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Handwerk Handwerk: Friseure auf dem Weg zum Mindestlohn

Von Stefan Sauer 22.04.2013, 09:11
Schneller Schnitt: Nach kurzen Verhandlungen einigten sich Handwerk und Gewerkschaft auf einen Mindestlohn für Friseure.
Schneller Schnitt: Nach kurzen Verhandlungen einigten sich Handwerk und Gewerkschaft auf einen Mindestlohn für Friseure. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Das Friseurhandwerk erfreut sich eines zweifelhaften Rufes. Wenn es um Armutslöhne geht oder um Vollzeitbeschäftigte, die zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind, wird zuverlässig die Branche des Waschen-Schneiden-Föhnens genannt. Damit ist nun Schluss. Nach nur vierstündigen Gesprächen haben sich der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZVFH) und die Gewerkschaft Verdi in Würzburg am Montag geeinigt, bundesweit einen Mindestlohn von 8,50 Euro bis zum 1. August 2015 einzuführen.


Die schnelle Einigung zeugt von wachsenden Problemen der Betriebe. Eines davon betrifft das Image, das durch drastische Beispiele arg litten hat. Bei einem Tarifstundenlohn von bisher 3,05 Euro müsste eine ausgelernte Friseurgesellin in Brandenburg 160 Jahre lang 39 Stunden pro Woche arbeiten, um auf eine Rente in Höhe der Grundsicherung von knapp 700 Euro zu kommen. Ein Azubi in der Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs erhält im ersten Lehrjahr monatlich 868 Euro – 255 Euro mehr als eine ausgebildete Friseurin in Thüringen zu Beginn ihrer Berufslaufbahn.


Dass solche Zustände die Attraktivität des eigentlich recht beliebten Handwerks trüben, liegt auf der Hand. Die Zahl der Lehrlinge sinkt seit Jahren. Derzeit absolvieren nur noch rund 30.000 junge Leute, darunter 27.000 Frauen, eine Friseurausbildung – so wenige wie seit der Vereinigung nicht. Röhr spricht von „großen Nachwuchsproblemen“.


Allerdings sind es nicht zuerst Nachwuchssorgen, die das Ja der Arbeitgeber zum Mindestlohn begründen. Bedeutsamer ist die seit Jahren anhaltende Tendenz der Branche, sich selbst zu kannibalisieren. Qualitätsbewusste Friseursalons, die gut ausbilden und gut bezahlen, geraten unter Druck. So setzen Billiganbieter wie Cut & go oder Hair Express den Traditionsbetrieben zu. Hair Express konnte den Gesamterlös seit 2008 um 50 Prozent steigern, während der Branchenumsatz seit 2002 um 20 Prozent zurückging. In einem Betriebsvergleich stellte der Haarpflegehersteller Wella jüngst fest, dass Billiganbieter wegen ihrer hohen Kundenzahl, akkordähnlicher Arbeitsabläufe und niedriger Löhne ein Viertel mehr Gewinn machen als Friseurbetriebe im gehobenen Preissegment.


Neben den Billig-Ketten üben die vielen Ein-Frau-Betriebe Druck auf den klassischen Friseursalon aus. Laut Verdi erzielen 25 000 Kleinstbetriebe einen Jahresumsatz von weniger als 17 500 Euro und sind von der 19-prozentigen Umsatzsteuer befreit. Gegenüber größeren Salons haben sie einen Kostenvorteil. Diese Schieflage jedoch wird der Mindestlohn nicht beheben. Röhr: „Genau das ist jetzt unsere größte Sorge.“ Kommentar Seite 4Hintergründe zum Thema:
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