Luftfahrtmuseum Wernigerode Luftfahrtmuseum Wernigerode: Der etwas andere Museumsdirektor

Wernigerode/MZ - Blank polierter Edelstahl: Clemens Aulich streicht mit der Hand über die Tragflächen der HF-24 Marut. Das indische Kampfflugzeug, das sich mit „Windgeist“ übersetzen lässt, ist eine seiner neuesten Erwerbungen. Aulich arbeitet bisher als Auto-Manager und Unternehmer. Seine Leidenschaft gehört allerdings Flugzeugen und dem Fliegen. Wie andere Briefmarken oder Oldtimer sammeln, erwirbt der 52-Jährige ausrangierte Fluggeräte. Mit seiner Frau Madeleine baute er in den vergangenen Jahren das private Museum für Luftfahrt und Technik in Wernigerode auf. Die Ausstellung gehört mit mehr als 50 Flugzeugen und Hubschraubern sowie 50 000 Besuchern in diesem Jahr inzwischen zu den fünf großen Flugzeugmuseen Deutschlands. Wie war dies denn möglich?
Mit sechs Jahren hat Aulich angefangen zu sammeln: Zunächst stapelten sich Steuerknüppel und Motorenteile im Kinderzimmer. Im Garten der Eltern stellte er sein erstes Flugzeug - eine Cessna 172 - auf. „Die Nachbarn dachten zunächst, es handle sich um moderne Kunst“, sagt Aulich. Die Faszination hat sein Großvater ausgelöst. Dieser arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem als Fluglehrer in Braunschweig, Aulich verbrachte seine Ferien auf dem Flugplatz.
Mit Kerosin im Blut studierte er Maschinenbau und Medizin. Sein Ziel war der Aufbau einer eigenen Medizintechnik-Firma. Am Ende landete er beim Autokonzern Volkswagen in Wolfsburg, wo er Fabriken baute. Sein Planungstalent ist nach der Wende in Wernigerode bei der Neuausrichtung des Elektro-Motorenbauers VEM gefragt gewesen. VEM ist noch heute einer der großen Industriebetriebe im Harz. Eine ungenutzte Halle mietete Aulich für sich privat an.
Schau eröffnete 1999
„Der Fall des Eisernen Vorhangs ist auch für Flugzeugsammler ein großes Geschenk gewesen“, erzählt der Unternehmer. Nach 1990 seien im Ostblock Käufe - wie der Erwerb einer russischen MIG - möglich gewesen, die einst undenkbar schienen. Die meisten der Flugzeuge seien allerdings nicht mehr flugtüchtig. Aulichs Sammlung wuchs. Doch die Flugzeuge und Hubschrauber fristeten ihr Dasein in Scheunen von Freunden und auf Bauernhöfen in ganz Deutschland. In Wernigerode fanden sie nun ein gemeinsames Dach. Mit einer kleinen Gruppe älterer Schlosser und Maschinenbauer machte sich Aulich an die Arbeit, die Flugzeuge originalgetreu aufzubauen. Seit 1999 sind die Hallentore auch für Besucher geöffnet - zu Beginn mit nur drei Fluggeräten. „Wir haben damals viel für Dritte rekonstruiert und kleine Industrieaufträge angenommen“, erzählt Aulich. Die Schau hatte nur einen „angeschlossenen Besucherverkehr.“ Der Ingenieur ist seit 2003 Geschäftsführer des Automobilzulieferers Ifa-Rotorion aus Haldensleben bei Magdeburg. „Dies ist ein 24-Stunden-Job“, sagt der Manager. Darüber hinaus ist er noch an Unternehmen etwa aus der Flugzeugbranche beteiligt.
Die Ausstellung wäre ohne Madeleine Aulich wohl auch im Dornrösschen-Schlaf geblieben. Sie machte aus der Technik-Schau ein familienfreundliches Museum. Eine Cafeteria samt Kinderspiel-Ecke wurde eingerichtet, ein Audio-Gerät für Kinder und Erwachsene führt nun durch die Hallen, in denen Hubschrauber, Propeller-Flugzeuge und Düsen-Jets stehen. Aulich zeigt etwa auf einen großen blau-weiß lackierten Hubschrauber, der einst der Royal Air Force gehörte. Der sogenannte Westland Whirlwind ist mit Ledersesseln für die Fluggäste ausgestattet. „Der Hubschrauber diente für Flüge der königlichen Familie“, erzählt er. „Lady Di ist damit geflogen.“ In einem anderen Ausstellungsraum mit Flughelmen ist ein Astronauten-Anzug der US-Weltraumorganisation Nasa ausgestellt - dazu kurze Erläuterungen. „In diesem Jahr haben wir erstmals mehr als 50 000 Besucher“, sagt Aulich.
Das Luftfahrtmuseum, das acht Mitarbeiter beschäftigt, arbeitet ohne staatliche Zuschüsse. Auch der Aufbau und der Ankauf von Geräten erfolgt ohne Fördermittel. Dennoch wird das Museum nach Worten des Inhabers 2013 wohl schwarze Zahlen schreiben. „Die Einnahmen durch die Besucher haben sich deutlich erhöht.“ Auch in der Vergangenheit habe er darauf geachtet, dass kein „Geld verbrannt wird“. Die Mechaniker werden teilweise über Aufträge für anderen Flugzeugfans finanziert.
Ziel sind 100 000 Besucher
Im kommenden Jahr will Aulich sein Hobby zum Beruf machen. Den Führungsposten bei Ifa gibt der Vater von zwei Kindern auf, um die Erweiterung des Museums voranzubringen. Die Ausstellungsfläche soll durch den Bau einer neuen Halle deutlich vergrößert werden. Dabei entsteht auch ein neues Besucherzentrum mit Cafeteria und Museumsshop. Etwa zwei Millionen Euro sollen investiert werden. „In einigen Jahren wollen wir 100 000 Besucher anziehen.“ Die Aulichs, die in Wernigerode leben, halten das Ziel für realistisch. „Der Tourismus in der Harzregion bietet genügend Potenzial.“
Aus dem Sammler Aulich ist ein Museumsdirektor geworden. Die Wernigeröder kooperieren mit dem Deutschen Museum in München und dem Militärhistorischen Museum in Dresden. Dies macht es möglich, Flugzeuge zu beschaffen, die normale Sammler auch für viel Geld nicht erwerben könnten. Aulich verfügt über gute Kontakte zu Bundesbehörden. Weltweite Zukäufe werden so leichter. „Unsere Leistungen bei der Rekonstruktion werden in Fachkreisen geschätzt“, freut sich der Flugzeug-Liebhaber, der sich künftig auch mehr Zeit nehmen will für seine andere Leidenschaft: das Fliegen.