Insolvenzen bei Unister Insolvenzen bei Unister: Die Geier kreisen schon
Leipzig - Im Onlinebusiness wird mit harten Bandagen gekämpft, besonders auf Reise- und Vergleichsportalen buhlen die Anbieter um Klicks und die Gunst der Kunden. Unister beherrschte dieses Geschäft wie kein anderes Unternehmen.
Auf Suchmaschinenoptimierung und geschicktes Marketing beruhte der Erfolg des Leipziger Unternehmens. Firmengründer Thomas Wagner verdiente Millionen mit dem einstigen Start-Up. Nach dem Unfalltod des 38-Jährigen stehen plötzlich die Geschäfte still.
Firma war in Zahlungsverzug
Neben den nebulösen Umständen des Unfalls stellt sich die Frage nach der Zukunft des Unternehmens. Im ersten Schritt haben die verbliebenen Gesellschafter die vorläufige Insolvenz beantragt.
Das betrifft laut Insolvenzverwalter Lucas Flöther sowohl die Muttergesellschaft Unister Holding als auch die vier Tochterunternehmen Urlaubstours GmbH, Unister Travel Betriebsgesellschaft mbH, die Unister GmbH sowie die U-Deals GmbH. Bisher sind die Löhne und Gehälter durch das Insolvenzgeld gesichert.
In Branchenkreisen ist man sicher: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die restlichen Tochterunternehmen des verflochtenen Unister-Imperiums Insolvenz beantragen werden.
Christoph Gaffga, Geschäftsführer der flüge.de GmbH, einer der Konkurrenten auf dem Markt, sagte der MZ: „Die Firmen werden fallen wie Dominosteine. Das Geflecht war schon länger in Schieflage.“
Seine Firma habe ein Finanz-Frühwarnsystem eingerichtet. Die sogenannte Schwarze Liste zeige früh an, „welche Anbieter in Verzug mit Zahlungen sind“. Darunter sei seit längerem schon Urlaubstours - Gaffga vertrieb auch Angebote der Unister-Tochter.
„Die Provisionen blieben aus“, so Gaffga. Die Reisebranche habe auch aufgehorcht, als Unister vor etwa zwei Wochen für zwei Tage alle Werbemaßnahmen eingestellt hatte. Konkurrenten mutmaßten, Unister sei das Geld ausgegangen.
Die teils aggressive und kostenintensive Werbung mit Prominenten wie Michael Ballack war über Jahre das Geheimnis des Erfolgs der Leipziger Gruppe.
Kritik an der Unister-Strategie
Ein Branchenkenner, der selbst unter anderem sehr erfolgreich Reiseportale im Netz betreibt, hält die Strategie der Wagner-Firma für „nicht effizient“. Millionenbeträge in Werbung zu investieren, sei nicht wirtschaftlich.
Wagner seit laut dem Insider in einen Teufelskreis gekommen. Da sein Geschäft defizitär lief, musste der Firmenchef immer neue Vorschüsse einholen. Um aber Geldgeber dafür zu bekommen, musste das Unternehmen wachsen.
Obendrein steht zur Debatte, ob sich Wagner dabei immer an Gesetze gehalten hat. 2012 durchsuchte die Steuerfahndung die Büroräume in Leipzig. Bis heute ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug und Computerbetrug.
Laut dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wolfgang Klein laufen diese Verfahren noch. Bislang bleibt es aber bei den Vermutungen, keiner der Verantwortlichen wurde bisher verurteilt.
Mitbewerber Gaffga moniert, dass Unister mit seinen Methoden, ob nun legal oder illegal, den Markt kaputt gemacht hat. „Da ist schon böses Blut zwischen Reisebetreibern geflossen. Unister hat die Branche in Verruf gebracht“, ärgert sich der Internetunternehmer.
Gaffgas Portal flüge.de spürte das am eigenen Leib: „Aufgrund der Verwechslung mit dem Unister-Portal fluege.de richteten sich viele der Kunden-Beschwerden an uns. Und das waren nicht wenige.“
Abgeworbene Kunden
2015 endete ein Rechtsstreit zwischen Gaffga und Unister. Wagner wollte auch die Domain flüge.de für sich beanspruchen. Unister verlor, musste die Prozesskosten übernehmen.
Das Geld musste nach MZ-Informationen schließlich gepfändet werden. Ob Unister nicht zahlen wollte oder konnte, ist unklar.
Der langsame Zerfall des Unternehmens wird nun zur Stunde der Konkurrenz: „Der Kuchen wird neu verteilt“, sagt Gaffga und deutet im Gespräch an, dass auch seine Firma durchaus Interesse an einigen Unister-Tochterunternehmen habe.
Allerdings favorisiert Insolvenzverwalter Flöther die Lösung, dass der gesamte Konzern von einem Investor übernommen wird. Brancheninsider halten das für unrealistisch - und rechnen mit einer Aufteilung der Unternehmen und Domains.
Im Netz werden derweil schon die Weichen gestellt. Andere Portale ködern die Unister-Kunden. Vielleicht ist es gut, dass der Firmengründer den Ausverkauf seines „Babys“ nicht mehr miterlebt. (mz)