Gut Asmusstedt in Ballenstedt Gut Asmusstedt in Ballenstedt: Das sind die glücklichen Schweine von Sachsen-Anhalt

Ballenstedt - An langen Ketten hängen Plastikreifen. Die vier Monate alten Schweine beißen auf diesen. An anderer Stelle steht ein Holzbalken, auch auf diesem wird gekaut. „Die Tiere haben einen angeborenen Spieltrieb“, sagt Landwirt Markus Jacobs. „Wir beschäftigen sie damit.“ Beim Besuch des Stalls fällt dies sofort auf. Weichen die Schweine zunächst erst einmal erschrocken zurück, dauert es nicht lange, bevor sie - man möchte fast sagen mit Neugier - auf den Gast zugehen, ihn beschnüffeln und schubsen. Und noch etwas fällt auf - es geht nicht so beengt zu wie bei anderen Mästern. „26 Tiere leben in einer Bucht zusammen, Sie haben 20 Prozent mehr Platz als in der bisherigen Haltung“, so Jacobs.
Das 1993 gegründete Gut Asmusstedt in Ballenstedt (Landkreis Harz) nimmt an der zu Jahresbeginn 2015 gestarteten „Initiative Tierwohl“ teil. Die Idee dahinter: Große Supermarktketten wie Aldi, Lidl, Edeka und Rewe sowie deren Discount-Töchter zahlen für jedes verkaufte Kilo Fleisch vier Cent in einen Fonds. Daraus bekommen Schweine- und Geflügelhalter in Deutschland Geld, um in ihren Ställen bessere Bedingungen zu schaffen als gesetzlich vorgeschrieben - etwa durch Stroh im Stall. Das verkaufte Fleisch wird im Handel nicht extra - etwa durch ein Logo - gekennzeichnet.
Fünf Euro extra pro Tier
Die Familie Jacobs hält, verteilt auf vier Betriebe, derzeit rund 10.000 Schweine. Damit gehört der Hof zu den größeren Schweinemast-Firmen in Sachsen-Anhalt. Als der 41-jährige Landwirt von dem Tierwohl-Projekt hörte, war für ihn schnell klar, dass er daran teilnehmen will. „Wir haben in den vergangenen Jahren moderne Ställe gebaut“, erklärt er. Die Grundanforderungen, um an dem Programm teilzunehmen, habe man bereits erfüllt. Dazu gehören etwa Tageslicht, ein Stall-Klimacheck oder die Teilnahme an einem Antibiotikamonitoring. Gern hätte Jacobs auch in der Vergangenheit schon mehr für die Tiere getan. „Doch das ist bei den gezahlten Preisen kaum möglich.“
Für ein Schwein erhält das Gut Asmusstedt aktuell etwa 115 bis 120 Euro. Die Preise verharren seit gut eineinhalb Jahren vor allem wegen des Russland-Embargos auf niedrigem Niveau. Kostendeckend kann damit kaum ein Schweinehalter arbeiten. Für die Tierwohl-Maßnahmen erhält Jacobs nun pro verkauften Schwein etwa fünf Euro extra. Hätte sein Betrieb noch mehr Verbesserungen vorgenommen, könnten es maximal neun Euro sein. „Wir haben beispielsweise auch über den Bau eines Auslaufs diskutiert“, sagt er. Doch dies erfordere hohe Investitionen. Da das Programm zunächst auf vier Jahre ausgelegt wurde, sei dies finanziell zu riskant gewesen.
Wieviele Betriebe in ganz Deutschland an dem Tierwohl-Projekt teilnehmen und welchen Millionen-Betrag Supermarktketten pro Jahr in den Fonds einzahlen, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Mit allen vier Betrieben hatte sich der Landwirt beworben. Nur mit einem, der über 2.600 Schweine verfügt, wurde er im Losverfahren aufgenommen. Die Organisatoren hatten die Bereitschaft der Bauern, mehr für das Tierwohl zu tun, offensichtlich unterschätzt. Laut Initiative wurden aus Sachsen-Anhalt bisher 26 schweinehaltende Betriebe zugelassen. 81 haben sich allerdings beworben. Bundesweit nehmen 2.142 Höfe mit insgesamt zwölf Millionen Schweinen teil, registriert haben sich 4.730. In der Geflügelhaltung wurden zunächst 900 Betriebe aufgenommen. Sechs Prozent der Betriebe, die geprüft worden, erfüllten die Anforderungen nicht. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative, spricht von einem „absolut erfolgreichen Start“. Rund 85 Millionen Euro zahlen die Supermarktketten pro Jahr in den Fonds ein.
Dem Bauernverband, der selbst Mitglied der Initiative ist, reicht dies nicht. Er fordert, dass die großen Handelskonzerne zwölf statt vier Cent je verkauften Kilo bereitstellen, damit alle registrierten Betriebe zum Zuge kommen. „Das Auftreten des Handels in der Initiative ist keinesfalls einheitlich“, sagt der kommissarische Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, Christian Apprecht. Es gebe Einzelhändler, die bereit seien, die notwendigen zwölf Cent zu zahlen. Andere stünden „mit beiden Füßen auf der Bremse“. Die Initiative selbst äußert sich dazu nicht. Dort will man vor allem neue Mitglieder finden. „Fortlaufend finden Gespräche mit weiteren Handelsfirmen sowie Unternehmen weiterer Branchen wie zum Beispiel auch der Systemgastronomie und des Fleischerhandwerks statt“, sagt Sprecherin Silke Doering. Doch tun sich Mc Donald’s und Co. schwer mit einer Teilnahme.
Handel ist Flaschenhals
Jacobs hofft, bald mit seinen drei anderen Betrieben ins Programm aufgenommen zu werden. Sein Hof könne, wenn die Preise stimmen, auch mit 8 000 statt 10 000 Tieren arbeiten. Der Landwirt erklärt, mehr Tierschutz heißt, mehr in moderne Technik zu investieren. So sei eine Haltung auf Stroh nur mit automatischen Einstreumaschinen möglich. „Das muss am Ende der Verbraucher aber auch bezahlen“, sagt er. „Spielen da die wenigen großen Handels-Unternehmen nicht mit, funktioniert das nicht.“ An Jacobs und vielen anderen Landwirten scheitert mehr Tierschutz in Deutschland jedenfalls nicht. (mz)

