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Haftpflicht-Versicherung für Hebammen Haftpflicht-Versicherung für Hebammen: "Im Extremfall käme das einem Berufsverbot gleich"

20.02.2014, 10:01
Eine Hebamme hat das Schild «Hebamme im Dienst» hinter die Windschutzscheibe ihres geparkten Pkw gelegt.
Eine Hebamme hat das Schild «Hebamme im Dienst» hinter die Windschutzscheibe ihres geparkten Pkw gelegt. dpa/Archiv Lizenz

Halle (Saale) - Seit Jahren klagen Hebammen über steigende Haftpflichtprämien. Die Lage hatte sich zuletzt durch den angekündigten Ausstieg einer Versicherung aus den beiden letzten verbliebenen Versicherungskonsortien für Hebammen weiter zugespitzt. Hintergrund ist, dass es für Versicherer immer schwieriger wird, eine Haftpflichtversicherung zu bezahlbaren Preisen anzubieten. „Die Kosten für Geburtsschäden infolge von Behandlungsfehlern sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen“, heißt es in einer Erklärung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Den freiberuflichen Hebammen, die noch die klassische Geburtshilfe zu Hause, im Geburtshaus oder als Beleghebammen in Kliniken anbieten, könnte damit ab Sommer 2015 das Aus drohen.

Die erste Vorsitzende des Landeshebammenverbandes Sachsen-Anhalt, Petra Chluppka, spricht im Interview mit Mathias Beyer über die aktuelle Situation der Hebammen und die Zukunft.

Seit wann sind Sie Hebamme und warum haben sie sich für diesen Beruf entschieden?

Petra Chluppka: Ich bin seit 1982 Hebamme. Meine Intension, Hebamme zu werden, hatte was mit dem Gedanken der Empathie und Umsorgung von Mitmenschen zu tun. Erst wollte ich Krankenschwester werden, aber dann hatte ich den großen Wunsch, Frauen bei der Geburt begleiten zu können. Es ist ein großes Privileg für mich, Frauen und Familien in so einer ganz besonderen Phase ihres Lebens erleben und begleiten zu dürfen. Dieser "Zauber", den man bei einer Geburt spüren kann, ist und war für mich das Größte. Ich war bis zu einem Unfall sehr gerne Hausgeburtshebamme.

 

In den Medien liest man Schlagzeilen wie „Hebammen vor dem Aus“ und "Hebammen kämpfen ums Überleben“. Wie ist die aktuelle Situation bei ihnen?

Petra Chluppka: Ende 2008 hatte ich einen schweren Wegeunfall auf dem Weg zu einer Klientin, danach war ich ein Jahr krank. Es folgte eine Reha. 2010 kam dann mit meinem Wiedereinstieg als Hebamme auch die erste massive Haftpflichterhöhung. In diesem Jahr hatte ich dann erstmals Klienten, die ihre (und damit auch meine) Haftpflicht anteilig mitgetragen haben.

Ende 2010 habe ich dann den Vorsitz im Landeshebammenverband Sachsen Anhalt (LHV) übernommen. Aktuell wäre eine Wideraufnahme meiner Hausgeburtstätigkeit auf Grund der Situation bei der Haftpflicht nicht mehr möglich!

 

Immer mehr Versicherer bieten keine Haftpflichtversicherung für Hebammen an. Was bedeutet das für die Zukunft?

Petra Chluppka: Im Extremfall käme das einem Berufsverbot der Hebammen gleich. Denn auch wenn ich als Hebamme mit meinen Klienten größtes Urvertrauen in die Geburt, also in die Gebärfähigkeit der Frauen, habe, bin ich verpflichtet, mich zu versichern. Sonst darf ich nicht arbeiten! Es gibt erste Überlegungen von Frauen, die alleine ihre Kinder bekommen wollen, wenn Sie keine Hebamme finden. Wie fatal wäre das denn ...?

Worin liegen die Vorteile für eine werdende Mutter, sich für eine freiberufliche Hebamme zu entscheiden?

Petra Chluppka: Schwangere Frauen brauchen besonders viel Fürsorge und Empathie für diese besonders sensible Lebensphase. Eine Frau, die sich ihre Hebamme aussuchen kann, hat meist einen sehr direkten Kontakt. Dass sie und ihr Partner diese Hebamme meist schon recht früh in der Schwangerschaft kennenlernen, kann für die weitere Begleitung nur von Vorteil sein. Frauen und Paare können dadurch gesamtheitlich betreut werden.

  

Mit welchen Konsequenzen müssen angestellte Hebammen in Kliniken rechnen?

Petra Chluppka: Auch Hebammen in den Kliniken kann die Haftpflichtproblematik treffen. Viele Kliniken sind nicht ausreichend versichert, deshalb bietet unsere Gruppenhaftpflicht eine ergänzende Deckung an. Außerdem haben wir in Deutschland viele Beleghebammen. Das sind Hebammen, die auch freiberuflich mit "ihrer" Frau in die Klinik zur Geburt gehen. Die haben dieselbe hohe Haftpflicht! Die Klinikhebammen, die normal über ihre Klinik versichert sind, können natürlich nicht plötzlich alle Frauen übernehmen. Außerdem wäre damit der Wahlfreiheit des Geburtsortes nicht Genüge getan. Frauen haben das Recht auf freie Wahl des Geburtsortes, also zu Hause, im Geburtshaus oder ähnliches. Aber wenn es keine Hebamme mehr gibt, die das bedienen kann, dann ist dieses Recht null und nichtig.