Rinder-Leasing Kuhhandel in der Altmark: Bei "Mein Biorind" können Kunden die ganze Kuh kaufen

Groß Garz - Es gibt viele Dinge, die sich Menschen im Alltag inzwischen mit anderen teilen: Autos und Fahrräder gehören dazu, Mode wird von mehreren Anbietern in Deutschland verliehen, Wohnungen lassen sich über die Internetfirma Airbnb teilen und auch die gute alte Bibliothek ist im Grunde ein Sharing-Anbieter.
Noch nicht so verbreitet ist ein Angebot, das der Unternehmer Kevin Schulze aus dem Altmarkdorf Groß Garz unterbreitet: Rinder-Sharing. „Bei uns können Kunden beispielsweise ein Achtel eines Rinds erwerben und bekommen dafür später etwa 15 Kilogramm Fleisch“, klärt Schulze auf. Möglich sei es auch, ein ganzes Rind zu erwerben. Er nennt das Rinder-Leasing.
Rinder-Lesing: Es gibt Videos von der Aufzucht
Der 37-Jährige trägt ein hellgrünes T-Shirt mit dem Firmennamen „Mein Biorind“. Im offenen Stall des Biohofs Gernecke - die Rinderzucht betreibt seine Frau - schaut er auf die Ohrnummern der Kälber. An diesen ist zu erkennen, welche davon bereits verkauft sind. „In diesem Jahr haben wir acht Verträge für die Abgabe kompletter Rinder abgeschlossen“, sagt der Unternehmer. Das sei ein neuer Rekord. Hinzu kämen noch Rinder aus dem Sharing-Angebot und dem Online-Shop.
Schulze geht nie mit der Mistgabel durch den Stall, seine Werkzeuge sind Laptop und Kamera. Er kümmert sich ausschließlich um die Vermarktung auf der Seite meinbiorind.de. Die meisten seiner Aufnahmen stammen aus den Elbauen in der Umgebung. Auf den Weiden stehen die Tiere von Ende April bis Anfang November.
Die Schweizer Landwirtin Iris Wittwer-Wyler bietet bereits seit 2003 ein sogenanntes Kuh-Leasing an. Die Kühe werden auf der Alp während des Sommers versorgt und täglich zweimal gemolken. Aus der Milch wird am Morgen Alpkäse hergestellt. Ein Kilogramm Käse besteht aus etwa elf Litern Milch. Eine Kuh produziert während eines Alpsommers zwischen 50 und 120 Kilo Käse. Dieser gehört den Kuh-Mietern, die dafür vorab eine Gebühr zahlen.
Einige Landwirte in Deutschland verleihen auch Hühner. Der Landwirt Michael Lüft aus Seligenstadt (Hessen) besitzt mehrere Dutzend mobile Hühnerhäuser und rund 600 Hühner, von denen die Hälfte ständig auf Reisen ist. Der Ausleih-Service kostet laut Firmen-Homepage für eine Wochen und fünf Hühner 66 Euro inklusive Eier, Futter und Wasserautomat und Einstreu.
In Sachsen-Anhalt geht die Zahl der Rinder zurück. Zum Stichtag 3. November 2018 standen in den Ställen rund 325.000 Rinder. Das entsprach einem Rückgang um 3,1 Prozent zum Vorjahr. Unter den Rindern waren knapp 116.500 Milchkühe und damit 2,5 Prozent weniger als noch Anfang November 2017. Die Zahl der geschlachteten Rinder legte um ein Prozent auf rund 3900 Tiere zu.
Die Idee für das Unternehmen hatte er bereits beim Tourismus-Studium in Berlin. Immer mehr Verbraucher wollen wissen, woher ihre Lebensmittel stammen. „Vor allem beim Fleisch achten Kunden zunehmend auf eine artgerechte Haltung“, erklärt Schulze. So entstand der Entschluss, einen Teil der Rinder aus dem familiären Betrieb selbst zu vermarkten. Seit 2013 läuft der Firmenaufbau.
Kunden erwerben Teil des Tieres und bekommen dafür Fleisch
Und so funktioniert es: Beim Rinder-Sharing erwerben die Kunden mindestens ein Achtel eines Tiers. Für etwa 15 Kilogramm Biorind-Fleisch zahlen sie 269 Euro. Geschlachtet wird erst, wenn das ganze Rind verkauft ist. Wer gleich ein ganzes Rind erwirbt, zahlt mindestens 2426 Euro über zwölf Monate. Der Kilopreis bewegt sich bei einem Schlachtgewicht von 216 Kilogramm damit jedoch auf dem üblichen Marktpreisniveau.
Auf der Internetseite des Anbieters können sich die Kunden nicht nur über den Verkaufsstatus informieren. Schulze fertigt regelmäßig Videos von der Aufzucht an. „Die Kunden sollen ihr Rind sehen können“, sagt der Firmenchef. Damit soll auch das Bewusstsein geschärft werden, dass es sich um ein Lebewesen handelt und man sorgsam mit dem Lebensmittel umgeht. „Im Supermarkt denkt kaum ein Käufer darüber nach, dass für ihn Tiere getötet wurden.“
Die Kunden kommen nach seinen Angaben aus ganz Deutschland. Er zählt die Städte Hamburg, Schönberg an der Ostsee, Berlin, Cottbus, München und Köln auf. „Einige, die ein ganzes Tier gekauft haben, besuchen dies auch, um sich die Aufzucht anzuschauen.“ Die Rinder würden frühestens nach dem zwölften Lebensmonat geschlachtet. Im Angebot seien neben Weiderindern auch Auerochsen, Hochlandrinder und Galloways.
Unternehmen arbeitet in der Nische - kein Vergleich zur Massenproduktion
Ein großer Teil der Schlachtungen findet in einem kleinen regionalen Betrieb in einem Nachbarort statt. Per Kurier verschickt Schulze dann die Waren in Thermoboxen mit Kühlakkus. Nach seinen Angaben gehen die Lieferungen bei ihm um 16 Uhr raus und sind spätestens um 12 Uhr am Folgetag bei den Kunden. „Die Kühlkette bleibt so gewahrt“, sagt er.
„Mein Biorind“ ist mit dem Angebot ein absoluter Nischenanbieter. Zum Vergleich: In Deutschland werden jedes Jahr etwa 3,3 Millionen Rinder geschlachtet. Auch der Online-Handel mit Lebensmitteln steckt noch in den Kinderschuhen. Laut „Online-Monitor 2018“ des Handelsverbandes Deutschland liegt der E-Commerce-Anteil am Lebensmittel-Umsatz gerade einmal bei 1,1 Prozent. Dennoch gehen fast alle Handelsexperten davon aus, dass das Online-Geschäft in den kommenden Jahren deutlich wächst.
Mein-Biorind-Chef Schulze ist davon überzeugt, dass sein Geschäftsmodell noch viel Entwicklungspotenzial besitzt. „Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig“, sagt der Unternehmer. Wer ein ganzes Rind lease, bekomme am Ende auch die Hörner und das Fell der Tiere.
Weiteres Wachstum - Eigene Schlachterei geplant
Für das weitere Unternehmenswachstum soll nun mit Hilfe von Fördermitteln auch eine eigene kleine Schlachterei aufgebaut werden. „Wir wollen auch die Verarbeitung in die eigene Hand nehmen“, sagt der Firmenchef. Er denkt dabei auch digital. Im Schlachthaus sollen mehrere Kameras installiert werden.
Die Kunden sollen bei der Schlachtung direkt persönlich dabei sein oder diese per Livestream über das Internet verfolgen können. Schulze begründet den Schritt damit, dass viele Verbraucher nicht mehr wissen, an welcher Stelle das Filet beim Rind sitzt oder aus welchen Teilen Gulasch gemacht wird. „Das interessiert aber viele Rindfleisch-Esser“, ist Schulze überzeugt. Ziel des Biofleisch-Anbieters ist also nicht nur, die Umsätze zu steigern, sondern das die Kunden den Tieren auch wieder näher kommen. Sei es durch den Besuch in Groß Graz oder digital am heimischen Computer. (mz)
