iPhone für 300 Euro? iPhone für 300 Euro?: So kapern Betrüger Amazons Verkäufer-Accounts

Der Verkäufer selbst hatte gar nichts von seinem neuen Erfolg bei den Kunden bemerkt. Erst als dann Mails kamen, in denen Käufer nach bestellter Ware fragten, die angeblich bereits seit Tagen ausgeliefert, aber immer noch nicht angekommen war, ereilte den Mann der Realitätsschock: Ein Betrüger hatte sich Zugang zu seinem Shop beim Internetkaufhaus Amazon verschafft. Und unter seinem Namen Waren verkauft, die der Ladenbesitzer selbst nie besessen hatte.
Und damit war er nicht einmal allein. Auch der virtuelle Einbrecher, der den sogenannten Marketplace-Shop des nichtsahnenden Verkäufers mit unzähligen High-Tech-Schnäppchen zu unschlagbar niedrigen Preisen vollgestopft hatte, verfügte natürlich nicht über die iPhones, Samsung-S8-Handys, hochwertigen Speicherkarten und X-Boxen, die er zu Preisen anbot, die um zwei Drittel unter denen anderer Verkäufer lagen. Die Absicht des Kaperers war eine andere: Arglose Käufer anlocken. Und sie dann nach Strich und Faden ausnehmen.
Eine Masche, gegen die der Internetkonzern Amazon seit Monaten kämpft, ohne des Problems recht Herr werden zu können. Immer wieder tauchen die Fake-Shops auf, die auf den ersten Blick seriös wirken. Handelt es sich um gerade erst neu eröffnete Läden, lässt allenfalls der Hinweis stutzen, dass es noch keine Bewertungen für die Abwicklung von Geschäften gibt. Bei illegal gekaperten Shops aber spricht das Lob, der der echte Besitzer von Käufern erhalten hat, nun für die Gangster.
Auffällig sind nur die Preise, mit denen die Schwindler auf Dummenfang gehen. Ein Handy, das bei anderen Anbietern um die 600 Euro kostet, gibt es hier für 250. Die X-Box kostet statt 200 nur 99 Euro, die Samsung-Smartwatch ist für 150 statt für über 300 zu haben und die die Micro-SD-Karte mit 256 GB Speicherplatz kostet nicht 140 Euro, sondern schmale 20.
Wer hier auf Kaufen klickt, wird allerdings am Ende im günstigsten Fall ohne die gekaufte Ware dastehen, weil der vermeintliche Verkäufer niemals vorhatte, Handy, Uhr oder Speicherkarte zu verschicken. Vielmehr geht es den gewieften Gaunern darum, leichtgläubige Kunden dazu zu verlocken, Ware außerhalb von Amazon zu kaufen. Nur dann hat er die Aussicht, den gezahlten Kaufpreis zu erhalten, ohne liefern zu müssen.
Amazon selbst kennt das Problem und bekämpft die Betrüger vor allem über den eingebauten Sicherheitsmechanismus. Wer bei einem Trickverkäufer kauft und nach einer Zeit bemerkt, dass die Lieferzeit sich ungewöhnlich lange hinzieht, kann den Kauf einfach per Klick rückabwickeln. Wenig später erfolgt dann die Gutschrift des Kaufpreises durch Amazon - der vermeintliche Schnäppchenanbieter erhält keinen Cent, der Betrug ist aufgeflogen.
Anders, wenn es dem Anbieter gelingt, einem Käufer weiszumachen, dass er seine günstigen Preise nur anbieten kann, wenn die Bezahlung nicht über Amazon, sondern per Paypal, Moneygram oder Überweisung erfolgt. Dann ist das Geld weg. Die bestellte Ware aber wird nie eintreffen. Amazon, von Käufer und Verkäufer ausgebootet und um seine Gebühren gebracht, hebt auch die Hände: Für Verkäufe, die am eigenen Sicherheitssystem vorbei abgewickelt werden, gilt die A-Z-Garantie des US-Unternehmens nicht.
Das Muster bestätigt auch das Landeskriminalamt in Niedersachsen. Sobald die Ware bezahlt wird, ist das Geld weg. Und gegenüber Amazon steht der Kunde rechtlos da, denn der eigentlich narrensichere Verkäuferschutz des Onlinekonzerns gilt nur dann, wenn die Bezahlung direkt über die Website von Amazon vorgenommen wurde.
Den Schaden hat der Kunde, aber auch das Online-Kaufhaus. Dessen Ruf leidet schließlich, wenn enttäuschte Käufer sich von Schwindlern haben locken lassen, den eigenen Fehler dann aber dem Online-Kaufhaus zuschreiben. Die betrügerische Masche, die in Wellen leicht abgewandelt immer wieder abgezogen wird, ist bei Amazon bekannt, Vorbeugung gegen die Aktivitäten der Abzocker aber scheint unmöglich.
Amazon dulde betrügerische Aktivitäten nicht, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme, die zudem auf die Sicherheitsmaßnahmen verweist. „Wir leiten Zahlungen erst an Verkäufer weiter, wenn wir sicher sind, dass Kunden ihre bestellten Produkte erhalten haben“, versichert das Unternehmen. Sollten Verkäufer gegen die Teilnahmebestimmungen verstoßen, ergreife Amazon zudem „umgehend Maßnahmen, um Kunden zu schützen“.
Verkäufern wiederum empfiehlt Amazon, die sogenannte „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ zu aktivieren, ihr Passwort regelmäßig zu ändern und schon Verdachtsfälle von versuchtem Eindringen an den Verkäuferservice zu melden. Wirklich austrocknen aber werden am Ende nur die Käufer das Geschäft mit verführerischen Superbillig-Angeboten können: Sobald niemand mehr auf die Megagünstig-Schnäppchen hereinfällt, lohnt es sich auch für keinen Abzocker mehr, mit dieser Masche nach Opfern zu suchen. (mz)