Bonner Unternehmen Solarworld Bonn: Betriebsratschefin Anke Martin-Heede erfuhr aus der Presse von der Insolvenz

Bonn - Er wurde Sonnenkönig tituliert, und er wehrte sich nicht wirklich dagegen: Frank Asbeck, Gründer und Chef des Sonnenstrom-Unternehmens Solarworld. Jetzt wird es finster um Asbeck. Nach einer langen Phase des Darbens hat der Vorstand des Bonner Unternehmens einen Insolvenzantrag angekündigt. Es bestehe keine „positive Fortbestehensprognose“ mehr, heißt es in einer Ad-hoc-Mitteilung.
Frank Asbeck als schillernde Figur der Öko-Energie
Mit dem mutmaßlichen Aus von Solarworld endet auch eine Ära. Asbeck ist eine der schillerndsten Figuren in der Welt der Öko-Energie. Er gilt als hochbegabter Verkäufer und begnadeter Strippenzieher – mit vielfältigen Beziehungen zu einflussreichen Politikern. Interviews mit Journalisten bricht er auch schon einmal ab, wenn ihm die Fragen nicht gefallen.
Banken verlieren Vertrauen in Unternehmen
Die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit vor dem zuständigen Amtsgericht war wohl nicht mehr vermeidbar. Ansonsten hätte Insolvenzverschleppung gedroht. Die Gläubiger, also vor allem Banken, haben endgültig das Vertrauen in das Unternehmen verloren. „Wir sind alle mit der Situation ein Stück weit überfordert“, sagte Anke Martin-Heede am Donnerstag der Deutschen Presseagentur. Sie ist die Betriebsratschefin des größten Solarworld-Standorts in Freiberg (Sachsen). Sie habe vom Insolvenzantrag aus dem Autoradio erfahren. Asbeck will am Freitag vor die Belegschaft treten. Solarworld beschäftigt hierzulande noch rund 2600 Frauen und Männer.
Weltmarktpreise für Solarzellen auf Tiefpunkt
Freilich kommt die Pleite nicht ganz unerwartet. Asbeck wird von einer Entwicklung in die Knie gezwungen, die seit gut einer Dekade anhält. Die Weltmarktpreise für Solarzellen und Solarmodule sinken mit rasanter Geschwindigkeit, sind in den vergangenen Jahren noch einmal drastisch in den Keller gegangen, im Schnitt um 20 Prozent. Und dieser Prozess setzt sich 2017 fort.
Solarworld kann nicht mehr mithalten. Viele Kunden haben Aufträge storniert oder nachverhandelt. Die mittelfristige Absatzplanung ist nach Einschätzung von Experten in sich zusammengebrochen. Davon hing aber die Refinanzierung von Anleihen und Darlehen ab mit einem Volumen von 350 Millionen Euro, die in den nächsten zwei Jahren zurückgezahlt werden müssen.
Asbeck trieb Erneuerbare-Energie-Gesetz voran
Einst war Solarworld das Vorzeigeunternehmen der Energiewende in Deutschland. Auch das hat viel mit der Person Asbeck zu tun. Er soll maßgeblich Einfluss genommen haben auf die Regelungen im Erneuerbare-Energie-Gesetz. Das wichtigste Werkzeug der Energiewende machte unter anderem zeitweise eine sehr großzügige Förderung für Sonnenstrom möglich.
Die vom Staat garantierten Vergütungen für das Einspeisen der Energie ins Netz lagen so hoch, dass sich Hausbesitzer, die eine Solarworld-Anlage auf dem Dach montierten, über zweistellige Renditen für 20 Jahre freuen konnten. Für Branchenkenner ist heute klar, dass sich das Solarworld-Management zu lange auf die Unterstützung durch die Politik verlassen hat und dabei übersah, dass in China eine vom Staat unterstützte Solarbranche in großem Stil aufgebaut wurde.
Solarzellen mit rasantem Fortschritt
Die Unternehmen in der Volksrepublik setzten auf schiere Größe und lagen damit richtig. Denn ähnlich wie bei Halbleitern für Computer gibt es bei Solarzellen einen rasanten technischen Fortschritt, der die Leistung der Bauteile erhöht und ihre Fertigung immer weiter verbilligt. Nur die ganz Großen können bei so einen Wettlauf mithalten.
Asbeck konnte erste Pleite abwenden
In der Branche gab es sowohl in Deutschland als auch in China Pleiten in großer Zahl, weil viele Anbieter schlicht zu klein waren. Zudem brach schon in den Jahren 2010 bis 2012 der Absatz ein, weil die Förderung von Solaranlagen in Deutschland und in vielen anderen Ländern massiv zurückgefahren wurde. Das war auch die Zeit als Solarworld zum ersten Mal ganz nah vor dem Aus stand.
Asbeck schaffte es aber, Investoren und Gläubiger von einem Restrukturierungskonzept nebst Schuldenschnitt zu überzeugen. Gläubiger mussten auf 60 Prozent ihres Geld verzichten, dafür wurden sie mit Solarworld-Aktien entschädigt. Altaktionäre mussten zugleich 95 Prozent des Aktienwerts abschreiben. Zudem wurde ein Investor aus dem Emirat Katar gefunden, der immer noch 29 Prozent der Anteilscheine hält. Asbecks Unternehmen übernahm sogar die Solarfertigung von Bosch in Arnstadt und erhielt dafür noch 130 Millionen Euro.
Doch eine dauerhafte Gesundung wollte nicht gelingen. Der permantenten Krise zum Trotz wurden lange Zeit hohe Dividenden ausgeschüttet, was Anleger empörte, da davon auch Großaktionär Asbeck massiv profitierte, der noch immer einen Anteil von knapp 21 Prozent hält.
Verband EU Solar sorgt für Mindestpreise auf EU-Markt
Derweil setzte der Solarworld-Chef abermals auf die Politik. Der von Solarworld dominierte Verband EU Solar überzeugte 2013 die EU-Kommission davon, Strafzölle auf chinesische Solarmodule zu verhängen und Mindestpreise für den europäischen Markt zu beschließen. Beides wurde gerade erst bis September 2018 verlängert. Doch auch die künstliche Verteuerung der Sonnenstromtechnik konnte Asbecks Firma nicht retten.
Solarworld übersieht wertvolle Nischen
Experten sehen das Hauptproblem darin, dass sich Solarworld zu lange auf den Massenmarkt konzentriert hat und nicht rechtzeitig auf hochwertige Nischenprodukte nebst Beratung, Sonnenstrom-Speicher und Energiemanagement umgeschwenkt ist. Das Dresdner Unternehmen Solarwatt zum Beispiel hat mit solch einem Konzept ein Comeback hingelegt.
Der Bundesverband Solarwirtschaft spricht denn auch von einer wieder steigenden Nachfrage seit Jahresbeginn. Eigenheimbesitzer und Firmen setzten mit der Kombination aus Solaranlage plus Speicher verstärkt auf die Eigennutzung des Sonnenstroms. Weltweit erlebt die Branche gerade einen zweiten Boom.
Unternehmensnetzwerk wettert gegen Strafzölle
Das Unternehmensnetzwerk übt indes Safe massive Kritik am von Solarworld losgetretenen Protektionismus der EU. Ohne die „Handelsmaßnamen“ könne heute schon Sonnenstrom für 3,3 bis 6,4 Cent pro Kilowattstunde produziert werden und bald die günstigste Art der Stromerzeugung in Europa werden.
Safe-Sprecher Holger Krawinkel betont: “So bedauerlich die Insolvenz für die Mitarbeiter und das Unternehmen Solarworld selbst ist, die Entwicklung bestätigt, dass Schutzzölle und Mindestpreise am Ende doch keinen Erfolg haben.“ Vielmehr sei die europäische Solarbranche in den letzten Jahren massiv beeinträchtigt worden, sie habe den Anschluss an den weltweiten Solarboom verloren. „Die Verlängerung der Handelsbeschränkungen macht jetzt überhaupt keinen Sinn mehr."