Schokoladen-Hersteller aus Wernigerode Schokoladen-Hersteller aus Wernigerode: Wergona ist die Heimat der Nikoläuse

Wernigerode/MZ - Im Supermarkt stapeln sie sich schon: Lebkuchen und Stollen stehen bereits in den Regalen, demnächst folgen die ersten Schoko-Nikoläuse. Nicht wenige Kunden monieren, dass dies im Herbst zu früh ist. Ein Job in der Schoko-Fabrik von Wergona wäre sicher nichts für sie. Beim Wernigeröder Unternehmen beginnt das Weihnachtsgeschäft nämlich bereits im Juli und läuft nun auf Hochtouren: Bis zu 2,2 Millionen kleine und größere Nikoläuse werden hergestellt - und dies täglich.
Hunderte Millionen weihnachtliche Schokofiguren fertigt die deutsche Schokoladenindustrie Jahr für Jahr – mehr als genug für die 82 Millionen Bundesbürger. Die Marken Lindt, Milka, Kinder-Schokolade kennt jedes Kind. Aber Wergona? In Nachbarschaft der Hasseröder Brauerei entstand in den vergangenen zehn Jahren einer der größten deutschen Schoko-Produzenten für sogenannte Saisonartikel. Die Nikoläuse und Osterhasen verkauft die Firma allerdings nicht unter einer eigenen Marke. Das Heer der „Vollmilchschokoladenhohlkörper“ - so heißt es offiziell - steht namenlos vor allem in den Regalen der deutschen Discounter.
Bis zu 500 Mitarbeiter in der Saison
Zwei- bis dreimal täglich geht Geschäftsführer Rüdiger Bonner durch die Produktion. Er grüßt Mitarbeiter mit Handschlag und zeigt auf die Herzstücke des Betriebes. Dies sind zwei Edelstahl-Kolosse. In den 20 Meter langen Maschinen wird 27 Grad warme Schokolade in kleine Formen gegossen, anschließend drehen sich diese in alle Richtungen, so dass sich die Masse am Formenrand gleichmäßig verteilt und abkühlt. „Der Prozess ist nach wenigen Minuten abgeschlossen“, erklärt Bonner. Dann laufen die Schokomänner über das Band und werden mit Silberfolie ummantelt - auch dies passiert vollautomatisch. Während es in der Produktion wohlig warm ist, herrscht in der Verpackungshalle mit 18 Grad Celsius das ganze Jahr über Kühle. „Die Schokolade würde sonst mit der Verpackung verkleben“, erläutert Bonner. Doch nicht nur Schokofiguren verlassen das Werk. In einer zweiten Halle werden Adventskalender hergestellt. Eine Digital-Anzeige zeigt den Ausstoß. „Bis zu 150.000 Adventskalender produzieren wir am Tag“, sagt Bonner. Die Mitarbeiter, es sind vor allem Frauen, überwachen die Produktion und verpacken die Waren.
Von Juli bis Februar laufen die Anlagen rund um die Uhr. Zu den mittlerweile 200 Beschäftigten kommen dann rund 300 Saisonkräfte hinzu. Die Herstellung ist nach Worten von Bonner eine logistische Herausforderung. Die Millionen von Artikeln werden in Hochregalsystemen gelagert. „Wir können bis zu drei Monatsproduktionen unterbringen.“ Der Aufstieg Wergonas ist vor allem der in Magdeburg geborenen süddeutschen Unternehmerin Monika Cersovsky und Bonner zu verdanken.
Im Jahr 1900 war Wernigerode eine regelrechte Schoko-Hochburg. Es gab zahlreiche Hersteller, die mehr als 3 000 Mitarbeiter zusammen beschäftigten. 1928 gründet die Kaufhaus-Kette Rudolph Karstadt AG aus der Konkursmasse einer dieser Firmen die Burgmühlen Schokoladen GmbH, die später in die Argenta aufging. Die „Brockensplitter“ machten Argenta weit über den Harz hinaus bekannt. In der DDR arbeitete die Firma als VEB weiter. 1991 wurde Argenta dann von der Stuttgarter Friedel Süßwarenfabrik übernommen, die 2002 in Insolvenz ging. Damals stand die Schoko-Produktion in der Harz-Stadt auf der Kippe. Monika Cersovsky übernahm das Werk im Ortsteil Hasserode mit damals noch 40 Mitarbeitern und nannte die neue Firma Wergona. Der historische Bau eignete sich allerdings nicht für Erweiterungen. 2004 baute die Firma vor den Toren der Stadt neu und erweiterte kontinuierlich - auch dank Fördermitteln des Landes. Der Name Cersovsky ist in der deutschen Schoko-Industrie weithin bekannt. Die Familie führt auch den großen süddeutschen Hersteller Rübezahl.
An Preise der Rohstoffhändler gebunden
Ein Selbstläufer sei das Geschäft mit den süßen Männern keineswegs, sagt Bonner. Neben den großen Markenherstellern wie Lindt, Milka (Mondelez ehemals Kraft) und Kinder-Schokolade (Ferrero) gibt es viele Mittelständler. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie sieht die Produzenten in einer „Sandwich-Position“ zwischen den wenigen Rohstofflieferanten bei Kakao und Zucker und den großen Handelsketten. „Es ist schwierig, Preiserhöhungen auf der Rohstoffseite an den Handel zeitnah weiterzugeben“, erklärt Bonner. Dies sei gerade aktuell wieder ein Problem. Der Preis für Kakao stieg an der Rohstoffbörse London in den vergangenen Monaten um 26 Prozent auf 1 771 Pfund je Tonne. Grund: eine schlechte Kakaobohnen-Ernte in Westafrika und kurzfristige Börsen-Spekulationen. „Finanzinvestoren wissen, dass die Industrie in der Vorweihnachtszeit deutlich mehr Kakao benötigt und nutzen die Knappheit auf dem Markt für sich aus“, meint Bonner.
Wachstum ohne Gewinn
Der harte Wettbewerb in der Branche zeigt sich in der Wergona-Bilanz. Laut Geschäftsbericht machte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2011/12 einen Umsatz von knapp 67 Millionen Euro, unter dem Strich stand aber ein Minus von 435 000 Euro. Nach Angaben von Bonner sind dafür hohe Abschreibungen auf Investitionen aber auch der Preisdruck verantwortlich. „Im neuen Geschäftsjahr rechnen wir mit schwarzen Zahlen“, so der Geschäftsführer.
Um zu bestehen, setzt Wergona auf Wachstum. 17 000 Tonnen Schokolade will die Firma dieses Jahr produzieren. Um die Produktionsanlagen über das ganze Jahr besser auszulasten, werden neue Produkte wie Schokorosinen hergestellt. Mehr als ein Drittel der Waren werden mittlerweile im Ausland verkauft. „Deutsche Schokolade ist gefragt“, sagt Bonner. US-Amerikaner seien regelrecht begeistert.
Beim Rundgang durch den Betrieb bleibt der Wergona-Chef vor einer sogenannten Conchiermaschine stehen. Nachdem Kakaobutter, Kakaomasse, Zucker, Milchpulver gemischt und gewalzt sind, wird die Schokolade bei über 70 Grad Celsius gerührt. Das Verfahren stammt vom Schweizer Schokoladenhersteller Rodolphe Lindt und sorgt dafür, dass Bitterstoffe und Feuchtigkeit aus der Schokolade entweichen. Die spezielle Anlage bei Wergona kostete Millionen. Doch die Investition zahlt sich nach Ansicht von Bonner aus: „Gute Schokolade muss feincremig sein und auf der Zunge zerschmelzen.“
