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Leitzins auf Rekordtief Leitzins auf Rekordtief: EZB reagiert auf Rezession

Von Stephan Kaufmann 02.05.2013, 12:47
Die Euro-Skulptur steht in Frankfurt am Main (Hessen) vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Leitzins ist auf Rekordtief von 0,5 Prozent.
Die Euro-Skulptur steht in Frankfurt am Main (Hessen) vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Leitzins ist auf Rekordtief von 0,5 Prozent. dpa Lizenz

Frankfurt (Main)/MZ - Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich gegen die Konjunkturflaute in Europa. Gestern beschloss sie, die Leitzinsen zu senken und den Banken weiter unbegrenzte Liquidität zur Verfügung zu stellen. Zudem sollen auch kleineren und mittleren Unternehmen der Zugang zu Krediten erleichtert werden. Gleichzeitig deutete EZB-Chef Mario Draghi Verständnis für jene Staaten an, die sich bei den Sparbemühungen mehr Zeit lassen wollen. Sie dürften ihre bisher erreichten Erfolge jedoch „nicht zunichte machen“, mahnte er.

Erholung lässt auf sich warten

Inzwischen ist klar: Die von der EZB vorausgesagte Erholung der Konjunktur in der Euro-Zone verschiebt sich. Frühindikatoren wie die Einkaufsmanager-Indizes stagnieren in den Krisenstaaten auf niedrigem Niveau. Besorgnis erregt besonders die Tatsache, dass inzwischen auch die Stütze der Euro-Wirtschaft Risse zeigt: Deutschland. Im April schrumpfte erstmals dieses Jahr die deutsche Industrieproduktion, sagt der Informationsdienstleister Markit nach einer Umfrage unter 500 Betrieben voraus. Die Neuaufträge seien den zweiten Monat in Folge gesunken – und zwar so stark wie seit Jahresbeginn nicht mehr. Die deutsche Industrieproduktion wird nach Prognosen der Deutschen Bank daher dieses Jahr stagnieren. Den Vorzeigebranchen Maschinen- und Autobau stehe sogar ein Rückgang von ein bis zwei Prozent bevor. Daher beschloss die EZB eine Senkung des Leitzinses von 0,75 auf das Rekordtief von 0,5 Prozent. Zu diesem Zins können sich Banken bei der EZB Liquidität besorgen. Die Hoffnung ist, dass die Banken diese niedrigeren Zinsen an die Kunden weitergeben, dadurch mehr Kredit genommen und das Wirtschaftswachstum angefacht wird. EZB-Chef Draghi schloss weitere Zinssenkungen nicht aus. „Wir sind bereit, zu handeln“, sagte er. Daneben könnten sich die Banken in der Euro-Zone noch bis Juli 2014 unbegrenzt Geld bei der EZB leihen, kündigte Draghi an.
Die Zinssenkung wurde allgemein begrüßt, ihre Wirkung jedoch auch angezweifelt: Aufgrund des bereits extrem niedrigen Zinsniveaus werde der Zinsschritt „nur äußerst geringe Auswirkungen auf die Kreditvergabe der Banken haben“, kommentierte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. „Die hohen Kreditzinsen für kleine und mittlere Unternehmen in einigen Euro-Staaten könnten jedenfalls nicht mit der heutigen Zinssenkung behoben werden.“ Draghi kündigte daher weitere Hilfe für die kleinen und mittleren Unternehmen an. Gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) will man Wege finden, wie die Geschäftsbanken ihre Kredite an den Mittelstand zusammenfassen und zu handelbaren Wertpapieren (ABS) verpacken können.

Sparer haben das Nachsehen

Die neue Zinssenkung sei „kein gutes Signal für Sparer“, meint Marcus Preu vom Finanzportal Biallo. Das durchschnittliche Zinsniveau beim Tagesgeld betrage derzeit 0,73 Prozent, Spitzenanbieter zahlten noch bis zu 1,66 Prozent. „Bei der derzeitigen Inflationsrate von 1,2 Prozent bedeutet dies, dass bei einzelnen Anbietern in bescheidenem Umfang die Möglichkeit einer Rendite besteht und das Kapital nicht durch den allgemeinen Preisanstieg aufgefressen wird.“ Beim Festgeld seien die Renditemöglichkeiten „ein bisschen besser“ als beim Tagesgeld, sagte Preu. Bei einem Anlagehorizont von zwölf Monaten zahle der beste Anbieter 1,87 Prozent Zinsen bei einer Anlagesumme von 5 000 Euro, der Durchschnitt liege bei 0,87 Prozent. Bei 36 Monaten Anlagedauer seien beim besten Anbieter 2,25 Prozent zu haben und 1,14 Prozent im Schnitt aller verglichenen 114 Anbieter.