Rohstoff Rohstoff: Das große Geschäft mit Palmöl

Köln - Wer sich im Supermarkt mal die Mühe macht, die Zutatenliste auf den Lebensmittelverpackungen zu lesen, der dürfte sich wundern. Egal, ob bei Fertig-Suppen, bei Margarinen, Nutella, bei Keksen, Schokolade, Fritten, Säuglingsnahrung, Schokoriegeln, Müsli oder Cornflakes – fast überall taucht neuerdings der Inhaltsstoff Palmöl auf. Und längst nicht nur bei Nahrungsmitteln. Auch in Seifen, Schampoos, Waschmitteln oder Kosmetika befindet sich Palmöl – und damit in fast jedem zweiten Artikel im Supermarkt, wie Experten schätzen. Selbst mit Biosprit betankte Autos fahren teilweise mit dem vielseitigen Fett.
Palmöl ist ein Riesengeschäft geworden und entsprechend steht der Rohstoff bei den verarbeitenden Unternehmen hoch im Kurs. Aus Gesundheits- und Umweltgründen wird das beliebte Palmöl von Ernährungsphysiologen, Verbraucherberatern und Naturschützern allerdings mit großer Skepsis betrachtet.
Anbaupraktiken zu fördern, haben sich vor zwei Jahren einige bedeutende Wirtschaftsunternehmen in Deutschland zum Forum nachhaltiges Palmöl (Fonap) zusammengeschlossen. Die derzeit rund 40 Unternehmen wie etwa Rewe, Henkel, Unilever Deutschland, Lidl, Nestlé Deutschland, Kaufland, Edeka oder dm verpflichten sich, in ihren Produkten nur nachhaltiges, zertifiziertes Palmöl zu verwenden. Zudem wollen sie bestehende Zertifizierungssysteme verbessern.
Laut Stiftung Warentest hat dieser Weg allerdings noch keinen durchschlagenden Erfolg, weil die beteiligten Mitgliedsfirmen lediglich etwa 15 Prozent des deutschen Handelsvolumens abdecken. (sub)
Ganz neu ist der Siegeszug des Rohstoffes, der aus dem Fruchtfleisch und den Kernen der tropischen Palmfrüchte gewonnen wird, nicht. Aber seit Dezember 2014 ist es für jeden Verbraucher durch die neue Lebensmittel-Kennzeichnung der EU offensichtlich, wo überall der Alleskönner Palmfett drinsteckt. Denn seitdem müssen die „pflanzlichen Fette“ namentlich aufgeführt werden – und in den allermeisten Fällen verbirgt sich dahinter schlicht Palmfett. Selbst in Eiscreme verdrängt der raffinierte Stoff das früher übliche Milchfett. Aber auch in „Sonnenblumen-Margarine“ befindet sich wundersamerweise reichlich Palmfett. Wieso eigentlich?
Preiswerter als andere pflanzliche Fette
Rund um den Globus werden jährlich schon rund 60 Millionen Tonnen eingesetzt. Damit ist Palmöl inzwischen das am meisten verwendete Pflanzenöl der Welt. Vor 20 Jahren war es gerade mal die Hälfte. Geschätzt wird Palmöl, weil es trotz langer Transportwege viel preiswerter als andere pflanzlichen Fette ist. Außerdem besitzt es eine ganz besondere Eigenschaft: Dank seines hohen Schmelzpunktes bleiben Produkte wie Eis oder Schokolade geschmeidig, gleichzeitig aber selbst bei höherer Umgebungstemperatur noch fest.
Doch dieser Vorteil wird von einem Nachteil – jedenfalls für die Verbraucher – übertroffen. Denn Palmöl enthält etwa zur Hälfte gesättigte Fettsäuren, die im Verdacht stehen, das Risiko von Krebserkrankungen zu erhöhen. Sie gelten auch als problematisch, weil sie negative Effekte auf den Cholesterin-Spiegel haben und so Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten sind. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt jedenfalls, Palmöl wie auch tierisches Fett nur in Maßen zu genießen.
Die deutsche Wirtschaft importiert inzwischen bereits 1,5 Millionen Tonnen Palmöl im Jahr, und stößt damit trotz einiger Bemühungen, mehr nachhaltiges, zertifiziertes Palmöl zu verwenden, auf Widerstand. Denn die Gewinnung der Fette hat erhebliche Schäden bei Menschen, Tieren und der Umwelt hinterlassen – besonders in Indonesien und Malaysia, den Hauptanbauländern der Ölpalme, aber auch im Amazonasgebiet.
Allein in Indonesien stehen die Palmen auf 13 Millionen Hektar. Das ist eine Fläche etwa von einem Drittel Deutschlands. Auf dem Areal wuchs zuvor Regenwald. Meist wurde der Platz für die Palmöl-Plantagen durch Brandrodung gewonnen. Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace hat Indonesien bereits Brasilien als größten Waldvernichter der Welt abgelöst.
Diese Umweltprobleme konnte auch ein „runder Tisch“ von Produzenten, Händlern, Investoren, Verarbeitern, Banken und Nichtregierungsorganisatoren nicht verhindern. Sie gründeten 2005 die freiwillige Initiative RSPO. Seit 2008 kommt deren „nachhaltiges“ Palmöl auf den Markt.
Pestizide nicht verboten
Die Kriterien schließen allerdings nur aus, dass Primärwälder abgeholzt werden. Der Anbau auf Torfböden und die Verwendung von gefährlichen Pestiziden sind hingegen nicht verboten. Nach Ansicht von Umweltschützern führen die gigantischen Palmmonokulturen und ihre Ausweitung auch ohne Brandrodungen zur Vernichtung des Regenwaldes und der Artenvielfalt. Eine nachhaltige Produktion werde dem Verbraucher letztlich nur vorgetäuscht.
In der Finanzwelt wird nochmals mit einer Verdopplung der Palmöl-Produktion innerhalb von ein, zwei Jahrzehnten gerechnet. Deshalb rührt beispielsweise die Firma Agrofinanz schon kräftig die Trommel für neue Palmen-Plantagen auf angeblich brachliegendem Weideland im südamerikanischen Ecuador.
Das verlockende Renditeversprechen für Anleger in Zeiten von Niedrigzinsen: üppige neun Prozent pro Jahr und eine Kapitalgarantie über zehn Jahre. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich aber erst dann zeigen.
