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Kaiser's-Tengelmann Kaiser's-Tengelmann: 405 Filialen im Ausverkauf

Von Frank-Thomas Wenzel 17.10.2016, 10:15

Berlin - Jetzt soll es mit der Zerschlagung der Lebensmittelkette Kaiser’s-Tengelmann (KT)  losgehen. Edeka soll bevorzugt werden, während  Rewe weitreichende Garantien für die Übernahme von Filialen gibt.  Gleichzeitig wird hinter den Kulissen über Paketlösungen verhandelt. Sogar Kanzlerin Angela Merkel  macht sich für eine Einigung unter großen Handelskonzernen stark. Wir erläutern, welche Rolle Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel dabei spielen kann.

Wie läuft genau die Zerschlagung von Kaiser’s?

Laut Karl-Erivan Haub, Chef des Tengelmann-Konzerns, können seit Montag Interessenten für die 105 Filialen in NRW Angebote abgeben – angeblich für jeden Standort separat. Haub hat dabei betont, dass die Edeka-Gruppe bevorzugt behandelt werde. Offen ist, ob das auch gilt, wenn ein anderer Bieter mehr für einen Standort bietet als der hiesige Marktführer. Dabei spielt aber zugleich eine wichtige Rolle, dass Haubs Familie an Netto, der Discounter-Kette von Edeka beteiligt ist. Zahlreiche KT-Standorte sollen in Netto-Filialen umgebaut werden.

Was kostet eine Filiale?

Das lässt sich nur schwer sagen. Klar ist, dass der Käufer einen Warenbestand und eine Belegschaft übernimmt und zudem in bestehende Mietverträge für die Ladenlokale einsteigt. Der Wert der jeweiligen Filiale hängt einerseits vom ihrem Umsatz und andererseits von ihren Kosten ab. Für lukrative Standorte wird es ein Wettbieten mehrerer Interessenten geben. Defizitären Standorten droht hingegen mangels Interesse die Schließung. Allerdings gilt es unter Experten als unwahrscheinlich, dass tatsächlich einzelne Standorte übernommen werden. Verschiedene Handelskonzerne dürften um Pakete mit einer größeren Zahl von Filialen bieten. Dieser Prozess wird sich mehrere Wochen hinziehen und womöglich in diesem Jahr nicht mehr abgeschlossen werden.

Welche Chancen hat Rewe?

Gut möglich, dass Haub Rewe außen vor lassen will – auch aufgrund persönlicher Animositäten gegen Rewe-Chef Alain Caparros. Allerdings versucht dessen Konzern seine Chancen mit Garantien für die Beschäftigen zu erhöhen.  Rewe erklärte am Montag: Für jede übernommene Filiale sei „der Erhalt aller Arbeitsplätze, Tarifbindung, Mitbestimmung und Verbot der Privatisierung für fünf Jahre garantiert.“ Damit erklärt sich der Konzern freiwillig bereit, die Vorgaben zu erfüllen, die einst im Zuge der Sondererlaubnis von Wirtschaftsminister Gabriel zur Übernahme der 405 Kaiser’s-Standorte durch Edeka von der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt wurden. Die Zusagen gelten auch bei einer Übernahme der Verwaltung, der Fleischbetriebe und der Lager.

Was steckt hinter den Versprechen von Rewe?

Das ist eine weitreichende Zusicherung, mit der Caparros die Arbeitnehmervertreter auf seine Seite ziehen will – der Rewe-Chef hat überdies erklärt, dass er prinzipiell auch an einer Komplettübernahme von Kaisers-Tengelmann mit  den 405 Geschäften und etwa 15000 Beschäftigten interessiert ist.

Gibt es weitere Verhandlungen für eine „große Lösung“?

Das wird einerseits von Verdi und Gabriel angestrebt, und auch Caparros hat sich dafür ausgesprochen. Haub hat ebenfalls indirekt kundgetan, dass er für Gespräche offen ist. Er hat deutlich gemacht, dass die Zerschlagung erst in dem Moment wirksam werde, wenn die erste Filiale verkauft sei.

Wie können  Verhandlungen in Gang gesetzt werden?

Gabriel dringt offenbar darauf, dass sich alle Beteiligten noch einmal an einen Tisch setzen. Dazu würden dann auch Vertreter des Discounters Norma und der Handelskooperation Markant gehören – beide hatten gemeinsam mit Rewe gegen die Ministererlaubnis geklagt. Caparros hat dabei Gabriel selbst als Moderator ins Gespräch gebracht. Auch Kanzlerin Merkel hat weitere Gespräche gefordert. Die beteiligten Unternehmen sollten nichts unversucht lassen, doch noch eine Einigung zu finden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Wie sind die Chancen, doch noch eine Einigung am Verhandlungstisch zu schaffen?

Das wird extrem schwer. Caparros hat vorgeschlagen, dass Rewe die Filialen in NRW und in Berlin nebst Umgebung übernimmt und Edeka in München und Oberbayern zum Zuge kommt. Das haben Haub und Edeka-Chef Markus Mosa aber abgelehnt. Die Berliner Standorte, wo 5300 Menschen arbeiten, sind offenbar der Zankapfel. Caparros will sich unbedingt in der Hauptstadt breit machen. Käme der Edeka-Konzern dort zum Zuge, wäre jeder zweite Supermarkt in der Stadt in der Hand des Marktführers. Offen ist außerdem, wie Norma und Markant bedacht werden. Finanzielle Entschädigungen sind im Gespräch.