Medikamente Medikamente: Code soll Fälschung verhindern

Berlin - Bei Arzneimittelfälschungen denken viele an wirkungslose Potenzpillen oder Schlankmacher aus dubiosen Shops in den Tiefen des Internets. Wer dem oft wiederholten Rat folgt, dort nichts zu bestellen, kann diesem Risiko leicht aus dem Weg gehen. Doch in den vergangenen Jahren tauchten auch in der regulären Arzneimittelversorgung über Apotheken immer wieder Fälschungen auf.
Betroffen sind unter anderem sehr teure Krebs- und Aids-Präparate, deren Wirkstoffe verdünnt oder ganz ausgetauscht wurden. Pharmaindustrie und Apotheken arbeiten jedoch bereits an einem System, um die Sicherheit deutlich zu erhöhen. Bis das Verfahren lückenlos funktioniert, werden aber noch einige Jahre vergehen.
Medikamentenfälschung in letzten Jahren massiv angestiegen
„Mit Blick auf den Patientenschutz bereiten uns die Arzneimittelfälschungen gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln große Sorge“, sagt der Chef des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm), Karl Broich. Allein zwischen 2010 und 2015 registrierte seine Behörde eine 30-fache Steigerung der Fälschungsmeldungen in den legalen Vertriebswegen.
Man könne beobachten, dass sich Fälschungen verstärkt zu einem Handlungsfeld der organisierten Kriminalität entwickelten, betont Broich „Fälscher nehmen dabei in Kauf, dass schwer kranke Patienten möglicherweise mit gestreckten oder komplett unwirksamen Substanzen behandelt werden“, so der Behördenchef.
Der bisher größte Fall war die Fälschung eines Krebsmedikaments
Der bisher größte Fall zeigt, wie die Täter vorgehen. 2014 waren europaweit Fälschungen des Krebsmittels Herceptin aufgetaucht. Die Spur führte nach Italien, wo die Originalpräparate aus Kliniken gestohlen worden waren. Die Täter streckten die Arzneimittel, tauschten sie zum Beispiel gegen ein Antibiotikum aus oder nutzten die Verpackungen als Vorlage für weitere Fälschungen.
Über Großhändler gelangte die manipulierte Ware auch nach Deutschland. Der Betrug war schwer zu erkennen, schließlich stimmten die Chargennummern. Er fiel erst auf, als aufmerksame Händler Unregelmäßigkeiten bei einigen Verpackungen bemerkten.
„Arzneimittelfälschungen können jeden betreffen“, sagt auch Reinhard Hoferichter, Vorstandssprecher der Initiative Secur-pharm. Die Organisation wurde von Pharma-, Großhandels- und Apothekerverbänden gegründet, um in Deutschland die Vorgaben der EU zur Verhinderung von Fälschungen umzusetzen.
Die „Fälschungsschutzrichtlinie“ sieht vor, dass ab Februar 2019 nur noch verschreibungspflichtige Medikamente in Verkehr gebracht werden dürfen, die bestimmte Sicherheitsmerkmale tragen. In Deutschland betrifft das pro Jahr immerhin 700 Millionen Packungen.
Durch die neue Richtlinie wird jede Schachtel zum Unikat
Künftig erhält jede Packung eine individuelle Seriennummer. Sie wird in Form eines sogenannten Data-Matrix-Codes aufgedruckt. Er ähnelt im Aussehen den bekannten QR-Codes für Internet-adressen. In dem Arzneimittelcode ist nicht nur die Seriennummer enthalten, sondern zum Beispiel auch das Verfallsdatum. „Jede Packung wird zum Unikat“, erklärt Hoferichter das Verfahren.
Die individuelle Nummer allein würde noch nicht reichen, Fälschungen zu verhindern, schließlich könnten auch diese Daten manipuliert werden. Deshalb werden die von den Pharmafirmen bei der Produktion vergebenen Nummern in einer Datenbank abgelegt. Bei der Abgabe des Medikamentes in der Apotheke wird der Code auf der Packung gescannt mit den Informationen in der Datenbank abgeglichen.
Dabei wird überprüft, ob der Hersteller diese Nummer überhaupt vergeben hat oder ob ein Medikament mit derselben Nummer womöglich schon einmal in einer anderen Apotheke abgegeben wurde. Ist alles in Ordnung, wird die Packung „ausgebucht“.
Stellt der Apotheker jedoch fest, dass irgendetwas nicht stimmt, hält er dieses Medikament zurück und der Kunde erhält eine andere Packung. Der Fälschungsverdacht wird anschließend untersucht. Zusätzlich muss jede Packung künftig so gestaltet werden, dass sie beim Öffnen beschädigt werden muss, also zum Beispiel durch eine verklebte Faltschachtel. Das soll die Sicherheit zusätzlich erhöhen.
Das System läuft im Testbereich erfolgreich
Das System läuft bereits erfolgreich im Testbetrieb. Die Entwickler von Securpharm gehen davon aus, dass sie damit den Fälschern das Handwerk maximal erschweren. Es sei zwar unseriös, eine 100-prozentige Sicherheit zu versprechen, so Vorstandssprecher Hoferichter. „Aber ich bin davon überzeugt, dass unser System ein Höchstmaß an Sicherheit bieten wird.“
Auch Bfarm-Chef Broich ist optimistisch. Die neuen Sicherheitsmerkmale ermöglichten eine verlässliche Echtheitsprüfung, lobt er. Zudem sei der Weg von Medikamenten so besser nachvollziehbar.
Fälschungen sind trotzdem möglich, aber extrem aufwändig
Austricksen lässt sich auch dieses System. So kann ein Fälscher den aufgedruckten Code kopieren und auf ein manipuliertes Medikament aufbringen. Da allerdings jeder Code nur einmal gültig ist, müsste der Fälscher für jede in Verkehr gebrachte Packung einen anderen gültigen Barcode kopieren. Das ist extrem aufwändig und damit unattraktiv.
Den Securpharm-Verantwortlichen macht hingegen etwas anderes Sorgen. Im Gegensatz zu Deutschland seien viele EU-Länder bei der Umsetzung der Brüsseler Vorgaben noch hinter dem Zeitplan, berichtet Hoferichter. Sie müssten Gas geben, fordert er. Denn ein lückenloses Sicherheitsnetz sei ein wichtiger Schutz gegen gefälschte Arzneimittel.