Preis sticht Heimat aus Preis sticht Heimat aus: Regionale Produkte sind beliebt werden aber selten gekauft

Halle (Saale) - Regionale Lebensmittel stehen seit einiger Zeit bei Verbrauchern hoch im Kurs. Sie stehen für Qualität, Geschmack und Sicherheit. In einer aktuellen Befragung in Sachsen-Anhalt gaben auch 73 Prozent der Supermarktkunden an, auf regionale Produkte beim Einkauf zu achten. „Tatsächlich waren allerdings nur sechs Prozent der Lebensmittel im Einkaufswagen aus der Region“, sagt Thomas Lange, Geschäftsführer der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (AMG), welche die Studie in Auftrag gab. „Auch wenn sicherlich nicht für jedes erworbene Produkt ein gleiches aus Sachsen-Anhalt vorhanden ist, hat der Griff nach regionalen Produkten eine wesentlich geringere Bedeutung als es die Verbraucher vollmundig verkünden“, sagte er.
Unterschiede in den Segmenten
Die AMG hat das Einkaufsverhalten der Verbraucher genauer unter die Lupe genommen: Gemeinsam mit Landwirtschaftsstudenten der Hochschule Anhalt wurde eine Befragung in drei großen Edeka-Verbrauchermärkten in Magdeburg, Köthen und Halle durchgeführt. Edeka weist die regionale Herkunft im Regal gesondert aus und besitzt ein breites Sortiment an Regionalprodukten. Ausgewertet wurden die Einkäufe von 562 Kunden, die 8 240 Produkte einkauften. Für 77 Prozent der Verbraucher kommt ein regionales Produkt aus dem Bundesland, 13 Prozent sehen die neuen Bundesländer als Region.
Vor dem Einkauf sagten 73 Prozent der Befragten, sie achten auf Waren aus der Heimat, für 56 Prozent haben sie eine sehr hohe und hohe Bedeutung und bei 29 Prozent eine mittlere Bedeutung. Zwischen den Warengruppen gibt es dabei deutliche Unterschiede. In der Regel gilt: „Je wichtiger der Aspekt Frische, um so wichtiger auch die Regionalität“, sagt Lange. Eine deutliche Mehrheit, nämlich 61 Prozent, bestätigte zudem, dass sie regionale Produkte auch leicht in den Regalen erkennt.
Tatsächliches Einkaufsverhalten ist „ernüchternd“
Das tatsächliche Einkaufsverhalten ist für den AMG-Chef nach eigenen Worten „ernüchternd“. Nur sechs Prozent der gekauften Produkte seien aus Sachsen-Anhalt gewesen. Zwischen den drei Märkten habe es kaum Unterschiede gegeben. Interessant sind die einzelnen Segmente: So hatte die Regionalität bei Wurstwaren für 67 Prozent der Verbraucher einen hohen und sehr hohen Stellenwert. 570 mal wurden Wurstwaren eingekauft, aber nur 133 (23 Prozent) davon waren regional. 66 Prozent möchten regionale Eier und 62 mal wurden Eier gekauft. Aus Sachsen-Anhalt stammten die Eier aber nur bei fünf Einkäufern (acht Prozent).
Ähnlich ist es beim Bier gewesen. Von 92 Einkäufen stammten nur drei Biersorten aus dem Land. Lange zieht aus der Untersuchung daher den Schluss, dass es „zwischen Denken und Handeln der Verbraucher einen erheblichen Widerspruch gibt“. Dies habe zur Folge, dass die regionalen Produzenten - mit wenigen Ausnahmen wie Rotkäppchen Sekt oder Kathi Backmischungen - weiter einen geringen Marktanteil haben und die großen, nationalen Hersteller die Warenregale dominieren.
Was ist der Grund für dieses Einkaufsverhalten? Lesen Sie die Antwort auf Seite 2.
Was ist der Grund für dieses Einkaufsverhalten? Lange sieht den Preis der Waren als entscheidendes Einkaufskriterium. „Regionale Produkte sind in der Regel etwas teurer“, sagt er. 40 Prozent der gekauften Produkte seien sogenannte Handelsmarken gewesen. Diese seien besonders günstig. Die regionale Herkunft ist bei diesen aber nicht feststellbar.
Es könnte aber auch noch andere Gründe geben. Das Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung (IMK) in Erfurt hat wiederholt festgestellt: Bei jüngeren Verbrauchern lassen Ostmarken eine überlebenssichernde Bekanntheit vermissen. Die Forscher sprechen von „aussterbenden Zielgruppen“ und einer „schleichenden Erosion“. Eberswalder Würstchen, Burger Knäcke oder Rügenfisch haben bei den über 50-Jährigen im Osten eine Markenbekanntheit von rund 80 Prozent. Von den unter 40-Jährigen kennt nur jeder Zweite Würstchen aus Eberswalde; jeder Dritte weiß mit den Produkten Burger Knäcke und Rügenfisch etwas anzufangen.
Starke Marken fehlen
Diese Waren werden zwar als regionale Produkte erkannt und wahrscheinlich für gut befunden. Die Stärke der Marke reicht aber nicht aus, damit sie auch gekauft werden. Würden die Verbraucher alleinig auf den Preis achten, müssten viele nationale Markenhersteller längst verschwunden sein. Aus der AMG-Studie ließe sich daher auch der Schluss ziehen, dass Heimat ein Verkaufsargument ist. Doch dies reicht eben nicht aus, wenn es nicht mit einer starken Marke verbunden ist. Nur die Produzenten, die auch Geld in den Aufbau einer solchen Marke investiert haben, sind langfristig erfolgreich am Markt.
Denn im Trend liegen Lebensmittel aus der Region ohne Zweifel. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney kam zuletzt zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Monat regionale Lebensmittel kaufen, 65 Prozent einmal pro Woche. Bei den wöchentlichen Käufern liegt das Plus gegenüber dem Vorjahr laut Studienautoren bei gut einem Drittel. (mz)