probleme gab es reichlich. Vor gut einem Monat führte die Umstellung massenhaft zu toten Leitungen – über Stunden, teilweise waren Telekom-Kunden sogar mehrere Tage nicht erreichbar. Ursache dafür war eine Kombination aus Problemen mit der Infrastruktur und der Software. Internetrouter konnten bei Voip-Nutzung gewissermaßen nicht mit dem Netz kommunizieren. Lars Hofacker, der zuständige Manager der Telekom, sagte am Montag, die technischen Probleme seien inzwischen behoben. Doch es gab in diversen Foren seit dem Wochenende wieder mehrfach Beschwerden.
Können Kunden Schadenersatz fordern?
Laut Verbraucherzentrale Sachsen besteht generell Anspruch auf Schadenersatz. Es komme aber immer auf den Einzelfall an. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass beim Ausfall des Internetzugangs über mehrere Wochen der Anbieter zahlen muss. Nach Ansicht der Verbraucherschützer kann der Ausfall des Telefonanschlusses über mehr als zwei Stunden auch schon Entschädigungen rechtfertigen. Die Anschlussgebühr und angefallene Mehrkosten müssten dann eigentlich erstattet werden. Allerdings stellt sich die Frage, wann es sich lohnt, dies vor Gericht durchzusetzen. Kunden dürften hierbei auf die Kulanz der Telekom angewiesen sein.
Was ändert sich konkret für die Kunden?
Das Telefon muss nach der Umstellung auf IP direkt am Internetrouter eingestöpselt werden. Hinzu kommt, dass die alten analogen Telefone autonom funktionierten, da sie über die sogenannte Fernspeisung von der nächsten Vermittlungsstelle mit elektrischer Energie versorgt worden. Bei Voip sind die Telefone auf eine externe Stromversorgung angewiesen. Fällt also der Strom aus, ist auch das Telefon tot. In Internetforen wird dies derzeit massiv beklagt. Außerdem gibt es Beschwerden darüber, dass die Sprachqualität teilweise dürftig ist – sie ist von der Übertragungsqualität der Internetleitung und der eingesetzten Software abhängig. Experten gehen davon aus, dass diese Probleme mit der Zeit vor allem wegen besserer Software verschwinden werden.
Warum kündigt die Telekom-Verträge?
Die Vertragskündigungen begannen bereits im Frühjahr 2013. Es geht dabei um Kunden, die neben einem Telefon- auch einen DSL-Internetanschluss haben. Die Telekom will die Kündigungen nun forcieren, insbesondere in den 53Städten, in denen die schnellen VDSL-Anschlüsse vermarktet wurden. Rund 300000 Kunden sind davon betroffen. Im Zuge der Umstellung auf IP-Telefonie soll die neue Vectoring-Technik eingesetzt werden. Durch dieses technische Verfahren wird die Übertragungsgeschwindigkeit des Internetanschlusses auf bis zu 100 Megabit pro Sekunde erhöht. Mit VDSL waren nur 50 Megabit möglich. VDSL und Vectoring sind technisch aber nicht kompatibel. Deshalb kann die Telekom die alten VDSL-Tarife nicht weiter vermarkten.
Ist die Eile der Telekom notwendig?
Hofacker begründet die Eile damit, dass der Telekom für den Einsatz der Vectoring-Technik von der Bundesnetzagentur Vorgaben gemacht worden sind. Dazu zähle, dass der Konzern bis Ende 2016 neue Dienste und Tarife anbieten müsse, die auf der neuen Technik beruhen. Insider gehen davon aus, dass es der Telekom zumindest sehr willkommen ist, mit den Kunden neue Verträge auszuhandeln. Hofacker betont, dass den Nutzern unter Umständen höchstens Kosten für einen neuen Router entstehen. Die neuen Tarife seien „in der Regel“ aber günstiger.
Sind die Kündigungen zulässig?
Es handelt sich laut Verbraucherzentrale Sachsen um ganz normale ordentliche Kündigungen. So wie ein Telekom-Kunde seinen Servicevertrag auflösen kann, kann auch die Telekom die Vereinbarung kündigen – unter Wahrung bestimmter Fristen, die von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich sind. Nachzulesen ist dies im Kleingedruckten. Das ist möglich, da die Telekom längst kein Monopolist mehr ist, es überall Alternativen zu einem Festnetzanschluss der Telekom gibt. Verbraucherschützer raten, eine Kündigung zum Anlass zu nehmen, um sich umzuschauen, ob es einen günstigeren Telefonanbieter gibt.