Hannover Messe Industrie vor Messe: Elektrobranche erwartet Rückenwind
Die Elektro- und Digitalindustrie sieht sich langfristig im Aufwind. Schub soll die am Montag beginnende Hannover Messe geben. Derzeit laufen die Geschäfte aber nur verhalten. Mit einer Ausnahme.
Hannover/Frankfurt - Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie sieht sich trotz aktueller Auftragsschwäche weiter auf Wachstumskurs. „Wir haben drei Megatrends, die unsere Branche auch langfristig vorantreiben werden: Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung“, sagte Gunther Kegel, Präsident des Branchenverbandes ZVEI, der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Megatrends werden unserer Branche in den kommenden Jahren ganz klar Wachstum bescheren.“
Rückenwind verspricht er sich von der am Montag beginnenden Hannover Messe (22. bis 26. April). Denn die weltgrößte Industrieschau rücke in diesem Jahr diese Trends in den Mittelpunkt: „Die Hannover Messe hat sich ebenfalls auf diesen Dreiklang - Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung eingestellt.“
Wachstumsdelle im laufenden Jahr
Mit Blick auf das laufende Jahr zeigte sich Kegel weniger optimistisch. Man gehe weiter davon aus, dass die Produktion der Branche gegenüber 2023 um zwei Prozent schrumpfen werde. „Im Moment liegen wir zwar noch leicht darunter. Aber wir gehen davon aus, dass sich die Auftragseingänge und dann auch die Produktionszahlen bis zum Jahresende auf diese Größe einpegeln werden“, sagte er.
Innerhalb der Branche gebe es große Unterschiede. „Alle Unternehmen, die sich am Ausbau der Stromnetze beteiligen, haben nach wie vor brummende Konjunkturen, zum Teil mit Lieferzeiten von einigen Jahren, während die klassischen Industrieausrüster, allen voran die Automatisierungstechnik, im Moment die Zurückhaltung bei Investitionen spüren“, so Kegel.
Vor allem in Deutschland und China sei eine deutliche Zurückhaltung zu spüren. Das ändere aber nichts am langfristigen Aufwärtstrend, zeigte sich Kegel überzeugt. „Natürlich wird es auch schwächere Phasen wie die aktuelle Konjunkturdelle geben. Aber daran anschließen werden sich Jahre, die uns ein deutlich größeres Wachstum bringen werden.“
Lob für Ansiedlungspolitik
Als großen Erfolg wertete Kegel die Neuansiedlungen von Chipherstellern wie Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden. „Es ist richtig, dass die Bundesregierung die entscheidenden Player der Halbleiterbranche nach Deutschland holt. Wir brauchen diese Schlüsseltechnologie vor Ort, auch um international mithalten zu können.“ Dass hierfür hohe Subventionen gezahlt werden, sei zwar wenig erfreulich, aber unvermeidlich. „Sonst klappt das nicht.“ Schließlich buhlten auch andere mit hohen Subventionen um Neuansiedlungen. „Da bleibt uns nichts anderes übrig, als es auch zu tun - oder wir verlieren in Europa eine weitere Spitzentechnologie. So sind nun einmal die Spielregeln.“
Kritik äußerte Kegel an den Energiepreisen. Trotz spürbarer Entspannung seien diese für energieintensive Unternehmen weiter zu hoch. „Für die allgemeine Industrie, bei der Energie vielleicht zwei bis fünf Prozent der Gesamtkosten ausmacht, sind die Preise immer noch hoch. Das tut weh, ist aber nicht existenzgefährdend.“ Bei energieintensiven Unternehmen etwa aus der Chemieindustrie sehe dies anders aus. „Da reicht das jetzt anvisierte Preisniveau nicht. Da besteht die Gefahr, diese Industrien in Teilen zu verlieren.“ Hier müsse die Politik gegensteuern. „Kurzfristig kann das sicher über Subventionen erfolgen, langfristig aber nicht.“
Warnung vor zu hohem Tempo beim Klimaschutz
Mehr Augenmaß forderte Kegel in der Klimapolitik. „Beim Klimaschutz warne ich davor, das Tempo weiter anzuziehen. Es nützt uns gar nichts, wenn wir in Deutschland als Erste und Einzige unsere Klimaschutzaufgaben gelöst haben. Davon lässt sich das Weltklima nicht beeindrucken“, sagte der Verbandschef. „Es kann ja nicht das Ziel sein, dass wir als Klassenbester durchs Ziel gehen und dann alle möglichen Ausgleichsmechanismen wie etwa Zölle anwenden müssen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen.“
Besser sei es, sich beim Klimaschutz enger mit anderen Ländern abzustimmen. „Es ist viel wichtiger, dass wir das im Gleichschritt mit anderen großen Weltregionen tun“, sagte Kegel. „Wenn wir unser Tempo fünf Jahre verlangsamen und dafür die Chinesen ihr Tempo fünf Jahre beschleunigen, dann hat das Weltklima davon wesentlich mehr.“