Nachruf zum Tod der Unternehmerin Nachruf zum Tod der Unternehmerin: Johanna Quandt machte BMW zum Weltkonzern

Bad Homburg - Bleiben wird das Bild von der weißhaarigen Frau, die von ihrer Tochter Susanne Klatten und von ihrem Sohn Stefan Quandt flankiert wird. So inszenierte das Trio stets die seltenen öffentlichen Auftritte. Vor allem Johanna Quandt gab sich zeitlebens extrem wortkarg. Ihr war immer anzumerken, dass ihr das Rampenlicht unangenehm war. Das mit den Statements für Presse, Funk und Fernsehen übernimmt in der Regel der Sohn, und auch nur dann, wenn es unbedingt nötig ist. In einem der ganz wenigen in bewegten Bilder festgehaltenen Interviews sagt Johanna Quandt über ihr Tun: „Natürlich ist viel Verantwortung dahinter, es wird viel gearbeitet.“ Das war so etwas wie ihr Credo. In preußisch-pflichtbewusster Weise habe sie ihre Aufgaben erfüllt, berichtete der Sohn beim 80. Geburtstag seiner Mutter. Am Montag ist Johanna Quandt im Alter von 89 Jahren in ihrer Villa in Bad Homburg gestorben. Dort verbrachte sie zurückgezogen die letzten Jahre ihres Lebens.
Zu reich für ein Durchschnittsleben
In dem Interview sagt sie auch: „Wir leben völlig normal, wie viele andere Familien auch.“ Die Aussage war aber mehr Wunsch und Wille als Wirklichkeit. Für die Quandts kann es die Normalität des Durchschnittsbürgers nicht geben. Dafür sind sie zu reich. Die Familie gilt als die wohlhabendste in Deutschland. Das Gesamtvermögen dürfte mindestens bei 31 Milliarden Euro liegen. Johanna Quandt zählte nach der Liste des US-Magazins Forbes zu den zehn reichsten Frauen der Welt. In Deutschland lag sie auf Platz zwei – hinter ihrer Tochter. Rund elf Milliarden Euro wurden Johanna Quandt zugeschrieben – ihr Vermögen soll nun in der Familie bleiben.
Wie Johanna Quandt in die neue Rolle, als Ehefrau von Investor Herbert Quandt schlüpfte, lesen Sie im nächsten Abschnitt:
Schicksalsjahr 1960
Mit der Rolle als Superreiche hat sie zeitlebens immer gefremdelt. Die Lieblingsantwort auf die Frage, ob sie „die“ Frau Quandt sei, soll gewesen sein: „Ach ja, schön wär’s.“ Sie wurde nicht als Großindustrielle geboren, sondern als Johanna Maria Bruhn, Tochter eines Kunsthistorikers. Sie absolvierte eine Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin und arbeitete während des Zweiten Weltkrieges als Krankenschwester im Lazarett. Mitte der 1950er Jahre heuerte sie als Sekretärin im Büro von Herbert Quandt an, der heute Investor genannt würde. Sie wurde bald seine persönliche Assistentin. 1960 heiratete sie ihren Chef. Sie war seine dritte Ehefrau.
1960 ist ein Schicksalsjahr für die Familie, nicht nur wegen der Heirat. In diesem Jahr geht Herbert Quandt das riskanteste Vorhaben in der Geschichte der Familiendynastie an, den Umbau des damals schwer angeschlagenen Autobauers BMW. Das Münchner Unternehmen zählte vor 1945 zu den renommierten Motorrad- und Flugtriebwerksbauern in Deutschland. Die Produktionsanlagen werden im Krieg stark beschäftigt. Der Neustart mit einer Automobilproduktion will nicht so recht gelingen. Vom Schwung des Wirtschaftswunders kommt bei BMW nicht viel an. Es droht der Bankrott, deshalb will das Management das Unternehmen mit einer Übernahme durch Daimler-Benz retten. Doch Gewerkschafter, die Belegschaft und Kleinaktionäre legen sich quer.
Auf einer legendären Hauptversammlung im Dezember 1959 organisiert sich der Widerstand. Und Herbert Quandt lässt sich – gegen die dringende Empfehlung der beratenden Banker – dazu überreden, seinen Anteil an BMW zunächst auf rund ein Drittel der Aktien, später auf knapp 50 Prozent auszubauen. Quandt und die von ihm entsandten Manager machen sich in die Sanierung von BMW. Schon 1962 macht der Münchner Autobauer erstmals wieder Gewinne. Symbol der Wende wird der damals nagelneue BMW 700. Ein Kleinwagen, der in Konkurrenz zum sehr erfolgreichen und preiswerteren VW Käfer tritt. Der BMW 700 wird von den Wirtschaftswunder-Aufsteigern gekauft, die sich auch optisch abheben und zeigen wollen, dass sie es geschafft haben. Großaktionär Quandt wird als Retter von BMW gefeiert. Branchenkenner sehen im BMW 700 schon angelegt, was heute den bayerischen Autobauer ausmacht und mit Premium umschrieben wird: Teurer, schöner, technisch anspruchsvoller und prestigeträchtiger als der Massenmarkt will man sein. Großaktionär Quandt wird als Retter von BMW gefeiert. Die Profite steigen stetig über die Jahre. Der Bad Homburger Investor versteht es, diskret über den Aufsichtsrat die Fäden zu ziehen.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt weiter, wie Johanna Quandt von der Nebenrolle ins Rampenlicht gekommen ist.
Führungswechsel forciert
Johanna Quandt spielt bei BMW zunächst eine Nebenrolle. Das ändert sich schlagartig, als ihr Mann 1982 mit 71 Jahren überraschend stirbt. Das damals schon größte Privatvermögen Deutschlands mit Anteilen bei mehr als 200 Firmen wird in der Familie aufgeteilt. Der größte Vermögenswert ist die knapp 47prozentige BMW-Beteiligung. Johanna Quandt erhält 16,7 Prozent der Aktien, an Stefan gehen 17,4 Prozent und an Susanne 12,6 Prozent. Die Mutter ist jetzt plötzlich in der Rolle der Clanchefin. Sie übernimmt ein Mandat im BMW-Aufsichtsrat. Mit leiser Stimme, aber sehr entschieden habe sie Weichen im Sinne ihres Mannes gestellt, heißt es. BMW ist inzwischen zum größten und erfolgreichsten Premiumautobauer weltweit aufgestiegen. Die Witwe, die 15 Jahre lang in dem Kontrollgremium sitzt, soll einigen Anteil daran haben. „Begeisterung und Leidenschaft“ habe sie dem Unternehmen entgegengebracht, sagt der aktuelle BMW-Chef Harald Krüger.
1997 zieht sich Johanna Quandt aus dem BMW-Aufsichtsrat zurück. Doch die Tochter und Sohn machen in der vorgegebenen Manier weiter. Die Geschwister sollen unter anderem maßgeblich dafür verantwortlich gewesen sein, dass Vorstandschef Bernd Pischetsrieder gefeuert wurde, als sich die Übernahme des britischen Autobauers Rover als Desaster mit Milliarden-Verlusten erwies. Auch den nachfolgenden Chefwechsel von Joachim Milberg zu Joachim Panke sollen die beiden gefingert haben. Und Susanne Klatten wird zugeschrieben, vehement in den vergangenen Jahren die Neuorientierung von BMW forciert zu haben – hin zu einem Autobauer der Nachhaltigkeit groß schreibt. Deutlich wird das vor allem an den Elektroautos i3 und i8, für die eine eigene aufwendige umweltfreundliche Fertigung aufgebaut wurde. Krüger hat vor einigen Tagen angekündigt, dass die Elektroauto-Flotte demnächst vergrößert werden soll.
Stiftung zur Besserung des Wirtschaftsjournalismus gegründet
Doch die Quandts agierten auch auf der politischen Ebene, natürlich weitgehend geräuschlos: Sie spendeten jahrelang namhafte Summen für die FDP und die CDU. Besonders heftig wurde aber kritisiert, dass 2013 eine Großspende an die Union in Höhe von 690.000 Euro zu einer Zeit überwiesen wurde, als die Bundesregierung dafür sorgte, dass EU-Abgasgrenzwerte für Autos aufgeweicht wurden.
Johanna Quandts Stil diskret, aber bestimmt Dinge anzugehen, wurde auch auf anderen Feldern deutlich. 1995 gründete sie eine nach ihr benannte Stiftung, die sich um die Besserung des Wirtschaftsjournalismus bemüht. Da spielen ganz offenbar persönliche Erfahrungen mit den Medien eine Rolle. Ihr Mann hatte es schon früh mit einem schweren Augenleiden zu tun, das schließlich fast zur Erblindung führte. Viele Jahre las sie Herbert Quandt aus der Zeitung vor. Daraus entstand der Vorsatz, in den Medien die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen und Unternehmern in ein besseres Licht zu rücken. Um dies zu fördern, vergibt die Johanna-Quandt-Stiftung Stipendien an hoffnungsvolle Nachwuchsjournalisten und verleiht einmal im Jahr den mit 50000 Euro dotierten Herbert-Quandt-Medienpreis. Die Preisverleihungen waren die ganz wenigen Anlässe, bei denen sich Johanna Quandt in der Regel kritisch zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Politik äußerte. Viel mit den eigenen Erfahrungen hat auch zu tun, dass sie sich im Gesundheitswesen engagierte, ohne allzu viel Aufhebens davon zu machen. Doch es ging ihr neben der Hilfe für krebskranke Kinder und der Förderung der medizinischer Forschung auch darum, unternehmerisches Denken besser im Gesundheitssystem verankert werden können.
Die dunkle Seite der Quandts
Diskretion und Zurückhaltung können aber auch ins Negative umschlagen, können zum Verschweigen werden. Da wird eine dunkle Seite von Johanna Quandt und ihrer Familie sichtbar. Jahrzehntelang wurde kein Wort über die Rolle vieler Unternehmen des Clans in der Zeit des Nationalsozialismus verloren. Dabei gehörten wichtige Rüstungsbetriebe zum Firmenimperium. So fertigte die Firma AFA (später in Varta umbenannt) Batterien aller Art für die Wehrmacht und Marine - auch mit Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Erst der 2007 brachte der Dokumentarfilm „Das Schweigen der Quandts“ die Verstrickungen ans Licht. Eine offizielle Entschuldigung gegenüber den Überlebenden gab es nie. Aber immerhin räumte Stefan Quandt 2011 in einem Interview ein, dass die bedauernswerte Vergangenheit nun „in umgekehrter Weise ein Identifikationspunkt“ sei: „So wie unsere Vorfahren möchten wir bei der Verwaltung und Gestaltung eines großen Vermögens mit unserer Verantwortung nicht umgehen.“

