Milliarden-Offerte SEB-Gruppe bietet 1,5 Milliarden: Warum ist Besteckhersteller WMF so wertvoll?

Jeder hat Produkte dieses Unternehmens schon in den Fingern gehabt. Der Haushaltswarenhersteller WMF gehört zum Bestand deutscher Traditionsunternehmen. Der US-Finanzinvestor KKR hat die Firma mit Erfolg saniert und verkauft sie nun an die französische SEB-Gruppe. Wir erläutern, warum WMF nun große Wachstumspotenziale hat, die aber nichts mit Besteck und Töpfen zu tun haben.
Kommt der Verkauf überraschend?
Er war erwartet worden. Doch der Deal kommt zeitig. Das deutet darauf hin, dass das WMF sehr begehrt war. Auch gleich mehrere chinesische Hausgerätehersteller und die schwedische Electrolux hatten Interesse. Der Kaufpreis mit insgesamt 1,6 Milliarden Euro liegt zudem über der Spanne die Analysten Anfang des Jahres noch für möglich gehalten hatten. In der Regel verkaufen Finanzinvestoren wie KKR frühestens nach fünf Jahren, jetzt wird schon nach vier Jahren veräußert – ein weiteres Indiz für die Attraktivität von WMF
Was macht WMF so wertvoll?
Das mit Abstand wichtigste Geschäft ist die Sparte für Profi-Kaffeemaschinen. Sie machen zwar nur rund ein Drittel der Einnahmen, aber den größten Teil des Gewinnes aus – Details werden nicht genannt. Die Maschinen stehen in Tausenden von Restaurants, in Bäckereifilialen und Imbissen. WMF ist hier mit einem Anteil von 28 Prozent der Weltmarktführer. Das Unternehmen profitiert vom globalen Dauerboom bei dem koffeinhaltigen Heißgetränk.
Welche Rolle spielt dies für SEB?
Das Kaffeegeschäft ist für die Franzosen der wesentliche Grund für den Zukauf. Die Übernahme werde es ermöglichen „eine führende Position auf dem sehr attraktiven Markt der Profi-Kaffeemaschinen zu erlangen“, so der SEB-Vorstand. Dies sei ein Geschäft, dass sich „durch starkes Wachstum, hohe Rentabilität und kontinuierliche Umsätze dank eines hohen Anteils des Servicegeschäfts auszeichnet“ – die Maschinen müssen regelmäßig gewartet werden.
Wie sehen die Perspektiven aus?
KKR hat bereits im vorigen Jahr die Weichen für ein weiteres Wachstum gelegt, was den SEB-Managern gefallen dürfte: So gründete WMF ein Gemeinschaftsunternehmen mit der indischen Kaffeehauskette Coffee Day. Unter anderem ist die Entwicklung und Produktion von Profi-Kaffeemaschinen geplant, die zuallererst für den schnell wachsenden Markt in Südostasien bestimmt sind, aber auch in die USA gehen könnten. Getragen wird die Kooperation auf der WMF-Seite von der schweizerischen Tochter Schaerer. Diese soll außerdem die Kaffeemaschinensparte in Nordamerika voranbringen, der ebenfalls großes Wachstumspotenzial zugeschrieben wird.
Passt das zur SEB-Gruppe?
Es ist eine plausible Ergänzung des Produktpalette der Franzosen, die hierzulande vor allem durch die Küchengerätemarken Krups und Moulinex bekannt sind. Die SEB-Manager erhoffen sich vor allem eine höhere Rendite durch den Zukauf. WMF hat im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro umgesetzt und dabei im eigentlichen Geschäft einen Gewinn von 118 Millionen Euro gemacht, dieses Jahr sollen es 140 Millionen werden. Das Unternehmen aus Lyon hatte erst vorige Woche überdies den Isolierkannenhersteller Emsa erworben.
Wird WMF nun zu einer Kaffeemaschinen-Firma?
Nein. Zumindest haben die SEB-Manager dies nicht vor. Sie beteuern, dass durch den Zukauf auch die eigene Sparte Küchenartikel gestärkt werde – durch das große WMF-Sortiment an „hochwertigen Edelstahlartikeln“ werde man ein führender Anbieter in Deutschland. Die Franzosen wollen also den Traditionskern von WMF erhalten. Auch die 200 WMF-Läden hierzulande sollen erhalten bleiben. Diese förderten die Reputation und würden den Absatz ankurbeln – gut möglich, dass es demnächst Krups- und Moulinex-Geräte in den Geschäften geben wird. WMF soll also auch als Hebel dienen, um den Absatz von SEB-Produkten hierzulande zu stärken.
Wie fing das bei WMF eigentlich an?
Die Firmengeschichte geht zurück auf die Metallwarenfabrik Straub und Schweizer, die 1853 im schwäbischen Geislingen an der Steige gegründet wurde und Messer, Gabeln und Löffel schmiedete. Erste spektakuläre Erfolge waren Auszeichnungen für versilbertes Besteck auf der Londoner Weltausstellung 1862. 18 Jahre später kam der Zusammenschluss mit der Metallwarenfabrik Ritter. Danach wurde die Firma in Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) umfirmiert und zu einer Aktiengesellschaft gemacht. Sie gilt als älteste AG in Württemberg. Im Laufe der Jahre wurde die Produktpalette immer weiter aufgefächert. Kochgeschirr und Haushaltsgeräte kamen hinzu. Diese Sparte bringt inzwischen als 50 Prozent der Einnahmen. Zu der Gruppe mit insgesamt 5700 Beschäftigten gehören auch die Marken Kaiser-Backform oder der Topfspezialist Silit.
Hat sich das Engagement von KKR bei WMF gelohnt?
Es war hochprofitabel. Laut Nachrichtenagentur Reuters soll KKR das eingesetzte Kapital in den vier Jahren mehr als verdreifacht haben. Als der US-Investor einstieg wurde das schwäbische Unternehmen noch mit 600 Millionen Euro bewertet. Allerdings haben die Amerikaner auch eine stramme Sanierung auf den Weg gebracht, die noch immer läuft – mit dem Ziel, die Kosten merklich zu drücken. Dazu gehört auch der Abbau von rund 700 Stellen und der Komplettumbau der Logistik. Den Filialen wurde eine Runderneuerung verordnet. Mehrere Marken, die nicht zum Kerngeschäft gehören, wurden bereits verkauft. Schwerpunkt war aber die Stärkung der profitablen Sparten, sprich des Kaffeemaschinen-Geschäfts. Unterm Strich lässt sich das KKR-Engagement als Beispiel für den erfolgreichen Umbau eines Unternehmens bewerten, dessen Potenziale von dem Finanzinvestor erkannt wurden.
Wird WMF eigenständig weitermachen?
Wie hoch der Grad der Integration tatsächlich sein wird, verrät SEB-Chef Thierry de La Tour d’Artaise nicht. Er macht aber schon einmal klar: „Wir werden unsere starken Marken zusammenführen.“
Drohen Verlagerungen von Arbeitsplätzen in Deutschland?
Auch dazu gibt es bislang keine konkreten Aussagen. Es geht um 3800 Beschäftigte hierzulande. Der SEB-Boss betont aber: „Wir schätzen WMF und seine Mitarbeiter sehr und teilen unsere Kultur und unsere Werte.“