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Sind Negativzinsen bald die Norm? Sind Negativzinsen bald die Norm?: Ostdeutscher Sparkassen-Präsident im Interview

29.11.2019, 09:00
Michael Ermrich
Michael Ermrich dpa

Halle (Saale) - Bei der Sparkasse Stendal sollen Neukunden auch bei kleineren Guthaben Strafzinsen zahlen. Werden andere Institute nun nachziehen? Der Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbands, Michael Ermrich, geht jedenfalls nicht davon aus, dass Negativzinsen auf breiter Front für langjährige Kunden einführt werden. Mit ihm sprach MZ-Redakteur Steffen Höhne.

Die Sparkasse Stendal will nun auch Strafzinsen auf kleine Guthaben erheben. Hatten Sie das nicht vor kurzem für ostdeutsche Institute noch ausgeschlossen?
Michael Ermrich: Man muss das differenziert betrachten. Die Sparkasse Stendal erhebt nicht für alle Kunden sogenannte Verwahrentgelte, sondern erwägt diese nur für welche, die neu zu dem Institut kommen. Häufig sind das Kunden von anderen Banken, die bereits Negativzinsen erheben. Da entdecken nicht wenige Vermögende ihre Liebe zur Sparkasse. Möglichkeit heißt nicht unbedingt Anwendung.

Vor zwei Jahren hieß es, Strafzinsen wird es nur bei hohen Guthaben geben, nun bei Neukunden. Schließen Sie aus, dass in ein paar Monaten alle Sparkassen-Kunden betroffen sind?
Ausschließen kann man in der heutigen Zeit nichts. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass unsere eigenverantwortlich handelnden Sparkassen keine Negativzinsen auf breiter Front für unsere langjährigen Kunden einführen werden und auch bei Neukunden in der Anwendung differenziert wird. Ich denke, so wird das auch die Sparkasse Stendal sehen.

Das Beispiel Stendal könnte jetzt Schule machen. Ziehen bald andere Sparkassen nach?
Alle Institute stehen unter enormen betriebswirtschaftlichen Zwängen. Jedes Institut wird daher genau prüfen, wie es mit Neukunden umgeht, die möglicherweise ihr Geld nur parken wollen. Aber nochmal: Für jetzige Sparkassen-Kunden, die keine großen Summen anlegen, erwarte ich keine Negativzinsen.

Warum wollen die Sparkassen das Geld der Kunden nicht mehr?
Wir wollen das Geld der Sparer nach wie vor. Nur wir reichen weniger Geld als Kredite aus als bei uns angelegt wird. Die Überschüsse müssen wir teilweise bei der Europäischen Notenbank anlegen und dafür bereits 0,5 Prozent negative Zinsen zahlen. Das belastet die Sparkassenbilanzen zunehmend.

Die Sparkassen müssen das Geld nicht zur Europäischen Notenbank tragen. Sie können mehr Kredite vergeben oder andere Anlagemöglichkeiten nutzen.
Das Kreditwachstum unserer Sparkassen steigt kontinuierlich jedoch im Vergleich zu den Spareinlagen geringer. Natürlich suchen die Sparkassen auch nach anderen Anlagemöglichkeiten. Doch auch dabei sind Fragen der Liquidität und des Risikos zu beachten. Aus gutem Grunde gibt es dafür gesetzliche Vorschriften.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat vorgeschlagen, wenn der Staat Strafzinsen nicht verbieten kann, solle er Sparern gezahlte Negativzinsen über Steuergutschriften zurückerstatten. Ist das ein guter Vorschlag?
Ich fordere schon seit längerem, den Bürgern beispielsweise die Altersvorsorge zu erleichtern, zumal der Staat durch Negativzinsen extrem spart. Ich bin froh, dass die Politik das Hauptproblem erkannt hat. Durch die Niedrigzinsen wird ein klassischer Vermögensaufbau schwieriger. Das kann im schlimmsten Fall zu Altersarmut führen. Von der Politik wird erwartet, dass die Bürger eigene Vorsorge schaffen, von daher sollte über jeden Vorschlag diskutiert werden, der das ermöglicht.

Was raten die Sparkassen ihren Kunden, wie diese auf die Niedrigzinsen reagieren sollen?
Da gibt es keine pauschale Lösung. Das muss im Gespräch mit dem Kundenberater geklärt werden. Für einige Sparer, die langfristig Geld anlegen wollen, könnten Aktien oder Fonds interessant sein, für andere Bausparverträge. Die Zeit, in der größere Summen auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto geparkt werden, sollte aber vorbei sein. (mz)