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Orwo entwickelt sich Orwo übernimmt Photo Dose: Bitterfelder schlucken Bremer Unternehmen

Von Eckhard Stengel 08.10.2018, 08:00
Vor allem über Internetportale und Drogerien machen die Wolfener ihr Geschäft mit Foto-Abzügen.
Vor allem über Internetportale und Drogerien machen die Wolfener ihr Geschäft mit Foto-Abzügen. DPA

Bitterfeld-Wolfen - Wessi schluckt Ossi: Solche Firmenübernahmen kennen Ostdeutsche zur Genüge. In Bremen läuft es jetzt mal andersherum: Das vor 120 Jahren an der Weser gegründete Unternehmen Photo Dose ist nun von der ebenfalls traditionsreichen Firma Orwo aus Bitterfeld-Wolfen übernommen.

Das lässt sich jedenfalls aus Bremer Medienberichten vom Wochenende entnehmen - und aus dem Impressum von photodose.de, wo der Fotodienstleister neuerdings nur noch als „Photo Dose - Service der Orwo Net GmbH“ firmiert.

Orwo übernehmen Photo Dose: Bremer Experten für Fotos

Es ist das faktische Ende eines rasant gewachsenen und anschließend heftig geschrumpften Familienbetriebs. Jeder Fotoamateur im Norden der BRD konnte sich in den 70er oder 80er Jahren glücklich schätzen, wenn in seiner Nähe eine Photo-Dose-Filiale eröffnet wurde. Endlich musste man Filme und Kameras nicht mehr in der kleinen Fotoabteilung altbackener Drogerien kaufen, sondern konnte ein modernes Fachgeschäft aufsuchen, mit kompetenter Beratung und beeindruckendem Sortiment zu günstigen Preisen.

Während Firmengründer Willy Dose sein 1898 gegründetes „Echtlicht-Atelier“ zunächst als Ein-Mann-Betrieb führte, machten seine Nachfahren daraus eine Filialkette mit vielen hundert Beschäftigten und 120 Niederlassungen in ganz Norddeutschland, sei es in Flensburg, Hannover oder Osnabrück und nach der Wende auch in Rostock und Schwerin. Bis zur Jahrtausendwende waren die Bremer „einfach an jeder Milchkanne“ vertreten, sagte mal Nick Dose, Urenkel des Firmengründers, dem Weser-Kurier. Photo Dose war eine Institution im Norden.

Aber nichts blieb, wie es war. Erst stiegen die Kunden von Analog- auf Digitalkameras um und brauchten keine Filme mehr, dann gingen sie lieber ins Internet statt ins Fachgeschäft, um Abzüge zu bestellen oder neue Kameras zu kaufen. Nach der Jahrtausendwende setzte das Unternehmen deshalb zunehmend auf das Onlinegeschäft, errichtete dafür ein eigenes Großlabor und verlagerte so seinen Umsatz zunehmend auf individuell gestaltete Fotobücher oder Kaffeetassen mit Familienfotos. Parallel dazu schrumpfte nach und nach die Zahl der Filialen.

Photo Dose aus Bremen von Orwo übernommen: Die letzte Filiale steht vor dem Aus

Im vergangenen Frühjahr waren es nur noch ein Dutzend. Sie nahmen gerade mal zwei Prozent der Fotoaufträge entgegen, der Rest lief bereits online. Da zogen die Geschäftsführer Nick Dose und Heino Kaiser die Reißleine: Im März verkündeten sie den Verkauf von sechs Filialen an die Kölner Foto-Gregor-Gruppe und die Schließung von fünf weiteren Niederlassungen. Eine letzte Filiale in Bremen-Horn, so hieß es im März, sollte noch im Familienbesitz bleiben, und auch das Bremer Großlabor arbeitete bisher weiter.

Doch inzwischen stehen auch diese Überreste des Unternehmens vor dem Aus: Wie Radio Bremen und der Weser-Kurier berichten, wird das Labor demnächst stillgelegt, und auch die letzte Filiale wird verkauft, an den Hamburger Unternehmer Patrick Dasse.

Orwo Net hat aber nur das Onlinegeschäft des Bremer Fotodienstleisters Photo Dose übernommen; die Firma selbst bleibt als Gesellschaft erhalten, ist allerdings nicht mehr operativ tätig. Das sagte Geschäftsführer Nick Dose am Montag auf Anfrage und präzisierte damit erste Medienberichte über das Ende der Traditionsfirma. Laut Dose erhält seine Gesellschaft noch sieben Jahre lang eine Umsatzbeteiligung am verkauften Onlinegeschäft. Danach gehe auch der Markenname auf Orwo über.

Das Einzige, was noch von der Traditionsmarke erhalten bleibt, ist die Bestellplattform photodose.de. Sie gehört jetzt aber dem Orwo-Konzern, einem der führenden Fotogroßlabore Europas. Schon 2009 hatten die Bitterfelder eine andere, noch viel bekanntere Marke übernommen und mit eigener Homepage fortgeführt, nämlich Foto Quelle.

Orwo selbst geht bekanntermaßen auch auf eine große Marke zurück: auf die einstige Aktiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, besser bekannt als Agfa. Der Berliner Agfa-Konzern beschloss 1909, also elf Jahre nach der Photo-Dose-Geburt, die Gründung einer Filmfabrik in der damals noch selbstständigen Stadt Wolfen. 1910 durfte sie den Betrieb aufnehmen. Das Hauptprodukt: der sogenannte Kine-Positivfilm.

1964 entschied die DDR-Führung, die Agfa-Markenrechte an die westdeutsche Namensschwester Agfa Leverkusen zu verkaufen. Seitdem firmierte das Wolfener Werk nur noch als Orwo - die Kurzfassung von „Original Wolfen“.

Orwo aus Bitterfeld: Der dritte Investor hatte Erfolg

14.500 Beschäftigte, 200 verschiedene Filmsorten: So groß war die Fabrik, als 1989 die Wende begann. Nur fünf Jahre später schien alles vorbei: Die staatliche Treuhandanstalt beschloss die Liquidation. Zwei Versuche von verschiedenen Investoren, Orwo wieder an den Markt zu bringen, endeten 1997 und 2002 in der Insolvenz.

Doch der dritte Anlauf hatte Erfolg: Seit 2003 ist Orwo wieder auf Wachstumskurs - auch wenn es nur noch gut 300 Beschäftigte sind, die sich um die Fotobestellungen ihrer Kunden kümmern.

Die kommen nicht nur von den eigenen Portalen orwonet.de, fotoquelle.de, myfoto.de und pixelnet.de, sondern auch von Drogerieketten und Handelsmarken, mit denen Orwo zusammenarbeitet. Und neuerdings eben auch von den Photo-Dose-Kunden. (mz)