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Strafzölle Handelsstreit um Strafzölle zwischen USA und EU Wie es jetzt im Handelsstreit zwischen den USA und der EU weitergeht

Von Stefan Sauer 01.05.2018, 15:54
US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump AP

Berlin - Das Ringen um einen Kompromiss im Handelsstreit zwischen den USA und der EU geht in die Verlängerung. US-Präsident Donald Trump nimmt die EU noch bis zum 1. Juni von Strafzöllen aus, die seit März auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren erhoben werden. Eine erste Schonfrist war am 1. Mai abgelaufen.

Mit der neuerlichen Ausnahmeregelung, die auch für Mexiko und Kanada gilt, ist der Konflikt aber nicht vom Tisch. Die USA haben deutlich gemacht, dass sie von den Europäern substanzielle Zugeständnisse erwarten, etwa in Form niedrigerer Zölle für exportierende US-Unternehmen. Ohne ein Entgegenkommen wird die EU-Kommission ihr Ziel, dauerhaft von den Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf Stahlerzeugnisse und 10 Prozent auf Aluminiumprodukte verschont zu bleiben, also kaum erreichen können. Was nun? 

Wie reagieren EU und Bundesregierung auf die Schonfristverlängerung?

Ziemlich reserviert. In fast gleichlautenden öffentlichen Stellungnahmen ließen Brüssel und Berlin wissen, man habe die US-Entscheidung „zur Kenntnis“ genommen. Die nunmehr bis 1. Juni gesetzte Frist sorge an den Märkten für anhaltende Verunsicherung und hemme unternehmerische Entscheidungen. Stattdessen müsse es für europäische Stahl- und Aluminiumhersteller eine „vollständige und dauerhafte Ausnahme“ von den amerikanischen Strafzöllen geben. Denn einesteils sei weltweite Überproduktion im Stahlsektor nicht den EU-Staaten zuzuschreiben.

Andernteils sei eine Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit, mit der die USA die Handelsbarrieren offiziell rechtfertigen, nicht zu erkennen. Ungeachtet dessen wolle man die Gespräche mit Washington US-Regierung fortführen, um die für beide Seiten gewinnbringenden Handelsbeziehungen dauerhaft zu gewährleisten.

Ist die EU bereit, sich Trumps Druck zu beugen?

Im Prinzip jain. Einerseits würde ein Handelskrieg mit den USA der europäischen Wirtschaft massiv schaden. 2017 betrug der EU-Überschuss im Außenhandel mit den USA fast 151 Milliarden Dollar. Hohe Zölle würden den Absatz einbrechen lassen, hunderttausende Arbeitsplätze gerieten in Gefahr. Besonders betroffen wäre die exportstarke deutsche Wirtschaft. Es spricht also einiges dafür, den Amerikaner entgegen zu kommen.

Andererseits muss sich die EU prinzipienfest zeigen. Schließlich sind die geltenden Zollbestimmungen nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis jahrelanger Verhandlungen zwischen 141 Staaten einschließlich der USA, die sich Anfang 1995 dem Regime der neu gegründeten Welthandelsorganisation WTO unterwarfen. Zeigen sich die Europäer gegenüber Rambo Trump zu nachgiebig, könnte dies von anderen Handelspartnern als Einladung begriffen werden, es den USA gleich zu tun. Vor diesem Hintergrund ist ein gewisses Maß an Unnachgiebigkeit angezeigt. Die EU-Maxime für die weiteren Verhandlungen könnt daher lauten: Standhaft nachgeben.

Wo sind Zugeständnisse denkbar?

Im Zollbereich genießen die EU-Staaten gegenüber den USA unter dem Strich tatsächlich Vorteile. Während die EU auf Einfuhren aus den USA im Mittel Zölle in Höhe von 5,2 Prozent erhebt, sind es umgekehrt lediglich 3,5 Prozent. Für zahlreiche Produkte gelten allerdings extrem niedrige Abgaben, andere sind vollständig davon befreit. In einer Studie für das Münchner Ifo-Institut hat der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Felbermayr für 5018 Handelswaren die EU- und US-Zölle miteinander vergleichen. Danach erhebt die EU auf 1246 US-Produktgruppen überhaupt keinen Zoll, für 1328 weitere liegt der Satz unter einem Prozent. Umgekehrt lassen die USA 1802 aus der EU eingeführte Waren zollfrei ins Land, für 1993 Güter liegen die Sätze zwischen null und einem Prozent. Zölle in je gleicher Höhe erheben beide Seiten auf 1144 der 5019 Handelswaren. Bei 2391 Produkten liegen die EU-Zölle über dem US-Niveau, bei 1483 Artikeln ist es umgekehrt.

Auf welche Waren werden die höchsten Zölle erhoben?

Die Vereinigten Staaten belegen vor allem europäische Lebensmittel und Agrarprodukte mit hohen Einfuhrabgaben: Spitzenreiter sind Tabakerzeugnisse, für die 48,7 Prozent Zoll fällig werden. Auch auf Zucker erheben die Amerikaner mit 35,7 Prozent einen besonders hohen Einfuhrzoll. Es folgen Tierfuttermittel (24,7 Prozent), Babynahrung (20,9), Milchprodukte (20,3) und Sojabohnenöl (19,1). Gefrorenes Hühnerfleisch, verarbeitetes Getreide, Tiefkühlpommes, Müsli, Schokolade und Fertigsaucen sind ebenfalls Erzeugnisse, für die überdurchschnittliche Zollsätze zu zahlen sind. Unter den Industrieprodukten stechen vor allem Kleinlastwagen (22,4), bestimmte synthetische Fasern (28,2) und Textilien (12,6) mit hohen Zöllen heraus. Auf der anderen Seite erhebt auch die EU auf landwirtschaftliche Produkte die höchsten Zölle: Auf Rindfleischeinfuhren aus den USA werden 67,9 Prozent fällig, bei Schweinefleisch sind es 26,4, bei Hühnerfleisch 20,6 Prozent. Der von den USA besonders kritisierte Zoll auf PKW liegt bei zehn Prozent, für Autobusse beträgt er 13 Prozent, für Kleinlaster 15,1 und für Zugmaschinen 16 Prozent.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Ein Abbau der Zölle für bestimmte Produktgruppen liegt nahe und täte den Europäern - zum Beispiel im Automobilbereich - nicht einmal sonderlich weh, da US-Autos hierzulande ohnehin kaum Absatz finden. Sehr weitreichend wäre der Wegfall sämtlicher Zölle, undenkbar erscheint eine solche Lösung dennoch nicht: Die beidseitige Zollbefreiung ist schließlich auch im bereits ausverhandelten Handelsabkommen TTIP enthalten. TTIP liegt zwar bis auf weiteres auf Eis, aber nicht der Zölle wegen, sondern aufgrund unterschiedlicher Positionen zum Investitions- und Verbraucherschutz. Ein auf Zollbefreiung beschränktes TTIP light wäre wohl möglich.