Solarindustrie Solarindustrie: Solarbranche im Niedergang

Frankfurt - Eins der neuesten Produkte aus dem Hause SMA hört auf den Namen Sunny Island. Es handelt sich um eine Kernkomponente für eine moderne Solaranlage. Der Hersteller, die Firma SMA Solar, lebt im übertragenen Sinn derzeit nicht gerade auf einer Sonneninsel. Dunkle Wolken hängen über dem Unternehmen aus Niestetal bei Kassel. Am Freitag erläuterte Vorstandssprecher Pierre-Pascal Urbon, dass er in diesem Jahr die Fixkosten um 160 Millionen Euro drücken will. Das bedeutet auch, dass im ersten Halbjahr fast ein Drittel aller Stellen gestrichen werden soll. 1300 Jobs sollen in Deutschland und 300 im Ausland wegfallen. SMA ist ein besonders krasses Beispiel für den Niedergang der Branche und für gescheiterte Industriepolitik.
Operation Gesundschrumpfen recht aussichtslos
Zweck der Operation Gesundschrumpfen bei SMA soll sein, das Unternehmen auch bei einem Umsatz von nur noch rund 700 Millionen Euro nach einer Serie von Verlusten endlich wieder profitabel zu machen – was allerdings in diesem Jahr schon nicht mehr zu schaffen ist. Dabei galt SMA lange Zeit als die Perle der hiesigen Sonnenstrom-Industrie. In Niestetal saß der unangefochtene Weltmarktführer für Wechselrichter – das sind Geräte, die die elektrische Energie der Solaranlage in netztauglichen oder speicherbaren Strom umwandeln.
2010 verdiente die Firma noch mehr als eine Million Euro am Tag und setzte knapp zwei Milliarden um. Doch schon damals gab es warnende Stimmen: „SMA hat ein Problem“, schrieb das Fachblatt „Photon“ im September 2010. Damals kamen Wechselrichter aus Südkorea auf den Markt, die nur halb so viel kosteten. Die teuren SMA-Geräte gingen am Massenmarkt der Zukunft vorbei, so „Photon“ damals. Das hat sich bestätigt.
Manager haben zu lange internationale Entwicklungen ignoriert
Ein beispielhafter Fall von Missmanagement? Unter Kennern besteht kein Zweifel: In der Branche krankt es daran, dass Solar-Manager zu lange die internationalen Entwicklungen ignoriert haben, insbesondere das, was sich in China getan hat. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Ganz maßgeblich kommt der Faktor Politik hinzu. Im Jahr 2000 beschloss die rot-grüne Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es legte für die Photovoltaik fest, dass Anlagenbetreiber für 20 Jahre eine fixe Vergütung von anfangs rund 50 Cent für jede eingespeiste Kilowattstunde erhielten. Das EEG wirkte wie ein Superturbo für die Branche. Solarfabriken entstanden, die aus Silizium Solarzellen und -module machten. SMA baute qualitativ hochwertige Wechselrichter, Handwerker spezialisierten sich auf die Montage der Anlagen. Der Solarbranche wurde von Politikern als neue Schlüsselbranche gefeiert, Tausende von Arbeitsplätzen entstanden, mehr 150000 (inklusive der Jobs im Handwerk) waren es in den Hochzeiten.
Auch die chinesische Regierung bekam Wind vom hiesigen Solarboom und ließ riesige Fabriken bauen, deren immenser Ausstoß für den deutschen Markt bestimmt war. Die Preise fielen. Doch die Solarbranche sorgte mit geschicktem Lobbyismus in Berlin dafür, dass die Einspeisevergütungen üppig blieben. 2011/2012 kippte alles. Hohe Entgelte für Sonnenstromer bedeuteten auch, dass die EEG-Umlage, die alle Haushalte zahlen müssen, sprunghaft stieg.
Die Bundesregierung kam an einer radikalen Kürzung der garantierten Vergütung nicht mehr vorbei, was den Ausbau der Sonnenstrom-Erzeugung heftig einbremste. 2013 wurden noch Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3300 Megawatt neu installiert – im Vorjahr war es mehr als doppelt so viel. 2014 waren es sogar nur noch 1900 Megawatt. „Einen vergleichbaren Nachfrageinbruch hätte selbst die deutsche Autobranche nicht ohne massive Verwerfungen überstanden“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer der Branchenlobby BSW Solar.
Aus dem Boom ist eine Krisenbranche geworden
Mit dem Loben und dem Preisen der neuen Schlüsselindustrie ist es jedenfalls längst vorbei. Die Solarindustrie ist zur Krisenbranche geworden, mit der viele Politiker nichts mehr zu tun haben wollen. Förderkürzungen und chinesische Konkurrenten haben viele einst respektable Anbieter wie die Berliner Solon reihenweise in die Pleite getrieben. Solarworld konnte nur durch einen scharfen Schuldenschnitt im vorigen Jahr überleben. Q-Cells wurde vom koreanischen Rivalen Hanwha übernommen, der jetzt erklärte, die hiesige Produktion einzustellen. Knapp 50000 Frauen und Männer arbeiten heute noch in der Branche.
Gibt es einen Ausweg aus dem Jammertal? BSW-Mann Körnig appelliert an die Politik, er spricht von „Unterförderung“ und meint damit, dass inzwischen die Einspeisevergütungen schneller fallen als die Preise. Für die Solarförderung gilt längst ein Degressionsmechanismus , der eine automatische Absenkung der Vergütung um 0,25 Prozent pro Monat bringt. Erst bei einem extrem niedrigen Zubau über einen längeren Zeitraum wird dieser Mechanismus angehalten. Ziel müsse sein, so Körnig, dass das Abstoppen erheblich früher einsetze, nämlich schon etwa nach einem Vierteljahr.