Pumpspeicherkraftwerke Pumpspeicherkraftwerke: Kein Strom auf Pump

Dresden/MZ - „Stoppt die Biogas-Sauerei“, „Windpark nein danke“, „Zukunft statt Braunkohle“: Bei einer Fahrt durch Deutschland gewinnt man schnell den Eindruck, allerorten wenden sich Bürgerinitiativen gegen neue Energievorhaben. Transparente an den Durchgangsstraßen sind zumindest keine Seltenheit mehr. Im Thüringer Wald kämpft die Initiative „Rettet den Rennsteig“ gegen das geplante Pumpspeicherkraftwerk Schmalwasser. Nur die Dresdner scheinen aus der Zeit gefallen. Im Elbtalkessel setzt man sich für den Erhalt des Pumpspeicherkraftwerkes Niederwartha ein.
Der 66-jährige Helfried Hertting spricht für die „Bürgerinitiative zum Erhalt des Pumpspeicherkraftwerkes“: „Niederwartha ist für Dresden die Rückversicherung, im Fall eines großen Kraftwerkausfalls nicht im Dunkeln zu sitzen.“ Seit Jahrzehnten werde das untere Wasserbecken zudem als Freibad genutzt, das im Sommer mehr als 80 000 Gäste zählt. Für die Dresdner sei dies, so Hertting, ein attraktives Freizeitziel. Und würden Pumpspeicherkraftwerke nicht generell zur Speicherung von überschüssigem Ökostrom in den Netzen benötigt? „Oder habe ich da etwas missverstanden?“ Das sagt der ehemalige Wasserbau-Ingenieur gewollt provokant und macht damit auf ein generelles Problem aufmerksam.
Netzgebühren sind belastend
Die Speicheranlage wurde vor über 75 Jahren als eines der weltweit ersten Kraftwerke dieser Art gebaut. Vom Backstein-Kraftwerkshaus führen zwei 1,5 Kilometer lange Rohre in das 140 Meter höher liegende Oberbecken. In Zeiten, in denen ein Überangebot an Strom verfügbar ist, wird das Pumpspeicherkraftwerk dazu genutzt, Wasser aus dem Unter- ins Oberbecken zu pumpen. Wenn die Stromnachfrage zunimmt, wird umgekehrt Strom erzeugt, indem Wasser durch die Turbinen und Generatoren ins Unterbecken strömt. Sechs meterhohe Maschinensätze mit einer Kapazität von 120 Megawatt stehen im Kraftwerk - nur zwei sind allerdings noch in Betrieb. Geht es nach dem Betreiber Vattenfall sollen auch diese spätestens 2014 abgeschaltet werden. „Die Anlagen müssten umfangreich modernisiert werden, dies rechnet sich gegenwärtig aber nicht“, sagt Gunnar Groebler, Chef der deutschen Wasserkraftsparte von Vattenfall. Er spricht von mehr als 100 Millionen Euro Modernisierungskosten. Niederwartha wäre seit langem das erste Pumpspeicherkraftwerk, das abgeschaltet wird. Weitere könnten jedoch folgen.
Nach Worten Groeblers gebe es immer öfter Zeiten, in denen die Pumpspeicherwerke defizitär arbeiten. Ausgerechnet die zunehmende Einspeisung von Solarstrom zur Mittagszeit durchkreuzt das bisherige Geschäftsmodell. Pumpspeicherwerke nutzen meist günstigen Nachtstrom, um Wasser ins Oberbecken zu pumpen. Bei mittäglichen Bedarfsspitzen wird dann Strom erzeugt und vergleichsweise teurer verkauft. Doch durch den rasanten Ausbau der Solarkraft-Anlagen herrscht nun zur Mittagszeit häufig ein Überangebot an Strom - die Preise sinken. Die Pumpspeicherwerke verdienen dann kein Geld mehr. Als Zusatzbelastung sieht Groebler, dass die Anlagen, für den genutzten Strom auch noch Netznutzungsentgelte bezahlen müssen. Allein Vattenfall mit acht größeren und kleineren Anlagen in Deutschland würde dies jährlich 30 Millionen Euro kosten. „Unsere Kraftwerke stabilisieren zwar die Stromnetze, indem sie auch überschüssigen Strom speichern. Ökonomisch bringt uns dies aber bisher wenig“, sagt Groebler. Diese Einschätzung teilt der Branchenverband der deutschen Energiewirtschaft BDEW. Dort heißt es: Der Einsatz werde „zunehmend unrentabel.“
In Deutschland sind derzeit rund 30 Pumpspeicher-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt sieben Gigawatt - dies entspricht etwa sieben größeren Kohlekraftwerken - am Netz. Zudem werden an mehr als einem Dutzend Standorten neue Anlagen oder Erweiterungen geplant. In der Summe handelt es sich um eine zusätzliche Leistung von knapp sechs Gigawatt. Doch ob diese Millionen-Projekte auch wirklich realisiert werden, ist fraglich. Die Unternehmen planen derzeit noch den Bau zusätzlicher Anlagen, da der Bedarf an Speicherkapazität langfristig größer wird. Die Betreiber hoffen, so der BDEW, dass künftig die Bereitstellung von Flexibilität honoriert wird. Sicher ist dies jedoch nicht.
Daher liegen auch einige Großprojekte auf Eis. So hat Eon „Waldeck 2+“ in Nordhessen aufgeschoben. Die bestehende Anlage sollte um 300 Megawatt auf 920 Megawatt erweitert werden. „Die derzeitige energiewirtschaftliche Situation bietet keine hinreichende Investitionssicherheit“, teilt Eon-Sprecherin Fabienne Twelemann mit. Klartext: Es rechnet sich nicht.
Auch der Ausbau eines der größten Pumpspeicherkraftwerke im Südschwarzwald ist laut Medienberichten in Gefahr. Die Schluchtenseewerke, die den Energieriesen RWE und EnbW gehören, sehen offenbar keine Wirtschaftlichkeit gegeben.
In Dresden stellt sich derweil akut die Frage: Wie geht’s weiter? Bürgerinitiativen-Sprecher Hertting sagt, Stilllegung und Rückbau des Speicherwerkes würde ebenfalls Millionen kosten. Und wer solle dann künftig das Unterbecken für den Badebetrieb erhalten? Die Stadt Dresden hat abgewunken.
Briefe an Politiker
Hertting setzt auf die „Mandatsträger“. Die Bürgerinitiative schreibt fleißig Briefe an sächsische Bundestagsabgeordnete, an den Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Die Initiatoren hoffen, dass so die Probleme aufgegriffen werden.
Vattenfall begrüßt das Engagement der Bürger für den Stromspeicher. Auch der Energiekonzern setzt darauf, dass sich die Politik noch bewegt. Durch eine Befreiung von den Netzgebühren könnte die Anlage wieder profitabel werden. „Wir nutzen schließlich nur Strom für die Pumpen zur Energieerzeugung und sind kein Verbraucher“, sagt Groebler.
Bisher hat sich die Bundespolitik aber nicht bewegt. „Eine Schließung von Niederwartha können wir nicht verhindern“, sagt Hertting. „Wir werden uns sicher nicht irgendwo anketten, um zu protestieren.“ Dass man Speicher aufgibt, die in schwierigen Situationen durch stark schwankende Ökostrom-Einspeisungen das Energienetz stabil halten können, bleibt für den Ingenieur aber unverständlich. Energiewende paradox.
