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Startup-Unternehmen Startup-Unternehmen: Casper mischt den Matratzen-Markt auf

Von Jonas Rest 03.07.2016, 11:11
Casper mischt den Matratzen-Markt. Hier die Co-Founder Constantin Eis und Philip Krim
Casper mischt den Matratzen-Markt. Hier die Co-Founder Constantin Eis und Philip Krim Casper

Berlin - Investoren aus dem Silicon Valley sind immer auf der Suche nach dem nächsten großen Ding; Technologien und Geschäftsideen, die Milliardengewinne versprechen: Künstliche Intelligenz etwa oder selbstfahrende Autos  oder Virtual Reality – und nun: Matratzen. Mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar ist Investoren das New Yorker Unternehmen Casper wert –  obwohl es erst vor knapp zwei Jahren gegründet wurde.

Casper ist es gelungen einen regelrechten Hype um Matratzen zu kreieren.  Schon im ersten Monat verkaufte die  Amerikaner Matratzen für eine Millionen US-Dollar, im ersten Kalenderjahr ihres Bestehens setzten sie 100 Millionen US-Dollar um.

Keine Auswahl, kein Probeliegen

Bemerkenswert dabei: Casper verkauft Matratzen komplett anderes als die Ladengeschäfte. Es gibt keine Auswahl, kein Probeliegen, sondern nur genau ein Modell, in unterschiedlichen Größen. „Die Matratze passt sich jedem Körper an. Es ist ein Mythos, dass unterschiedliche Schlaftypen unterschiedliche Matratzen brauchen“, sagt Casper-Chef Philip Krim.

Seine Botschaft: Diese eine Matratze, hergestellt aus einer Mischung verschiedener Matratzenschäume,  ist perfekt für jedes Schlafbedürfnis. Und wer das anders sieht, kann sie innerhalb von 100 Tagen zurückgeben. Ein Bote holt sie ab, der Kunde bekommt den gesamten Kaufpreis zurück. Geliefert wird in einer Vakuumverpackung, so dass die Matratze in ein mittelgroßes Paket passt, das in Berlin sogar Fahrradkuriere ausliefern.

Es ist ein Modell, das offenbar den Nerv der Kunden trifft.  „Dass nur eine Matratze zur Auswahl steht, empfinden die Kunden als angenehm,“ sagt Krim. „Niemand freut sich, dass er zwischen fünfzig fast gleich aussehenden Matratzen entscheiden kann und mit technischen Begriffen bombardiert wird. Kunden wünschen sich oft weniger Auswahl – nicht mehr.“

Krim kennt sich aus mit dem Matratzenverkauf. Als Student begann er in den Semesterferien bereits aus dem Studentenwohnheim heraus eine Online-Möbel-Website aufzuziehen. Am besten laufen schon damals: Betten – und Matratzen. Nachdem er das Unternehmen verkauft hat, lernt er in einem Co-Working-Space die Casper-Mitgründer kennen, die gerade erst nach New York gezogen sind und sich gerade darüber ärgern, wie schwierig es ist, eine qualitativ hochwertige Matratze zu bekommen. Aber die  vier Amerikaner realisiert bald, dass die Undurchsichtigkeit eine Chance  ist: Um mit einem Gegenmodell den Markt aufzurollen.

Matratze wie ein iPhone

Ein Jahr lang entwickelten sie an ihrer Matratze. Als sie im April 2014 auf den Markt kommt, tritt sie schnell einen regelrechten Hype los.  Im Internet finden sich haufenweise  Videos, in denen sich Leute dabei filmen, wie sie die in einer Box gelieferten Matratze auspacken – als wäre es das neueste iPhone. Mehr als 40.000 Kunden meldeten sich sogar im Programm an, um weitere Produkte schon in der Entwicklung zu testen.

Caspers Strategie: Alles nur erdenkliche machen, um bei den Kunden im Gespräch zu bleiben. In New York organisierte das Unternehmen kürzlich sogar ein hochkarätig besetztes Schlaf-Symposium. „Den klassischen Matratzenhändlern geht es darum dem Kunden eine  Matratze zu verkaufen,“ sagt Casper-Gründer Krim.  „Uns geht es dagegen darum, zu ihnen eine  lebenslange Beziehung  aufzubauen. Wenn ihre Freunde dann fragen, welche Matratze sie wählen sollen, sagen sie Casper.“

Casper auf dem Weg zur Lifestyle-Marke

Es  ist das eigentliche Grund, wieso Investoren  70 Millionen Dollar in das Matratzen-Business von Krim steckten: Sie trauen Casper zu, zu einer Lifestyle-Marke im Bereich Schlaf zu werden – so wie es Nike im Bereich Sport gelungen ist. Zwar kauft der durchschnittliche Verbraucher nur alle sieben bis zehn Jahre eine neue Matratze – aber Caspers Modell basiert darauf, dass die Kunden die Website an ihre Freunde weiterempfehlen. So können Marketing-Ausgaben reduziert werden.

Vor allem aber sieht sich Casper nicht als Matratzen-Start-up, sondern als Schlaf-Unternehmen:  Caspers Ansatz zielt darauf ab, den Matratzen-Kunden noch viele weitere Produkte im Bereich Schlaf zu verkaufen. Bereits jetzt bietet Casper auch Bettdecken und Kissen an. Bald vielleicht auch  Schlafsäcke oder Schlaf-Tees. „Wenn es irgendwas mit Schlaf zu tun hat, denken wir definitiv drüber nach“, sagt Krim. So wie er es sieht, ist  der Schlaf nach der Begeisterung für Fitness und später für Ernährung der nächste große Bereich, der zum Trend-Thema wird.

Startups auch in Berlin

Dutzende Unternehmen eifern inzwischen Casper nach. Allein in Berlin arbeiten gleich fünf Startups  mit einem ähnlichen Modell. Die finanziell am besten ausgestattete Konkurrenz ist Eve Mattress, eine deutsch-britische Gründung, die in London sitzt, und bereits rund neun Millionen Euro Risikokapital eingesammelt hat und  bis Ende des Jahres auf rund 75 Millionen Euro Umsatz wachsen will.  Alle  hoffen darauf, zu profitieren, dass der 1,2 Milliarden Euro große Matratzen-Markt in deutschsprachigen Ländern sich zunehmend ins Internet verlagert. „Matratzen im Internet zu kaufen wird zunehmend gewöhnlich werden“, sagt Helmut Müller von Eve Mattress.

Industrie ist skeptisch

Die Matratzenindustrie beäugt die neuen Unternehmen argwöhnisch. Claudia Wieland vom Fachverband der Matratzenindustrie hat zwar  Verständnis dafür, dass Kunden den Kauf von Matratzen überfordert fühlen. „Es ist für den Kunden tatsächlich schwer zu unterscheiden, was Marketing ist und was wirklich wertvolle Materialen,“ sagt sie. „Und Kunden fühlen sich oft nicht wohl dabei, sich in den Geschäften hinzulegen.“  Das Versprechen, dass eine Matratze für alle passt, hält sie aber für nicht einlösbar.  Und das 100-Tage-Probeliegen sei  zwar verlockend,  ersetze aber keinen Vergleich: „Der Körper gewöhnt sich an alles Mögliche, ohne dass es besonders gut sein muss.“

So überzeugt die Start-ups davon sind, dass ihre eine Matratze die  perfekte ist: So ganz darauf verlassen, dass sie auch für alle perfekt ist, wollen sie sich doch nicht: Eve Mattress bietet in Deutschland etwa etwas festere Matratzen an als in Großbritannien, da die Deutschen es gewöhnt seien, auf einer festeren Unterlage zu schlafen. Zu solchen Anpassungen am Produkt  greift Casper zwar nicht, aber die Matratze, die für den deutschen Markt auch hierzulande  hergestellt wird,  wird dennoch angepasst – was die Größen angeht. Während die Matratzen in den USA mindestens 100 Zentimeter breit sind, beginnen sie in Deutschland bei einer Breite von 80 Zentimetern. Casper-Manager Constantin Eis sagt:  „Hier liegen Paare eben auch in Kingsize-Betten gerne auf zwei verschiedenen Matratzen – nicht auf einer.“