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Studie Hartz IV-Studie: Grundsicherung ist für eine Million Menschen ein Dauerzustand

Von Thorsten Knuf 06.02.2017, 09:00
Akten zu Hartz-IV-Verfahren türmen sich in einem Gericht.
Akten zu Hartz-IV-Verfahren türmen sich in einem Gericht. dpa

Berlin - Selten hat eine sozialpolitische Maßnahme in der Bundesrepublik so viele Menschen in Rage versetzt wie die Einführung des Arbeitslosengeldes II (auch „Hartz IV“ genannt). Erwerbsfähige, die das Existenzminimum nicht aus eigener Kraft erwirtschaften können, erhalten seit 2005 nur noch eine knapp bemessene Grundsicherung – bei alleinstehenden Erwachsenen sind das derzeit 409 Euro pro Monat plus Kosten für Wohnung und Heizung. Das soll den Druck auf Arbeitslose erhöhen, einen Job anzunehmen.

Der damalige Arbeitsminister Wolfgang Clement bezeichnete die Änderung einst als „Mutter aller Reformen“. Es war die Zeit, als die Massenarbeitslosigkeit wie Blei über der Republik lag und die Schröder-Regierung sich vorgenommen hatte, den Arbeitsmarkt umzukrempeln.

Dauerhaft abhängig von Hartz IV

Eine neue Studie zeigt jetzt: Eine Million Leistungsbezieher erhalten die Grundsicherung bereits seit zehn Jahren ohne Unterbrechung; der Arbeitsmarkt ist ihnen weitgehend verschlossen. Herausgefunden hat dies das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Die Experten schauten sich an, wie typische Verlaufsmuster beim Bezug von Arbeitslosengeld II aussehen. Für Betroffene ist Hartz IV mitunter nur eine Episode im Erwerbsleben, sie schaffen wieder den Sprung in den Arbeitsmarkt. Für viele andere aber ist die Grundsicherung ein Dauerzustand – entweder, weil sie gar keinen Job finden oder so wenig verdienen, dass sie als „Aufstocker“ ergänzende Leistungen vom Amt benötigen.

Die IAB-Experten fanden heraus, dass in den ersten zehn Jahren nach Einführung der Grundsicherung Anfang 2005 fast eine Million Menschen ununterbrochen auf die Leistung angewiesen waren. Auffällig ist, dass die Betroffenen in der Regel nur gering qualifiziert sind. „Hier dominieren fehlende Schulabschlüsse, und auch nur eine Minderheit besitzt berufliche Bildungsabschlüsse“, schreiben die Nürnberger Forscher.

Qualifizierung ist die Lösung

Sie haben auch nur geringe Hoffnung, dass sich die Jobchancen dieser Gruppe auf absehbare Zeit steigern lassen: „Aufgrund der Arbeitsmarktferne steht hier wohl eher ein langfristiges Heranführen an den Arbeitsmarkt im Vordergrund.“

Wer besser qualifiziert ist, kommt hingegen in der Regel schneller wieder aus dem Bezug von Arbeitslosengeld heraus. Etwa ein Viertel kann vergleichsweise rasch eine ungeförderte Beschäftigung aufnehmen. „Ein knappes Drittel verbleibt hingegen lange im Leistungsbezug und hat relativ wenig Kontakt zum Arbeitsmarkt“, schreibt das IAB. Etwa jeder zehnte Empfänger ist zwar relativ gut in den Arbeitsmarkt integriert, braucht aber aufstockende Leistungen. „Bei jüngeren Leistungsbeziehern zeigt sich, dass vor allem der Erwerb eines Ausbildungsabschlusses mittelfristig das Verlassen des Leistungsbezugs begünstigt“, betonen die Forscher.

Sechs Millionen Menschen beziehen Arbeitslosengeld II

Die Zahl der Menschen, die Arbeitslosengeld II erhalten oder erhielten, ist beträchtlich: Derzeit sind es rund sechs Millionen. Der bisherige Höchststand war im Frühjahr 2006 mit etwa 7,5 Millionen Beziehern. Für ihre Studie werteten die IAB-Forscher Daten der Jahre 2005 bis 2014 aus. In den ersten zehn Jahren nach der Einführung erhielten insgesamt 16,7 Millionen Menschen die Leistung.