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Lebensmittelklarheit.de Lebensmittelklarheit.de: Wenn Etiketten die Käufer bewusst täuschen

Von Stefan Sauer 13.07.2016, 14:25
Häufig dehnen Lebensmittelhersteller gesetzliche Spielräume bis an die Grenze des Legalen - zum Leidwesen der Kunden.
Häufig dehnen Lebensmittelhersteller gesetzliche Spielräume bis an die Grenze des Legalen - zum Leidwesen der Kunden. dpa

Berlin - „Costa Pacific Prawns“ entpuppen sich als Schalentiere aus honduranischer Teichzucht. In „Vidal Erdbeer Schnüren“ sind Erdbeeren nicht enthalten. Dafür besteht „ungesüßtes“ Cappuccino-Pulver zu 46 Prozent aus Zucker. Deutscher Kuhmilchkäse wirbt in griechischer Schafskäseaufmachung um Käufer, milchhaltige Schokolade wird als „vegan“ vermarktet, Almighurt Vanilla kommt ohne Vanille aus.

Es ist eigentlich wie immer in den vergangenen Jahren: Lebensmittelhersteller dehnen gesetzliche Spielräume bis an die Grenze des Legalen, und das Portal Lebensmittelklarheit.de präsentiert die irreführenden Etiketten, mangelhaften Inhaltsangaben und täuschenden Produktbezeichnungen im Internet.

788 mal Verbraucher getäuscht

Seit dem Start der Seite am 20. Juli 2011 haben Verbraucher mehr als 9000 solcher Mängel auf der Seite des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (Vzbv) gemeldet. Insgesamt 788 Produkte wurden in die Liste der Täuschungen aufgenommen und veröffentlicht. Vier von zehn Beschwerden betreffen „nicht eingehaltene Zutatenversprechen“, also zum Beispiel Zutaten, die auf dem Etikett zwar prominent, im Produkt selbst aber nicht oder kaum präsent sind. Häufig werden auch täuschende Angaben moniert, eine „Traditionelle Rezeptur“ etwa, die neben Salz und Pfeffer vornehmlich aus künstlichen Farb-, Aroma- und Konservierungsstoffen besteht.

Irreführende Herkunftskennzeichnungen und diffuse Verheißungen aus der Kategorie „Wundermittel für die Schönheit“ bieten ebenfalls immer wieder Anlass zur Kritik.

Dabei werden nicht alle Kundenhinweise auf Lebensmittelklarheit.de veröffentlicht. „Wir nehmen nur Meldungen auf, bei denen das Gefühl der Verbraucher, getäuscht worden zu sein, plausibel ist“, sagt Vzbv-Chef Klaus Müller. Bloßer Missmut, etwa über den Geschmack, belege noch keine Irreführung. Auf der anderen Seite gelangen  grobe Rechtsverstöße ebenfalls nicht auf  Liste. Solche Fälle landen vor Gericht. „Lebensmittelklarheit bildet eine Grauzone ab, in der sich Verbraucher nachvollziehbar getäuscht fühlen, ohne dass es sich dabei eindeutig  um gerichtsfeste Tatbestände handelt“, sagt Müller.

Was aber empfinden normale Menschen als irreführend oder täuschend? Um dem „Alltagsverständnis“ auf  die Spur zu kommen, führen die Verbraucherschützer regelmäßig Befragungen durch: Werden vorgebackene Fabrikbrötchen als „frisch“ wahrgenommen? Weckt eine italienische Fahne auf dem Etikett die Erwartung an ein Erzeugnis aus Italien? Glauben Käufer von „Sylter Käse“ an die Herkunft vor der Insel? Zu 80 Prozent schon, um letzte Frage zu beantworten. Daraus zieht der VzbVv dann den Schluss, dass die Bezeichnung irreführend sei, da der Käse mit Sylt nicht das Geringste zu tun hat. Die Hersteller erhalten im Übrigen stets Gelegenheit, sich zu  Beschwerden zu äußern. Die Stellungnahmen veröffentlicht Lebensmittelklarheit ebenso wie Änderungen, die die Hersteller in Folge der Beschwerden vornehmen.

Und die gibt es durchaus. Rund ein Drittel der 788 aufgeführten Mängel wurden mittlerweile beseitigt. Von den im Jahr 2014 beanstandeten Angaben wurden sogar 47 Prozent geändert. Ein aktuelles Beispiel ist etwa der Tannenhonig der Firma Wein, der bis zum Juni mit „Grüßen aus dem Schwarzwald“  versehen war, obschon der Honig aus mehreren EU-Ländern stammt. Seit 1. Juli wurden besagte Schwarzwaldgrüße durch den Hinweis „Kräftig aromatisch im Geschmack“ ersetzt. „Unser Ziel ist es, die Hersteller im Interesse der Verbraucher zum Umdenken zu bewegen und für mehr Ehrlichkeit und Transparenz zu sorgen“, sagt Müller.

Keine Angst vor langjährige Verfahren

Dies gelingt naturgemäß nicht immer. In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung schreckt der Vzbv daher auch nicht vor langjährigen Gerichtsverfahren zurück. Der Streit mit der Firma Teekanne um Himbeer-Tee ohne Himbeeren landete sogar vor dem Europäischen Gerichtshof. Der entschied im Juni 2015  zugunsten der Verbraucherschützer: Himbeeren müssen rein. 

Als Erfolg verbucht der Vzbv auch die Tatsache, dass repräsentative Verbraucherstudien und Beschwerden des Portals Lebensmittelklarheit.de künftig regelmäßig vom entscheidenden nationalen Gremium für Lebensmittelkennzeichnung, der Lebensmittelbuch-Kommission, zu Kenntnis genommen und beraten werden müssen. Dies hatten die Verbraucherschützer bei der jüngsten Reform des Lebensmittelbuches zum 1. Juli durchsetzen können. Seither muss Kalbsleberwurst, um einen weiteren Fortschritt in Sachen Ehrlichkeit zu nennen, immerhin zu 50 Prozent aus Kalbsleber bestehen, Schweinfleischanteile sind bereits im Produktnamen deutlich zu machen. 

Gleichwohl sind zentrale Forderungen des Vzbv noch nicht erfüllt, etwa alle wichtigen Informationen auf der Produktvorderseite zu platzieren. Es sei, sagt Müller, eigentlich ganz einfach: „Was drauf steht, muss drin sein, und was drin ist, muss drauf stehen.“