1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Rauswurf des Halloren-Chefs: Rauswurf des Halloren-Chefs: Darum muss der Schoko-Showmaster den Hut nehmen

EIL

Rauswurf des Halloren-Chefs Rauswurf des Halloren-Chefs: Darum muss der Schoko-Showmaster den Hut nehmen

Von Steffen Höhne 26.04.2018, 10:00
Klaus Lellé war auch immer erster Werbebotschafter von Halloren.
Klaus Lellé war auch immer erster Werbebotschafter von Halloren. dpa

Halle - Klaus Lellé mag größere und kleinere Auftritte. Als junger Mann spielte er elf Jahre lang als Gitarrist in einer Band.

Bei den jährlichen Aktionärstreffen der Schoko-Firma Halloren in Halle stand er als Vorstandschef auch immer auf der Bühne der Händel-Halle. Blauer Anzug, braune Lederschuhe, offenes weißes Hemd, dazu ein Headset als Mikrofon. Lellé gab den Schoko-Showmaster.

Über Jahre begeisterte er die Kleinaktionäre nicht nur durch seine frische, umgängliche Art, sondern auch mit immer neuen Umsatzrekorden. Dass die Gewinne dabei eher schmal blieben, nahmen die meisten Anteilseigner mit Geduld hin. Sie glaubten an eine süße, rosige Zukunft.

Das änderte sich erst in den vergangenen zwei Jahren, als ein übereilter Firmenzukauf das Unternehmen in die Krise stürzte. So wie Lellé zuvor vieles mühelos gelang, reihten sich nun Fehler aneinander. Ende April muss er nun auf Druck des Großaktionärs Charlie Investors seinen Vorstandsposten räumen.

Zwei Jahrzehnte lang führte der gelernte Banker die Geschicke des Unternehmens. Der ehemalige Großaktionär Paul Morzynski holte den Vater von vier Kindern ins Unternehmen. Lellé lebte Halloren.

Wer früher sein Vorstandsbüro betrat, dem bot er entweder sein Lieblingsprodukt (Katzenzunge) oder die neueste Praline aus dem Haus an.

Der Hobby-Koch soll auch immer wieder selbst Rezepte für Füllungen geliefert haben. Dabei sollen von ihm ausgefallene Kreationen wie Erdbeer-Minze oder Blutorange-Joghurt stammen. Die klassische Halloren-Kugel, die halb aus Sahnecreme und halb aus Schokomasse besteht, machte Lellé in Ostdeutschland wieder zu einem Renner.

Nur Ferreros Kirsch-Praline „Mon Chéri“ ist in den neuen Ländern noch beliebter als die seit 66 Jahren hergestellte Halloren-Kugel. Das ist beachtlich, weil der Schoko-Konzern Ferrero im Jahr mehr Geld für TV-Werbung ausgibt als Halloren Umsatz erzielt.

Von daher sind Lellés medienwirksame Auftritte auch immer Marketing-Aktionen gewesen.

Halloren Schokoladenfabrik aus Halle: Börsengang 2017

Einer der Höhepunkte seiner beruflichen Laufbahn ist sicher der Börsengang am 11. Mai 2007 gewesen. Als einem der wenigen ostdeutschen Unternehmen gelang den Hallensern der Sprung an den Aktienmarkt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt galt der Mann, der aus Rheinland-Pfalz stammt, als Mister Halloren.

Um zu wachsen, setzte er vor allem auf Firmen-Zukäufe - erst in Deutschland, dann auch in den Niederlanden und Belgien. Der Umsatz schnellte von 30 Millionen Euro im Jahr 2007 auf zuletzt 124,1 Millionen Euro hoch.

Sein Kalkül war einfach: Jeder Deutsche isst zwar im Schnitt neun Kilogramm Schokolade im Jahr, doch der Konsum sinkt. Das führt zu einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb auf dem Schoko-Markt.

Lellé wollte daher mit Halloren und der zugekauften belgischen Tochter Bouchard raus in die Welt, um Amerikaner und Chinesen mit deutscher und belgischer Schokolade zu beglücken. Die Hälfte der Produkte wurde 2016 auch im Ausland verkauft.

Der Wunsch nach Wachstum wurde auch von dem neuen Großaktionär Charlie Investors unterstützt, der Ende 2014 einstieg. Hinter der Investitions-Gesellschaft steht der Deutsch-Kanadier Darren Ehlert, der sein Geld in der Immobilien-Branche verdient hat und Halloren das Tor zum US-Markt öffnen wollte.

Kritische Stimmen - auch im Unternehmen - die vor einer zu schnellen Expansion warnten, wurden überhört. Doch statt neue Absatzerfolge zu feiern, brach der Tochter Bouchard auf dem US-Markt ein Großauftrag weg. Unvorhergesehene Verluste fielen an, die Halloren nicht kompensieren konnte.

Halloren: Schokoladenfabrik aus Halle machte 2015 hohen Verlust

2015 verbuchte das Unternehmen einen Verlust von zwei Millionen Euro. Lellé redete die Lage jedoch schön - vielleicht um Anleger und Kunden zu beruhigen. Das brachte ihm ein Verfahren der Finanzaufsicht Bafin ein. Die Behörde ermittelte wegen möglicher Marktmanipulationen. Das Verfahren wurde Ende 2017 abgeschlossen, ein Ergebnis aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht.

Die Ermittlungen müssen Lellé stark getroffen haben. So sehr er einst die Öffentlichkeit suchte, so sehr schottete er sich seit 2016 ab. Keine Interviews mehr, nur noch selten öffentliche Auftritte. Doch damit wurde Gerüchten über die wirtschaftliche Lage Tür und Tor geöffnet.

Der Wettbewerber Katjes nutzte das, schlich sich an und kaufte verdeckt Aktien. Fast panisch reagierte Halloren und zog sich Ende 2016 von der Frankfurter Börse zurück und stieß so auch treue Kleinaktionäre vor den Kopf.

Der damalige Aufsichtsratschef Morzynski hätte nach Ansicht von mehreren Aktionären schon zu diesem Zeitpunkt die Reißleine ziehen müssen. Denn Lellé - dessen Verdienste von niemandem im Unternehmen und der Branche bestritten werden - vermittelte nicht mehr den Eindruck, für eine Neuausrichtung und Aufbruch zu stehen.

Die bisher letzte Aktionärsversammlung fand Ende September 2017 statt - nicht in der Händel-Halle, sondern in einem Zelt auf dem Firmengelände. Den Showmaster gab es nicht mehr, das Head-Set blieb im Schrank. Formal und im Sitzen verkündete Lellé einen scharfen Schnitt. Die Schokofirma verkaufte ihre drei großen Tochtergesellschaften Delitzscher, Steenland und Bouchard. Dadurch wurden 37 Millionen Euro eingenommen.

„Die Rückzahlung von Bankkrediten und Unternehmensanleihen in Höhe von 30 Millionen Euro wäre sonst sehr schwierig geworden“, begründete Lellé die Aktion. Mit anderen Worten: Halloren stand finanziell mit dem Rücken zur Wand.

Charlie Investors hatte inzwischen auch Morzynskis Firmenanteile erworben. Darren Ehlert ist damit Mehrheitseigner (75 Prozent) - seine Gesellschaften erwarben zudem Delitzscher und Bouchard. Das Manöver diente möglicherweise auch dazu, Konkurrent Katjes endgültig von Übernahmeversuchen abzuhalten.

Die Neuausrichtung sieht eine klare Fokussierung auf die Marke Halloren vor. Am Firmensitz in Halle soll verstärkt in neue Maschinen investiert werden. Lange Zeit sah es so aus, als ob Ehlert und Lellé diesen Weg gemeinsam gehen wollen.

Doch nun hat der Großaktionär offenbar seine Meinung geändert. Die genauen Hintergründe dazu sind nicht bekannt. Ein neues Gesicht soll die Schoko-Firma nun nach außen vertreten. Mit Ralf Coenen kommt ein Sanierungsexperte, der aber kein Kenner der Süßwarenbranche ist. Wohl auch aus diesem Grund will Halloren nicht auf die Dienste von Lellé verzichten. Er wird mit einer eigenen Firma den Vertrieb unterstützen. Ganz kommt wohl auch nicht Lellé von der Halloren-Kugel los. (mz)