Praktikantenspiegel Praktikantenspiegel: "Generation Praktikum" ist laut Studie gar nicht so schlecht dran
Berlin - Als „Generation Praktikum“ wurden sie bekannt: Junge Menschen, die auf der Suche nach Kontakten, Jobs und Ausbildung für Unternehmen arbeiten – unterbezahlt, überfordert, ausgebeutet. Doch diese Zeiten sind vorbei, so die Unternehmensberatung Clevis. Laut ihrem Praktikantenspiegel 2017 gehören die Zeiten unbezahlter Arbeit der Vergangenheit an. Die jungen Leute seien fast durchweg zufrieden mit dem Arbeitgebern. Doch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat Zweifel. „Praktika sind nach wie vor anfällig für Missbrauch“, sagt Florian Haggenmiller, DGB-Bundesjugendsekretär.
Kaum Vergütung im Jahr 2011
Noch vor einigen Jahren sah es nicht gut aus: Viele junge Berufseinsteiger hangelten sich von Praktika zu Volontariaten und zu befristeten Verträgen, bevor sie eine dauerhafte Stelle ergattern können, so eine DGB-Studie aus dem Jahr 2011. Trotz Recht auf Entlohnung erhielten 40 Prozent der Praktikanten keine Vergütung, in den Bereichen Kunst und Kultur gingen sogar zwei Drittel leer aus. Der Rest musste sich im Durchschnitt mit mageren 551 Euro zufriedengeben.
Heute dagegen sieht die Lage gut aus, so die Unternehmensberatung Clevis. „Deutsche Praktikanten sind zufriedener denn je mit ihren Jobs“, meldet ihr Praktikantenspiegel 2017, der auf der Befragung von 5500 Personen beruht. 88 Prozent der Befragten sind demnach zufrieden mit ihrem Arbeitsverhältnis. 97 Prozent von ihnen erhielten eine Vergütung. Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns Anfang 2015 lasse die Praktikanten-Gehälter noch immer steigen. Im Durchschnitt verdienten sie nun 1032 Euro im Monat, das waren 82 Euro mehr als im Vorjahr. Wie stark der Mindestlohn hier gewirkt hat, zeigt ein Vergleich mit den Zahlen von 2014: Damals errechnete Clevis ein Durchschnitts-Brutto von 860 Euro.
Frauen verdienen weniger
Allerdings verdienen laut Clevis die Frauen weniger als die Männer. Bei Pflichtpraktika zum Beispiel liege die Differenz bei 20 Euro, bei freiwilligen Praktika bei fast 50 Euro. „Diese Unterschiede“, so Clevis, „lassen sich allerdings auf die Branchenzugehörigkeit des Arbeitnehmers zurückführen.“ Sprich: Frauen arbeiten eher in Branchen, die schlechter bezahlen. Analog zum Rest der Arbeitswelt ist auch die regionale Struktur der Verdienste: In wirtschaftlich starken Bundesländern verdienen Praktikanten mehr, in schwachen weniger, vor allem im Osten Deutschlands.
Der durchschnittliche Praktikant der Clevis-Befragung ist 24,2 Jahre alt, sein durchschnittliches Praktikum dauert rund fünf Monate. Rund die Hälfte von ihnen kommt aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaften, 16 Prozent aus den Ingenieurswissenschaften. Als Gründe für die Absolvierung eines Praktikums nennen die meisten „Lernen“, zweitwichtigstes Motiv ist die Aufbesserung des Lebenslaufs. In der Regel arbeiten Praktikanten hier zu Lande laut Clevis 39,2 Stunden die Woche. 40 Prozent leisteten zwar regelmäßig Überstunden, dennoch sind sie mit ihrer Aufteilung von Arbeits- und Freizeit zufrieden.
Mindestlohn wird umgangen
Nicht ganz so rosig wie die Unternehmensberatung sieht der DGB das Bild: „73 Prozent aller Praktika finden während des Studiums statt. Dort hat der Gesetzgeber aber massive Ausnahmen vom Mindestlohn zugelassen“, rügt DGB-Bundesjugendsekretär Haggenmiller. Die Arbeitgeber seien „sehr kreativ, wenn es darum geht, bei einem Praktikum den Mindestlohn zu umgehen“. So deklarierten manche Unternehmen freiwillige Praktika als Pflichtpraktika, um den Mindestlohn zu umgehen.
Beim DGB hegt man daher Zweifel, ob die Clevis-Zahlen repräsentativ für die Situation der Praktikanten in Deutschland sind. „Gerade die angegebene Vergütung von Pflicht-Praktika scheint mir mit durchschnittlich fast 1000 Euro zu hoch“, so DGB-Experte Michael Wagner. Dass Clevis überhöhte Gehälter errechne, könne daran liegen, dass in der Befragung vor allem Praktikanten aus der gut zahlenden Industrie und aus großen Konzernen vertreten seien.
Laut Haggenmiller ist die Qualität von vielen angebotenen Praktika nach wie vor schlecht. Vor allem die Betreuungssituation müsse verbessert werden. Notwendig seien auch einheitliche gesetzliche Regelungen für Urlaub und Krankheit im Praktikum. „Über 78 Prozent aller Praktikantinnen machen sich Sorgen um Ihre wirtschaftliche Situation. Praktika sind Teil eines insgesamt unsicheren Berufseinstiegs für junge Menschen“, sagte der Gewerkschafter. Er fordert, die Ausnahmen beim Mindestlohn gerade für freiwillige Praktika während des Studiums zu schließen und eine generelle Einführung eines Mindestentgelts für Pflichtpraktika analog dem jeweiligen BAföG-Höchstsatz.