Pfandkreditanstalt: Die Bank des kleinen Mannes
Mannheim/dpa. - Das Pfandhaus ist von jeher die Bank des kleinen Mannes - im Krisenjahr 2009 avanciert es zur Ersatz-Bank des Mittelstandes. «Da kommen jetzt Leute, denen geht es nicht schlecht», sagt der Chef des Mannheimer Leihamtes, Jürgen Rackwitz.
«Aber sie brauchen Geld, um ihr Haus zu renovieren. Oder ein Handwerker muss Material für den nächsten Auftrag kaufen - doch die Banken schütteln den Kopf.» Während Finanzexperten noch darüber diskutieren, ob es nun eine Kreditklemme gibt oder nicht, ist sie in der größten kommunalen und zweitältesten Pfandkreditanstalt Deutschlands längst angekommen. Im Jahr des 200. Bestehens öffnet Geschäftsführer Rackwitz darum einem Pfand die Tore, für das er eigentlich nicht verantwortlich sein wollte: dem Auto.
«Ich werde das machen müssen», sagt Rackwitz mit Blick auf die private Konkurrenz der Pfandleiher. Außerdem: Das Auto ist oft das Wertvollste, was Familien haben. Viele haben zwei davon in der Garage stehen - da kann in der Krise auf eines verzichtet werden. Ab September wird Rackwitz auch dieses Pfand akzeptieren, einen Stellplatz hat er schon gemietet. «Ich mache das aber nur, wenn ich merke, der Kunde braucht das Geld unbedingt», betont er.
Autos zu beleihen, ist für das Leihamt aufwendig: Um Betrügereien auszuschließen, muss ermittelt werden, ob das Geld tatsächlich dem Besitzer gegeben wird. Den Wert zu ermitteln, erfordert auch mehr Zeit als beispielsweise bei einer Rolex-Uhr. Und dann muss das Auto sicher stehen und gut versichert sein. Schließlich ist ja davon auszugehen, dass der Besitzer es in ein paar Monaten wieder auslöst.
Das Risiko habe insgesamt zugenommen, berichtet der Leihamts-Chef. Denn der Wert des einzelnen Pfandes ist mit der Wirtschaftskrise gestiegen - derzeit von durchschnittlich 310 auf knapp 380 Euro. Allein in den vergangenen zwei Monaten sind 56 Pfande abgegeben worden, deren Einzelwert über 5000 Euro liegt. Für das wertvollste Pfand erhielt der Eigentümer 24 000 Euro. «Neu hat das Pfand bestimmt mal 40 000 Euro gekostet», berichtet Rackwitz. Insgesamt liegt der Wert der edleren Stücke bei 400 000 Euro.
«Es hat andere Schichten erfasst», sagt der gelernte Kaufmann. Er bemüht sich darum, das Pfandhaus aus der Schmuddelecke herauszubekommen. Zu einem guten Stück ist ihm dies gelungen. Und doch gibt es Geschichten wie diese: «Da steht ein über 70-Jähriger bei mir in der Empfangshalle und schüttelt den Kopf: 'Ich hätte nie gedacht, dass es soweit mit mir kommt'», erinnert sich Rackwitz. Der Senior wollte Fliesen in seinem Haus legen. Die Bank habe ihrem jahrelangen Kunden zähneknirschend zwar einen Kredit einräumen wollen - aber nur gegen alle erdenklichen Sicherheiten. Selbst sein Haus sollte der Rentner beleihen. «Das wollte er vermeiden - und kam mit wirklich wertvollem Schmuck zu uns», schildert der Leihamts-Chef.
Er versucht den Menschen dann die Scheu zu nehmen mit Sprüchen wie diesem: «Wir sind die Bäcker, die Banken die Konditoren - letztlich verleihen wir aber beide Geld.» Eine Argumentation, die der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes, Wolfgang Schedl, gerne übernimmt. Er versucht bundesweit, die Pfandhäuser von ihrem zwielichtigen Ruf zu befreien. In der Krise sieht der Jurist dafür besonders gute Chance. «Wenn nicht heute, wann dann?», meint Schedl. Angesichts der Kreditklemme fänden zunehmend Menschen den Weg zum Pfandhaus, obgleich sie diesen bislang gescheut hätten.
Zwar ist der Trend nicht so deutlich zu erkennen, wie in Mannheim - aber auch bundesweit ist der Pfandwert gestiegen. Derzeit liegt er bei 310 Euro, früher waren es 304 Euro, so Schedl. Seinem Verband in Stuttgart gehören bundesweit rund 200 Pfandhäuser an, den Angaben zufolge sind das etwa 80 Prozent aller gewerblich tätigen Pfandleiher. Diese zahlen jährlich etwa 470 Millionen Euro an Krediten aus.
Städtisches Leihamt Mannheim: www.leihamt-mannheim.de
Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes e.V.: www.pfandkredit.org
Im Leihamt erhält prinzipiell jeder Kredit. Anders als bei der Bank muss der Kunde keine Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse geben. Der Kredit errechnet sich ausschließlich aus dem Wert des Faustpfandes. Die Mindestbeleihsumme liegt bei 5 Euro, maximal werden 500 000 Euro ausgezahlt.
Der Gegenstand wird vor den Augen des Kunden vom Schätzer begutachtet. An einem Kassenschalter wird dann das Geld ausgezahlt. Der Pfandkreditvertrag läuft vier Monate (plus einen Monat Karenz), das Pfand wird so lange sicher aufbewahrt.
Danach gibt es verschiedene Möglichkeiten: Der Kunde zahlt fristgerecht das Darlehen nebst Zinsen und Gebühren - und erhält sein Pfand zurück. Will der Kunde verlängern, muss er - ebenfalls fristgerecht - Zinsen und Gebühren für die zurückliegende Zeit zahlen und erhält einen neuen Pfandschein. Oder aber der Kunde will das Pfand nicht wieder haben. Dann wird es öffentlich versteigert.
Darüber hinaus kann man dem Leihamt Wertgegenstände zum Verkauf überlassen. Dafür erhält die Einrichtung zwölf Prozent des Verkaufspreises. Bei einem Wert von 100 Euro erhält der Kunde dann 85,72 Euro.