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Tarifbindung Nächster Ampel-Streit droht - Tariftreuegesetz stockt

Firmen, die für den Bund arbeiten, sollen nach dem Willen von Arbeitsminister Heil nach Tarif zahlen. Das Gesetzesprojekt kommt derzeit aber nicht voran.

Von dpa 18.09.2024, 09:04
Tariftreuegesetz kommt nicht voran. (Archivbild)
Tariftreuegesetz kommt nicht voran. (Archivbild) Michael Kappeler/dpa

Berlin - In der Ampel-Koalition droht der nächste Streit. Über das von der SPD forcierte Gesetz zur Stärkung der Tarifbindung gibt es Unstimmigkeiten. Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium blockiert den Beginn der Verbändeanhörung. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichtet. Ein Sprecher von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, die Gespräche innerhalb der Regierung dauerten an und blieben abzuwarten.

Finanzministerium will Nachbesserungen

Aus Kreisen des Finanzministeriums von Ressortchef Christian Lindner (FDP) hieß es, angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Lage sei für das Ministerium entscheidend, dass wirtschaftliche Dynamik erleichtert und nicht bürokratische Hürden insgesamt erhöht würden. Auch sei die Tariftreue für die Sozialpartner von besonderer Bedeutung. „Eine Regelung sollte deren Interessen auch gerecht werden, auch aus Achtung vor der Tarifautonomie.“ Der vom Arbeitsministerium vorgelegte Gesetzentwurf werde diesen Zielen noch nicht gerecht. Erst ein in der Bundesregierung abgestimmter Entwurf werde den Ländern und Verbänden zur Anhörung vorgelegt. „Die Tariftreue auf Bundesebene wird seit Jahrzehnten diskutiert. Wir nehmen uns die Zeit, eine gute Lösung zu erarbeiten.“

Arbeitgeber kritisieren Heil

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir fordern die Regierung auf, die Pläne für einen Tarifzwang bei öffentlichen Aufträgen endlich aufzugeben oder praxisnah fortzuentwickeln.“ Die „Maximalpositionen“ des Arbeitsministeriums seien wirklichkeitsfremd und wirtschaftsfeindlich. 

Mehr Arbeitnehmer sollen von Tarifverträgen profitieren

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Auftrag des Bundes tätig sind, sollen künftig generell unter dem Schutz eines Tarifvertrags arbeiten - das sehen die Pläne Heils vor. Im Gesetzentwurf heißt es: „Unternehmen sollen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern künftig, wenn sie öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes ausführen, tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen.“ Heil hatte gesagt, Tarifverträge brächten den Beschäftigten höhere Löhne als der Mindestlohn. Der Staat habe eine Vorbildfunktion. Dies helfe auch anständig zahlenden Unternehmen im Wettbewerb mit „Billigheimern“. 

SPD, Grüne und FDP hatten sich 2021 in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein Tariftreuegesetz zu verabschieden. Im Koalitionsvertrag heißt es, zur Stärkung der Tarifbindung solle die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrags der jeweiligen Branche gebunden werden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruhe.

SPD-Fraktion irritiert

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, bezeichnete es als „irritierend, dass es scheinbar Widerstand vom FDP-geführten Bundesfinanzministerium gibt“. Es gehe um faire Wettbewerbsbedingungen, und zwar für gut bezahlte Arbeit, aber vor allem auch für die Unternehmen, „die ihre Leute ordentlich bezahlen und durch Schmutzkonkurrenz kaum eine Chance auf öffentliche Aufträge haben.“ Das sei eine Frage von ökonomischer Vernunft, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Mast zeigte sich überzeugt: „Das Tariftreuegesetz kommt.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte Anfang September nach Wahlniederlagen der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen als wichtigste Projekte der Ampel in den nächsten Monaten das Rentenpaket, das Tariftreuegesetz und die Kindergrundsicherung genannt. Auch die Pläne zur Kindergrundsicherung und zum Rentenpaket aber sind vor allem innerhalb der FDP umstritten.

Kritik von Verdi

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, kritisierte die Verzögerung beim Tariftreuegesetz und das Verhalten der FDP heftig. Er sagte den Funke-Zeitungen, die Verhinderung von Lohndumping durch eine nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung sei ein zentrales Projekt der Ampel-Koalition zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. „Wenn die FDP nach einem längst verkündeten Kompromiss nun das Tariftreuegesetz wieder infrage stellt, droht der Ampel-Koalition weiterer schwerer Schaden an ihrer politischen Glaubwürdigkeit“, warnte Werneke.

Zu den Aussagen hieß es aus dem Finanzministerium, Werneke irre. Es habe bislang keinen abschließenden Kompromiss gegeben.

Kampeter sagte: „Wenn Verdi jetzt die FDP kritisiert, dann trifft es die Falschen.“ Ein Mehr an Tarif erreiche man nicht mit Zwang, sondern mit flexiblen Tarifverträgen, lebendiger Sozialpartnerschaft und vertrauensvollen Miteinander. „Verdis Ruf nach dem Staat ist hingegen ein Ausdruck von gewerkschaftlicher Hilflosigkeit.“

FDP warnt vor Bürokratie

Der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg, sagte: „Das Tariftreuegesetz darf nicht zu zusätzlicher Bürokratie führen.“ Dieser Grundsatz sei auch im Koalitionsvertrag vereinbart. „Leider wird der bisherige Entwurf dieser Anforderung noch nicht gerecht. Daher ist eine ausführliche Prüfung durch das Finanzministerium richtig.“

Linke: SPD muss FDP in Schranken weisen

Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler sagte: „SPD und Grüne werden von der neoliberalen Erpressertruppe um Bandenchef Christian Lindner mal wieder vorgeführt. Arbeitsminister Heil und der Kanzler müssen endlich mal Rückgrat zeigen und die FDP in die Schranken weisen. Das ist er den Millionen Beschäftigten schuldig, die vom Tariftreuegesetz profitieren würden.“