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PKW-Hersteller PKW-Hersteller: Das Kartell kann die Autobauer zehn Milliarden Euro kosten

Von Frank-Thomas Wenzel 25.07.2017, 14:42
Das Logo der Automarke Mercedes-Benz der Daimler AG in Stuttgart.
Das Logo der Automarke Mercedes-Benz der Daimler AG in Stuttgart. dpa

Eine erste Hausnummer ist genannt. Frank Schwope, Analyst bei der NordLB, geht davon aus, dass das Autokartell die deutschen Hersteller mit mehr als zehn Milliarden Euro kosten könnte. Zu fünf Milliarden an Strafzahlungen könnte mindestens noch einmal so viel an Schadenersatz für Zulieferer und Autokäufer kommen. Und er betont, der Eindruck entstehe, das „manch Verantwortlicher noch immer zu viel Benzin im Blut statt Sauerstoff hat“.

Konnte ein Kartell der fünf großen Marken (Volkswagen, Audi, Porsche, Mercedes, BMW), womöglich über Jahre arbeiten, weil das Rechtsempfinden in den Konzernen nicht besonders ausgeprägt war? Insbesondere stellt sich die Frage, welche Rolle die Aufsichtsräte dabei gespielt haben. Denn in den Kontrollgremien müsste man eigentlich eine gesteigerte Sensibilität erwarten können. Schon allein wegen des sogenannten Lkw-Kartells, das schon 1997 gegründet und 2011 aufgeflogen war. Allein Daimler musste in diesem Fall 1,1 Milliarden Euro an Strafen zahlen. Insgesamt kam Bußgeld von mehr als drei Milliarden Euro zusammen.

Die Angelegenheit ist brisant

Wie brisant die Angelegenheit ist, zeigt sich auch daran, dass der Branchenverband VDA einen „Leitfaden Kartellrecht“ erarbeitet hat, der versucht Grenzen zwischen legal und illegal auszuloten.
Denn die Branche ist insbesondere hierzulande besonders anfällig. Die sogenannten Premiummarken konkurrieren auf dem Heimatmarkt und international um die gleiche Kundenklientel mit Fahrzeugen, die sich in ihrer Grundkonfiguration ähnlich sind – seien es SUV, Limousinen oder sportliche Coupés.

Hinzu kommt, dass die Anbieter mit denselben Zulieferern zu tun haben. Bosch oder Conti sind global agierende Giganten, auf die alle Autobauer angewiesen sind. Es erhöht die Effizienz und senkt die Kosten, wenn sich die Unternehmen auf technische Standards einigen. Darüber wird permanent diskutiert und verhandelt. Ein wichtiger Moderator ist dabei der mächtige VDA. Doch neben offiziellen Gremien gab es informelle Arbeitskreise der großen Fünf.

Fließende Übergänge zu illegalen Praktiken

Auch das ist zunächst einmal nicht verboten. Die Übergänge zu illegalen Praktiken sind fließend. Das räumt selbst die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI) ein: Es sei üblich, dass Unternehmen gemeinsame Interessen und Vorhaben besprechen, so Sylvia Schwab, Vize-Chefin von TI-Deutschland. Problematisch werde es, wenn technischer Fortschritt behindert werde und wenn Kunden geschädigt würden. Die generelle Formel für rechtswidrige Kartelle spricht von der Verhinderung und der Verfälschung des Wettbewerbs.

Doch auch da kann es Ausnahmen geben. So duldet das Kartellamt Vereinbarungen, die die Sicherheit der Fahrzeuge erhöhen – etwa die Drosselung von Motoren.

Ermittlungen bei Stahl-Absprache

Haarig wird es, wenn Autobauer untereinander ihre Strategien absprechen, sowohl was die Technik als auch die Preise angeht. So ermittelt das Kartellamt gegen Autobauer und Zulieferer, die sich beim Einkauf von Stahl abgesprochen haben sollen. Stahl ist der wichtigste Grundstoff für die Branche. Beschließen hier die wichtigsten Abnehmer, die Preise die drücken, können sich Stahlhersteller kaum währen, weil es keine Alternativen Abnehmer gibt.

Just bei den Ermittlungen in Sachen Stahl sollen die Ermittler des Kartellamts als „Beifang“ auf die diversen Arbeitskreise der großen Fünf gestoßen sein, in denen mutmaßlich ein Geben und Nehmen praktiziert wurde, damit keiner der Akteure etwa bei technischen Neuerungen vorprescht und damit die anderen unter Druck setzt. Der exklusive Klub soll auch vereinbart haben, Tanks für das Abgas-Reduktionsmittel Adblue zu klein dimensioniert zu haben – was ein schwerer Verstoß gegen die Kartell-Gesetze wäre.

Bedenken bei Daimler gewachsen

Indes gibt es zahlreiche Hinweise, dass insbesondere bei Daimler in den vergangenen Monaten, die Bedenken gegen das Tun der Arbeitskreise gewachsen sind. Nach einer Selbstanzeige vor etwa einem Jahr haben sich Daimler-Manager offenbar schrittweise zurückgezogen. Fast gleichzeitig haben Konzerne darum gebeten, „Entwicklungs-, Normungs- und Standardisierungsthemen in den VDA zu integrieren, um herstellereigene Strukturen aufzulösen“, so der Autoverband. Das klingt so, als hätten Manager kalte Füße bekommen. Am VW-Aufsichtsrat ist das alles angeblich vorbei gegangen. Das Gremium trifft sich heute zu einer Sondersitzung, um sich über die Kartellvorwürfe informieren zu lassen.