MWC in Barcelona MWC in Barcelona: Handyanbieter kämpfen gegen nachlassende Begeisterung
Es ist noch nicht allzu lange her, da fragten sich viele Zeitgenossen ernsthaft, wofür man ein Smartphone braucht. Wer heute eine sehr profunde Antwort bekommen will, sollte Menschen in einem Flüchtlingscamp befragen. Die Mini-Computer sind Lebensretter – sie sind das wichtigste Werkzeug, um dem Kriegshorror in Syrien oder im Irak zu entkommen. Sie dienen als Navigationsgerät und Wörterbuch. Sie machen per Whats App effiziente Kommunikation mit der alten Heimat möglich.
Für die Menschen in den reichen Industrienationen sind die schlauen Handys „zur Steuerungszentrale für viele Bereiche des täglichen Lebens geworden“, so der Hightechverband Bitkom. Kein technisches Gerät hat sich so schnell und so tief in der Lebenswelt der Menschen verankert wie das Smartphone. Gleichwohl stagniert es jetzt bei den Handyherstellern – auf der Mobilfunkmesse MWC diese Woche in Barcelona (22. bis 25. Februar) wird die Branche nach neuen Wegen suchen.
Unspektakuläre neue Spitzenprodukte
Als ein Höhepunkt wurde schon vor Beginn der Messe eine Show apostrophiert: die Vorstellung des neuen Flaggschiffs Galaxy S7 von Weltmarktführer Samsung am Sonntagabend. Doch schon zuvor war klar: Das wird nicht der große Wurf. Ein Display, das noch schärfere Bilder ermöglicht, ein paar Verbesserungen bei den Kamera, etwas mehr Hauptspeicher, um Daten noch schneller verarbeiten zu können und ein paar Feinarbeiten am Design.
Ähnlich sieht es beim Rivalen LG aus, der mit dem G5 ebenfalls ein eher unspektakuläres neues Spitzenprodukt am Sonntag präsentierte. Wird die Branche der permanenten Revolution langweilig? Keineswegs. Der Netzwerkausrüster Ericsson prognostiziert in seinem gerade erschienenen „Mobility Report“ sagenhafte Wachstumszahlen: Die monatliche Datenmenge, die mobile Geräte empfangen und senden, werde 2021 sechsmal so hoch liegen wie 2015 - die Revolution geht weiter.
Aber dafür brauchen viele Menschen zumindest erst einmal keine neuen Handys. Kein Wunder, gibt es doch laut Mobility Report derzeit auf dieser Erde mit 7,3 Milliarden fast so viel Mobilfunkverträge wie Menschen. Insbesondere in den entwickelten Weltgegenden ist die Vollversorgung nun erreicht, in Schwellenländern sind Smartphones weit verbreitet. Dazu passt, dass nach den Zahlen der Marktforschungsfirma Gartner Ende vorigen Jahres das Wachstum deutlich abbremste.
Geringfügige Vorteile
Die Prognosen der Analysten fallen nun immer bescheidener aus. Von einer Absatzsteigerung von nur noch drei bis vier Prozent ist derzeit die Rede, nicht mehr von zweistelligem Zuwachs wie in der Vergangenheit. „Verbraucher haben vielfach ein funktionierendes Gerät und sehen nicht den Vorteil eines geringfügig besseren Prozessors oder Bildschirms.“ So beschreibt Jürgen Morath von der Beratungsfirma Accenture die Lage hierzulande.
Dahinter steckt ein Prozess, der schon bei Personal Computern zu erkennen war: Die Technologie war ausgereizt. Echte Innovationen wurden nicht offeriert, weil sie zu teuer oder zu aufwendig. Das gilt bei Smartphones etwa für faltbare Displays, für integrierte Beamer oder für Zoomobjektive.
Keine Neuerungen bedeuten aber Nachfrageträgheit. Vor allem bei den Nobelsmartphones ist dies zu bemerken. Der iPhone-Absatz ging im Schlussquartal 2015 erstmals seit der Erfindung des Apple-Telefons zurück. Auch Samsung hat mit seinen Galaxy-Apparaten zu kämpfen. Gartner Analyst Anshul Gupta hat beobachtet, dass in Schwellenländern die Kunden immer häufiger ihr altes Mittelklasse-Geräte durch ein neues Mittelklassegerät ersetzen. Früher war das Neue sehr häufig ein Smartphone der Oberklasse. Dessen Anschaffung macht immer weniger Sinn. Denn inzwischen sind die preiswerten Geräte in technischer Hinsicht nah an Nobel-Handys herangerückt.
Schon jetzt stellen sich deshalb Branchenkenner die Frage, ob das S7 dafür taugt, die Marktanteile von Samsung in der Oberklasse zu halten. Denn die Konkurrenz wird härter. Der gefährlichste Herausforderer ist die chinesische Firma Huawei, die im vierten Quartal 2015 seinen globalen Absatz um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern konnte.
In Barcelona wollen die Chinesen womöglich ein neues Gerät präsentieren, das als Galaxy- und iPhone-Rivale antreten dürfte. Und der Handybauer Xiaomi, ebenfalls aus der Volksrepublik, wird auf seiner überhaupt ersten Pressekonferenz in Barcleona das Mi5 vorstellen. Es ist speziell für den europäischen Markt gedacht. Es dürfte kaum weniger können als das S7. Aber es wird wohl erheblich billiger offeriert. Das deutet an, worauf es mutmaßlich im Handygeschäft hinausläuft: auf Preiskämpfe. Wie so häufig in gesättigten Märkten.
Im vergangenen Jahr wurden weltweit 1,4 Milliarden Smartphones verkauft – 14 Prozent mehr als 2014. Allerdings flachte sich die Wachstumskurve zum Jahresende deutlich ab. Im letzten Quartal betrug der Zuwachs nur noch knapp zehn Prozent. Marktforscher erwarten, dass sich 2016 der Zuwachs weiter verlangsamt. Deshalb suchen Handyhersteller immer stärker nach neuen Produkten. Als Hoffnungsträger galten lange Tabletcomputer. Doch die Nachfrage geht zurück. Nur noch weniger als ein Viertel der Bundesbürger will sich dieses Jahr einen Tafelrechner zulegen, deutlich weniger als vor einem Jahr. Das hat eine Befragung der Beratungsfirma Accenture ergeben. Großes erwarten Samsung, Sony und Co auch von Smartwatches. Doch hier ist die Nachfrage noch geringer. Nur acht Prozent der Bundesbürger interessieren sich für ein Gerät am Handgelenk. Weltweilt wurden 2015 nach Berechnungen des Analysehauses Strategy Analytics 8,1 Millionen Computer-Uhren verkauft – das waren viermal so viele wie 2014 und erstmals mehr als Schweizer Uhren. Im Vergleich zum Smartphone-Absatz ist die Menge dennoch winzig.