1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Siemens schließt Werke in Sachsen: Siemens schließt Werke in Görlitz und Leipzig

Siemens schließt Werke in Sachsen Siemens schließt Werke in Görlitz und Leipzig

Von Steffen Höhne und Th. Magenheim-Hörmann 16.11.2017, 21:04
Das Logo des Konzerns Siemens vor dem Firmensitz in München. Foto: Peter Kneffel/Archiv
Das Logo des Konzerns Siemens vor dem Firmensitz in München. Foto: Peter Kneffel/Archiv dpa

Leipzig/München - Am Vormittag hatten die 270 Mitarbeiter des Leipziger Siemenswerkes noch für den Erhalt ihres Standortes demonstriert. Am Nachmittag kam per E-Mail die schlechte, aber auch erwartete Botschaft: Siemens will den Standort mit einer 120-jährigen Maschinenbau-Tradition schließen.

Weltweit kündigt der Konzern den Abbau von 6 900 Stellen an. Etwa die Hälfte (3.500) davon soll auf Deutschland entfallen, wo im Kraftwerksgeschäft neben Leipzig auch das Werk in Görlitz mit 700 Mitarbeitern aufgegeben werden soll, erklärte das Management.

Siemens: Erlangen und Offenbach werden zusammengelegt

Durch die geplante Zusammenlegung des in Erlangen (Bayern) und Offenbach (Hessen) angesiedelten Geschäfts rund um Planung und Bau von Kraftwerken dürfte auch der Standort Offenbach mit etwa 700 Beschäftigten vor dem Aus stehen. Das Werk Erfurt steht offenbar zum Verkauf.

In der E-Mail hofften die Leipziger Mitarbeiter endlich darüber informiert zu werden, warum es ausgerechnet ihr Werk trifft. „Doch dazu gab es kein Wort“, sagt einer der Betroffenen.

Stattdessen wiederholte der Konzern die Sätze, die er schon seit Wochen verbreitet: Durch einen zunehmenden Strukturwandel im Bereich der fossilen Stromerzeugung sinkt der Absatz von Kraftwerkstechnik. Speziell im Bereich der Gasturbinen gehen die Aufträge deutlich zurück. „Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie da gewesen ist“, erklärte Siemens-Vorstand Lisa Davis. Siemens will den Abbau nach eigenem Bekunden „möglichst sozialverträglich“ regeln. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber nicht ausgeschlossen. Die Einschnitte seien nötig, um alle Geschäfte wettbewerbsfähig zu halten, betonte auch Personalchefin Janina Kugel. Das soll vor allem mit einer Konzentration der Fertigung an weniger Standorten erreicht werden.

Siemens Leipzig: volle Auftragsbücher

In Leipzig werden diese Worte wie Hohn aufgenommen. Die Produktionsstätte gehört erst seit 2006 zu Siemens und baut vor allem Turboverdichter für die Öl- und Gasindustrie. „Unsere Auftragsbücher sind voll. Wir haben Aufträge bis Ende 2018“, sagte Betriebsratschef Thomas Clauß zuletzt der MZ. Über Jahre schrieb der Standort schwarze Zahlen. Das änderte sich erst im vergangenen Jahr. Siemens hatte Teile der Kraftwerksproduktion auch nach Leipzig verlegt. Dort entwickelte sich das Geschäft aber nicht wie erhofft. So ist das Werk offenbar auf die Streichliste gekommen.

Die Gewerkschaft IG Metall bezeichnet einen Abbau in der präsentierten Dimension als völlig inakzeptabel. Er komme nicht einmal als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Betracht. Die Pläne seien eine Mischung aus Tatenlosigkeit und Einfallslosigkeit gegenüber einer seit Jahren bekannten Marktveränderung. Das Management leiste einen Offenbarungseid.
Das sieht der sächsische Ministerpräsident Stanilaw Tillich (CDU) ähnlich, der von einer „Bankrotterklärung eines Technologiekonzerns“ spricht. „Wir werden uns zur Wehr setzen und Siemens auffordern, eine Alternative für die Standorte anzubieten. Wir wollen, dass die Siemens-Standorte sowohl in Leipzig als auch in Görlitz erhalten bleiben“, sagte Tillich, der sich gerade auf einer China-Reise befindet, der Bild-Zeitung.

Trotz des bei Siemens nun gefährdeten Betriebsfriedens ist eine mögliche Kompromisslinie erkennbar. Bislang gilt für das Kraftwerksgeschäft operativ vor Steuern und Zinsen ein Margenkorridor (Gewinnrendite) zwischen elf und 15 Prozent. Den könnte man um den einen oder anderen Prozentpunkt absenken, falls sich IG Metall und Betriebsräte verhandlungsbereit zeigen, haben hochrangige Siemens-Manager bis hinauf zum Konzernchef zuletzt durchblicken lassen.

IG Metall Leipzig und Betriebsrat suchen alternatives Konzept

Die IG Metall in Leipzig und der Betriebsrat wollen nun ein alternatives Fortführungskonzept für den Standort erarbeiten, sagte IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Steffen Reißig. Bisher würden in Leipzig vor allem spezielle Kleinserien gefertigt. „Künftig könnten auch neue Technologien und Fertigungsmethoden entwickelt und perfektioniert werden, bis sie an anderen Standorten gewinnbringend übernommen werden“, so Reißig.

Als Vorbild für den Kampf soll das andere Leipziger Siemens-Werk, der Schalteranlagenbau, dienen. Dieser sollte 2013 geschlossen werden. Betriebsrat und Gewerkschaft arbeiteten ein Fortführungskonzept aus und konnten sich damit durchsetzen. Nach Worten von Reißig zeigte sich das Siemens-Management damals gesprächsbereit und aufgeschlossen. Darauf hofft man auch diesmal. Eine Schließung des Leipziger Standorts wollen die Beschäftigten jedenfalls nicht kampflos hinnehmen. (mz)