Stromnetz in Ostdeutschland Stromnetz in Ostdeutschland: Netzbetreiber Mitnetz Strom sorgt vor

Halle (Saale) - Stromausfälle sind ärgerlich, doch meist relativ schnell behoben. Doch was, wenn nicht nur ein Mittelspannungskabel von einer Baggerschaufel durchtrennt wird oder ein umstürzender Baum eine Freileitung zerrissen hat? Was, wenn das Hochspannungsnetz großflächig und für längere Zeit außer Funktion gerät? Dann würde das öffentliche Leben in kürzester Zeit aus den Fugen geraten.
Zwar wird der Totalausfall der Stromversorgung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als sehr unwahrscheinlich eingestuft. Dennoch sagt die zuständige Referentin Kathrin Stolzenburg: „Er kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.“ Nicht umsonst gilt die Stromversorgung als sogenannte kritische Infrastruktur, deren Erhalt erste Priorität hat.
Katastrophale Folgen
„Welche Folgen ein Blackout hat, machen sich viele nicht bewusst“, sagt Dirk Hünlich von Mitnetz Strom, dem Netzbetreiber des regionalen Energieversorgers Envia-M. Festnetztelefone und stationäre Computer fielen umgehend aus. Das mobile Kommunikationsnetz könne maximal zwei bis vier Stunden aufrechterhalten werden. Kunden würden vor oder in verschlossenen Geschäften stehen, weil elektrische Türen versagen. Die Wasserversorgung wie auch Abwasserentsorgung kämen in kürzester Zeit zum Erliegen, weil keine Pumpe mehr arbeitet. Selbst Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die über eine Notstromversorgung verfügen, wären nach einem Tag nicht mehr arbeitsfähig, weil der Kraftstoffvorrat für die Dieselaggregate in der Regel nur für 24 Stunden bemessen ist. Nachschub auf normalem Weg sei aber nicht möglich, weil „nicht eine Tankstelle in Mitteldeutschland über eine unabhängige Stromversorgung verfügt“, fügt Hünlich eine überraschende Erkenntnis aus zwei Jahren intensiver Beschäftigung mit solchen Krisenszenarien in der Region an.
Lösungen für den Fall eines Blackouts
In diesen zwei Jahren haben die Experten von Mitnetz in Zusammenarbeit mit vielen regionalen Partnern aber auch Lösungen entwickelt, wie Grundfunktionen des öffentlichen Lebens im Fall eines Blackouts gewährleistet werden können.
„Im Winter vor zwei Jahren hatten wir eine sehr angespannte Situation im Stromnetz“, ruft Adolf Schweer, technischer Geschäftsführer der Mitnetz, in Erinnerung. Und angesichts der Energiewende habe man davon ausgehen müssen, „dass die Netze immer häufiger an ihre Grenzen kommen“. Das habe den Anstoß gegeben, über das bisher bestehende Maß Vorsorge zu treffen. Aus anfänglichen Workshops, in denen Verantwortliche unterschiedlicher regionaler Akteure ihre Erfahrungen austauschten, ist mittlerweile ein Expertennetzwerk geworden. Ihm gehören Vertreter von 24 Behörden, Verwaltungen und Unternehmen an. Aus dieser Kooperation wurden zwei zentrale Punkte entwickelt, die für die Beherrschung eines Katastrophenfalls unerlässlich sind: Eine funktionierende Kommunikation und eine gesicherte Treibstoffversorgung. „Wir haben intern eine Kommunikationskette über Satellitentelefone, die netzunabhängig arbeiten, entwickelt“, sagt Hünlich. Zudem stünden Lautsprecherwagen bereit.
Belieferung im Krisenfall
Um den Kraftstoffnachschub zu sichern, besteht eine Kooperation mit dem Großtanklager von Total in Hartmannsdorf bei Chemnitz. Es verfügt über 100 000 Kubikmeter Diesel, Benzin, Heizöl und Flüssiggas. Das Lager hat im Zuge einer planmäßigen Großreparatur eine unabhängige Stromversorgung installiert, wie dessen Leiter Fabrice Tonnelier berichtet. Somit sei es im Krisenfall in der Lage, alle entscheidenden Abnehmer zuverlässig zu beliefern.
Mitnetz Strom mit Sitz in Halle ist als Tochterunternehmen des Chemnitzer Energieversorgers Envia-M der größte regionale Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland. Das Leitungsnetz hat eine Länge von rund 74 000 Kilometern und erstreckt sich über Teile der Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.