Probiodrug aus Halle Probiodrug aus Halle: Die "Börsenrakete des Jahres"

Halle (Saale) - Die Liste börsennotierter Unternehmen aus Mitteldeutschland ist sehr überschaubar. Aus Sachsen-Anhalt sind es noch weniger. Die Halloren Schokoladenfabrik aus Halle hält sich dabei wacker um den einstigen Ausgabekurs. Das Bioenergie-Unternehmen Verbio (Zörbig/Anhalt-Bitterfeld) ist auf gut ein Zehntel seines einstigen Spitzenwertes von 15 Euro zurückgefallen, und der Fahrradbauer Mifa aus Sangerhausen notiert inzwischen unter den sogenannten Penny-Stocks, also mit Kursen unter einem Euro.
Doch nicht nur deshalb ist der Börsengang des halleschen Biotechnologieunternehmens Probiodrug, das Medikamente gegen Alzheimer entwickelt, vor gut zwei Wochen außergewöhnlich. Es ist einer von nur zwei der Biotech-Branche bundesweit wie auch einer nach langer Pause. Und er fiel in eine Zeit, in der andere Börsenkandidaten einen Rückzieher gemacht haben. Denn die Aktienmärkte weltweit stehen unter Druck. Die hoch gehandelten Börsenneulinge Zalando und Rocket Internet, die Anfang Oktober den Schritt aufs Parkett wagten, mussten dies mit kräftigen Abschlägen büßen.
22,5 Millionen Euro
„Wir waren uns der Situation bewusst. Doch wir haben uns entschlossen, unsere Börsenpläne durchzuziehen“, sagt Konrad Glund, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer des Pharmaforschungsunternehmens. „Und das Ergebnis hat uns bestätigt.“ Die 1,524 Millionen neuen Aktien gingen für 15,25 Euro an die Investoren. Dem Unternehmen flossen dadurch 22,5 Millionen Euro zu, die als reine Kapitalerhöhung verbucht werden. Keiner der bisherigen Aktionäre hat dabei dem Vernehmen nach Kasse gemacht. Im Gegenteil, die bisherigen Anteilseigner, die Probiodrug in den vergangenen Jahren mit Risikokapital von rund 56 Millionen Euro ausgestattet haben, kauften neue Anteile hinzu und schenkten Probiodrug damit zusätzliches Vertrauen.
Der Auftakt an der Börse Euronext in Amsterdam am 27. Oktober kann dabei nur als Bilderbuchstart beschrieben werden. Die für 15,25 Euro ausgegebenen Aktien gewannen am ersten Handelstag in der Spitze gut 40 Prozent. Drei Tage später lag der Kurs 60 Prozent über dem Ausgabepreis. Die „Wirtschaftswoche“ kam darauf zu dem Urteil: „Eine deutsche Biotech-Firma aus Halle war die eigentliche Börsenrakete des Jahres.“ Zwar hat der Kurs seither auch kleine Rückschläge hinnehmen müssen. Doch insgesamt blieb das hohe Niveau erhalten.
Das Geld aus dem Börsengang dient der Finanzierung von klinischen Studien, an deren Ende die weltweit ersten Medikamente gegen Alzheimer stehen sollen, die die Ursache der Krankheit bekämpfen. Zum einen haben die Wissenschaftler um den Probio-drug-Mitgründer und langjährigen Forschungsvorstand Hans-Ulrich Demuth einen Wirkstoff entdeckt, der den für Alzheimer typischen Prozess hemmen kann, an dessen Ende sich toxische Eiweißablagerungen an den Nervenzellen im Gehirn, die sogenannten Plaques, bilden. Dieser Inhibitor ist am weitesten fortgeschritten. Zum anderen wurde ein Antikörper entwickelt, der entstandene Plaques abbaut.
Für den Inhibitor beginnt jetzt die zweite Phase der klinischen Tests. Nachdem der Wirkstoff in einer ersten Phase erfolgreich an Gesunden getestet worden war, werden nun in Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland Studien mit Alzheimer-Patienten erarbeitet. „Mitte bis Ende 2016 sollen die Ergebnisse vorliegen“, sagt Glund. Bis zu einem Medikament sei es aber auch dann noch weit, denn zwei weitere klinische Phasen seien vorgeschrieben.
Acht bis zehn Jahre
„Für die eigentliche Medikamenten-Entwicklung werden acht bis zehn Jahre veranschlagt“, dämpft Glund verfrühte Hoffnungen. Führt die Arbeit zum Erfolg, werden entsprechende Lizenzen an große Pharmakonzerne verkauft, die das Medikament auf den Markt bringen. Dann fließt das Kapital mit Gewinn an die Geldgeber zurück.
Diese Entwicklungsarbeit ist nicht nur sehr teuer, sie hat auch auch das Unternehmen verändert. Aus der einstigen Forschungsfirma mit in der Spitze 70 Beschäftigten ist ein kleines, klinisches Team mit 13 Mitarbeitern geworden, das die Medikamentenentwicklung mit nationalen und internationalen Partnern vorantreibt. Eine Reihe der einstigen Probiodrug-Forscher hat unterdessen eine neue wissenschaftliche Heimat in der von Demuth geleiteten, halleschen Außenstelle des Leipziger Fraunhofer Instituts für Zelltherapie und Immunologie gefunden. Und diese Einrichtung ist heute Forschungspartner von Probiodrug. (mz)
