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Konjunktur Milliardenschweres Wachstumspaket passiert Bundesrat

Monatelang haben Bund und Länder um ein Wachstumspaket für die Wirtschaft gerungen. Schon direkt nach dem Beschluss kündigt Finanzminister Lindner an: Da soll noch mehr kommen.

Von Theresa Münch und Martina Herzog, dpa Aktualisiert: 22.03.2024, 12:15
Ein Blick von Außen auf das Bundesratsgebäude. Das Wachstumspaket sieht unter anderem Steuerentlastungen und Bürokratieabbau für Unternehmen vor.
Ein Blick von Außen auf das Bundesratsgebäude. Das Wachstumspaket sieht unter anderem Steuerentlastungen und Bürokratieabbau für Unternehmen vor. Demy Becker/dpa

Berlin - Das milliardenschwere Wachstumspaket mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau für Unternehmen ist beschlossen. Der Bundesrat stimmte dem sogenannten Wachstumschancengesetz nach Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mehrheitlich zu.

Die Wirtschaft allerdings zeigte sich enttäuscht und warnte, einen echten Wachstumsimpuls brächten die Maßnahmen wohl nicht. Auch Finanzminister Christian Lindner erklärte nur Minuten später auf X (früher Twitter), das Paket sei zwar ein wichtiges Signal. „Aber sein Volumen ist wesentlich kleiner als ursprünglich von mir geplant.“

Es müssten nun weitere Schritte folgen, um die Lage der Wirtschaft zu verbessern: „Wir müssen an allen Rahmenbedingungen Verbesserungen vornehmen - Arbeitsmarkt, bürokratische Belastung, Energiepolitik, steuerliche Belastung - um im internationalen Standortranking wieder nach vorne zu kommen“, sagte der Finanzminister in Berlin. Mitbewerber auf der Welt und in Europa seien bereits in den vergangenen Jahren entlastende Schritte für Unternehmen gegangen. Denen müsse Deutschland folgen. „Wir arbeiten daran“, versprach der FDP-Politiker.

Besonders Immobilienwirtschaft könnte profitieren

Der Industrieverband BDI zeigte sich angesichts des Hickhacks vor dem Beschluss zwar erleichtert, warnte aber zugleich: „Einen deutlich spürbaren Wachstumsimpuls werden diese steuerlichen Entlastungen nicht setzen.“ Dafür sei das Paket zu stark zusammengekürzt worden. Im harten steuerpolitischen Standortwettbewerb sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte noch vor der Sommerpause „eine konkrete Reformagenda mit Entlastungen, die schnell im betrieblichen Alltag ankommen.“

Der Immobilienverband ZIA begrüßte vor allen die steuerlichen Anreize für mehr Wohnungsbau als „wichtiges Signal an die Immobilienwirtschaft, wieder mehr Investitionen anzugehen“. Das könne beim Wohnungsbau den Schub auslösen, den Mieterinnen und Mieter dringend brauchten. Mit dem Gesetz kann die Bau- und Immobilienbranche Investitionskosten schneller steuerlich abschreiben. Das soll dafür sorgen, dass schneller wieder Geld für neue Investitionen zur Verfügung steht.

Bauministerin Klara Geywitz erklärte: „Sechs Jahre lang jeweils fünf Prozent der Investitionskosten abschreiben - das ist richtig großer Impuls für den Wohnungsbau in Deutschland.“ Die neuen Abschreibungsmöglichkeiten gelten demnach auch rückwirkend für alle Bauprojekte, die ab Oktober 2023 begonnen wurden und einen gewissen Klimaschutzstandard (Effizienzstandard 55) erfüllen.

Rundumschlag für alle Branchen

Grünen-Chef Omid Nouripour sprach von wichtigen Impulsen für die Wirtschaft. „Durch die deutliche Erhöhung der steuerlichen Forschungsförderung, ganz besonders für kleine und mittlere Unternehmen, geben wir der Technologieführerschaft des deutschen Mittelstands einen Anschub.“

Ursprünglich sollte das Gesetz ein Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anregt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Bundestag war das Gesetz beschlossen worden, doch die Länder stoppten es danach im Bundesrat und schickten es in den Vermittlungsausschuss, weil sie hohe Einnahmeausfälle befürchteten.

Im Vermittlungsverfahren, in dem Vertreter von Bundestag und Bundesrat Kompromisse suchen, wurde das Volumen des Gesamtpakets von einst geplanten sieben Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden pro Jahr zusammengestrichen. Eine einst geplante staatliche Prämie für Klimaschutz-Investitionen soll es nun doch nicht geben.

Geblieben sind unter anderem die steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Anrechenbarkeit von Verlusten bei der Steuererklärung und der Abbau bürokratischer Hürden. Meldeverfahren und Buchführungspflichten sollen vereinfacht und Daten statt auf Papier elektronisch übermittelt werden. Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) kritisierte, das Paket sei von Anfang an zu klein gewesen, die Entlastungswirkung „von Anfang an nur homöopathisch“.

Entlastungen für Agrarbranche angekündigt

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), warb vor der Abstimmung um Unterstützung: „Ich glaube, wir können es uns nicht leisten, in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage Deutschland zu schaden, indem wir parteipolitisch an dieser Ecke agieren.“ Ihre Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die den Vermittlungsausschuss mit geleitet hatte, mahnte: „Die Wirtschaft braucht dringend diese Impulse.“

CDU und CSU hatten ihre Zustimmung aber davon abhängig gemacht, dass die Bundesregierung Landwirtinnen und Landwirte entlastet. Sie verlangten, dass Kürzungen bei den Subventionen für Agrardiesel zurückgenommen werden. Alternativ müssten die Bauern über andere Maßnahmen im selben Volumen entlastet werden. Hessel kritisierte: „Ich kann aber nicht verstehen, wie man Sachen in Geiselhaft nehmen kann und dafür ein ganzes Land stillstehen lassen kann.“ Herrmann hingegen erklärte: „Die Landwirtschaft muss sich wirklich bei dieser Bundesregierung verraten und verkauft fühlen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“

Die Bundesregierung hat inzwischen zwar Erleichterungen für die Agrarbranche in Aussicht gestellt, legte bis zur Abstimmung im Bundesrat aber kein Paket mit konkreten Maßnahmen vor. Man sei „im engen Kontakt mit dem Berufsstand“, teilte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) lediglich mit. Vorbereitet werden demnach Erleichterungen bei der Einkommensteuer und eine Stärkung der Bauern in der Wertschöpfungskette. Vor allem gehe es aber um einen Abbau von Bürokratie.