Milch Milch: Wie sich Landwirte aus Sachsen-Anhalt gegen die Großmolkerei DMK wehren

Hedersleben/Halle - Die Kündigung hat Landwirt Lutz Trautmann bereits auf seinem Tisch liegen. Zum 31. Dezember 2017 ist Schluss. Dann wird die Harzer Agrargenossenschaft Hedersleben die Großmolkerei „Deutsches Milchkontor“ (DMK) nicht mehr beliefern. Trautmann hat die Kündigung selbst eingereicht: „Unsere DMK zahlt schon über Jahre weniger als andere Molkereien in Deutschland. Zuletzt lag die Differenz bei bis zu fünf Cent je Liter.“ Er sagt „unsere“, denn der Milchviehbetrieb ist Genossenschaftsmitglied bei der Molkerei. Die Entscheidung sei ihm daher nicht leicht gefallen. „Doch sehe ich nicht, dass die DMK-Führung ausreichend unsere Interessen vertritt“, sagt Trautmann. Zuletzt habe er lediglich 23,5 Cent für den Liter Milch erhalten.
Konzern aus Fusion entstanden
Die DMK mit Sitz im niedersächsischen Zeven ist mit einem Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro die mit Abstand größte Molkerei in Deutschland. Sie ist als Genossenschaft organisiert. Das heißt, die Lieferanten sind gleichzeitig die Eigentümer. Der Konzern entstand 2011 durch den Zusammenschluss von Nordmilch und Humana . Er ist vor allem in Nord- und Ostdeutschland sowie Nordrhein-Westfalen tätig. Damals hatte das fusionierte Unternehmen noch 11.000 Höfe, die ihre Milch an DMK lieferten. Heute sind es noch 8.300. Um den deutlichen Rückgang richtig einzuordnen, muss jedoch gesagt werden, dass rund 2.000 Betriebe aufgaben oder fusionierten.
Die deutsche Molkereiwirtschaft ist mehrheitlich genossenschaftlich organisiert. 70 Prozent der Milchmenge wird in Betrieben verarbeitet, die den Landwirten gehören. Die größte Privatmolkerei ist Müller. Das DMK ist der Branchenprimus mit einem Marktanteil von 22 Prozent. In den vergangenen Jahren sind ausländische Wettbewerber wie Arla (Dänemark) und Friesland-Campina (Niederlande) besonders stark gewachsen.
Dennoch: „Dem Unternehmen laufen aufgrund einer verfehlten Geschäftspolitik die Zulieferer davon“, sagt der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. Bereits Nordmilch und Humana hätten stets auf Masse anstatt auf Markenprodukte gesetzt. „Dann haben sich die beiden Kranken zusammen ins Bett gelegt, in der Hoffnung, ein Gesunder steht wieder auf“, sagt Foldenauer. In den vergangenen 18 Monaten, als die Milchpreise stark gesunken waren, seien die Defizite besonders sichtbar geworden.
Verärgert ist Landwirt Trautmann nicht nur wegen der niedrigen Preise. Sein Unternehmen hat aktuell 2.000 Rinder in den Ställen, davon 320 Milchkühe. Der Betrieb hat eine sogenannte Andienungspflicht. Er muss seine Milch an die DMK-Molkereien abgeben. Der Auszahlungspreis, der erst einen Monat später fest steht, ist nicht verhandelbar. „Wir sind sozusagen Restgeld-Empfänger“, sagt Trautmann. „Preisverhandlungen und Vertragsgestaltungen sind nicht möglich und nicht gewollt.“ Durch die lange Kündigungsfrist sei ein Wechsel zu einer anderen Molkerei schwierig. So wie Trautmann denken inzwischen viele Vertragspartner der Molkerei.
DMK will die Gemüter der regionalen Erzeuger beruhigen
Von Mitte Oktober bis Anfang November 2016 reiste der DMK-Vorstand quer durch Deutschland zu insgesamt neun regionalen Mitgliederversammlungen, um die Gemüter zu beruhigen. DMK-Sprecher Hermann Cordes betont, dass die von DMK ausgezahlten Milchpreise im Jahresmittel nur einen bis 1,5 Cent unter dem deutschen Durchschnitt lagen. Das schließt nicht aus, dass der Preisabstand zu einigen Privatmolkereien in Süddeutschland einige Cent beträgt.
„Doch selbst ein Cent ist bei den großen Milchmengen von Bedeutung“, sagt Katrin Seeger, Geschäftsführerin der Erzeugergemeinschaft für Milchproduzenten. 38 Milchviehbetriebe aus Sachsen-Anhalt vermarkten darüber im Jahr 134 Millionen Liter Milch. „Ein Cent ist in einem Betrieb ein fünfstelliger Betrag“, so Seeger. Viele Betriebe in der Erzeugergemeinschaft würden derzeit prüfen, ob sie die Molkerei wechseln . Und nicht nur da. Weitere acht Prozent der DMK-Lieferanten in Deutschland könnte das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren verlieren, wenn alle eingereichten Kündigungen wirksam werden.
Wachstum von DMK blieb zuletzt hinter den Erwartungen zurück
Was läuft schief bei der Molkerei? Die beiden Vorgänger-Firmen Nordmilch und Humana setzten vor allem auf Standardprodukte wie H-Milch, die schnell unter Preisdruck geraten. DMK besitzt mit Milram nur eine starke nationale Marke. Der Anteil der Markenprodukte am Umsatz betrage zehn Prozent, sagt DMK-Sprecher Cordes. In den vergangenen Jahren legte Firmenchef Ingo Müller den Fokus auf die Restrukturierung der Standorte. Einige, wie etwa der Milchhof Magdeburg, wurden geschlossen, andere modernisiert. Eine halbe Million Euro wurde dafür seit 2011 investiert. Müller setzt zudem auf eine straffe Expansion ins Ausland. Mit der Marke „Oldenburger“ will er beispielsweise in China und Russland erfolgreich sein. Doch das Wachstum blieb zuletzt hinter den Erwartungen zurück oder wurde durch das russische Embargo ausgebremst. In Deutschland hat es DMK etwa im Joghurt-Bereich gegen Wettbewerber wie Müller oder Ehrmann schwer, Marktanteile zu gewinnen.
250 Stellen fallen weg
Die Konsequenz: Um Kosten zu sparen werden nun 250 Stellen in der Verwaltung gestrichen. Das wird auch einige Landwirte etwas besänftigen, die von einem zu „großen Wasserkopf“ in der Zentrale sprechen. Zudem sind Übernahmen in Deutschland in der nächsten Zeit kein Thema mehr.
Foldenauer glaubt nicht, dass das ausreicht, um die Probleme zu lösen: DMK habe „ein Professionalitätsproblem“. Daran seien die Eigentümer, die Landwirte, nicht ganz unschuldig. Sie hätten die bisherige Strategie mitgetragen oder sogar gewollt. „Als VW-Fahrer weiß ich doch auch nicht, welche Absatzstrategie der Autokonzern verfolgen muss“, sagt Foldenauer.
Zudem verfolgen die Landwirte als Eigentümer keine einheitliche Strategie. Die Interessen größerer ostdeutscher Höfe sind nicht immer die von westdeutschen Kleinbetrieben. Landwirt Trautmann will auf Veränderungen bei DMK nicht mehr warten. Er hat sich inzwischen neue Abnehmer gesucht. (mz)