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Grundsatzurteil Grundsatzurteil: Sonderzahlungen beim Mindestlohn - was Sie wissen müssen

Von Stefan Sauer 25.05.2016, 13:46
Zuschläge für bestimmte Tätigkeiten dürfen nicht mit dem Mindestlohn verrechnet werden.
Zuschläge für bestimmte Tätigkeiten dürfen nicht mit dem Mindestlohn verrechnet werden. dpa

Erfurt - Fast eineinhalb Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein erstes Grundsatzurteil gefällt, das für viele Beschäftigte von Bedeutung ist. Es ging vor dem Erfurter Gericht um die Frage, ob Arbeitgeber Zusatzleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld mit dem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde verrechnen dürfen oder nicht.

Sie dürfen – aber nur unter bestimmten Unterständen, so das BAG in seinem Urteil vom Mittwoch. Die Berliner Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

Worum ging es konkret in der Verhandlung?

Die Angestellte einer Klinik-Servicegesellschaft hatte im vergangenen Frühjahr beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel Klage eingereicht, weil ihr Arbeitgeber die Zahlungen des Weihnachts- und Urlaubsgelds in Höhe jeweils eines halben Monatsgehalts nicht zusätzlich zum Mindestlohn gewähren, sondern verrechnen wollte.

Außerdem wollte die Klägerin von den Erfurter Bundesrichtern auch die Berechnungsgrundlage für Mehrarbeits- oder Nachtzuschläge klären lassen. Das Arbeitsgericht Brandenburg hatte die Klage der Frau abgewiesen, ebenso das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Januar 2016 und nun auch das Bundesarbeitsgericht.  in zweiter Instanz. Eine wesentliche Rolle für die Entscheidungen spielte der Umstand, dass die Klägerin das Urlaubs- und Weihnachtsgeld  einer Betriebsvereinbarung zufolge auf zwölf Monate verteilt erhält. Nach Ansicht der Gerichte gilt die Sonderzahlung  damit als Bestandteil des regulären Monatsgehalts und somit auch des Mindestlohns.

In diesem Sinne hatte auch das Arbeitsgericht Herne im Juli 2015 einen ähnlich gelagerten Fall entschieden: „Nach der Gesetzesbegründung zum Mindestlohngesetz sind Leistungen wie Weihnachtsgeld oder zusätzliches Urlaubsgeld als Bestandteil des Mindestlohns zu werten, wenn diese Zahlungen monatlich und unwiderruflich ausgezahlt werden“, hieß es in der Urteilsbegründung. Auch in diesem Verfahren hatte der betroffene Arbeitnehmer die Sonderzahlungen monatlich und somit als Entgeltbestandteil für seine übliche Arbeitsleistung erhalten.

Können Urlaubs- und Weihnachtsgeld also in allen Fällen mit dem Mindestlohn verrechnet werden?

Nein. Wenn die Zahlungen nicht regelmäßig monatlich, sondern in ein oder zwei Tranchen – etwa zum Jahresende und anlässlich des Hauptjahresurlaubs – fließen, sind sie nicht automatisch  Bestandteil des normalen Leistungslohns und damit auch nicht verrechenbar. In diesem Sinne hatte das Arbeitsgericht Berlin im März 2015 festgestellt, ein vom Arbeitgeber gewährtes Urlaubsgeld sei „funktional darauf gerichtet, die Wiederherstellung und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers zu unterstützen“. Zweck des zusätzlichen Urlaubsgeldes als spezieller Form der Sonderzahlung sei vielmehr, dem Arbeitnehmer während des Urlaubs zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen.  Daher könne es nicht als Vergütung der Normalleistung betrachtet und müsse zusätzlich zum Mindestlohn ausgezahlt werden. Ähnliches gilt für das Weihnachtsgeld: Wird es als eine Art Treueprämie für den Beschäftigten einmal pro Jahr ausgeschüttet, ist es nicht Bestandteil des regelmäßig und unwiderruflich gezahlten Leistungslohns.

Der DGB geht davon aus, dass in diesem Fall allenfalls eine Teil-Verrechnung im Monat der Auszahlung möglich ist: Wird beispielsweise im November ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1200 Euro gezahlt, so könnte ein Zwölftel davon, also 100 Euro, mit dem in diesem Monat ausgezahlten Mindestlohn verrechnet werden, nicht aber die übrigen 1100 Euro.  

Dürfen gesetzlich garantierte Zuschläge mit dem Mindestlohn verrechnet werden?

Nein. Aus dem Arbeitszeitgesetz ergibt sich ein Anspruch auf Nachtarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschläge. Diese müssen zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden.

Allerdings besteht der Anspruch auf diese Zuschläge nur dann, wenn keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung existiert oder der Arbeitgeber keine bezahlten Ausgleichstage gewährt. Zudem ist die Höhe der Zuschläge im Gesetz nicht geregelt.  Das Bundesarbeitsgericht hatte aber im Dezember 2015 entschieden, dass nach 23 Uhr ein Nachtzuschlag von mindestens 25 Prozent auf den Stundenlohn zu zahlen ist.

Was gilt für Zahlungen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind?

Zulagen für Tätigkeiten, die mit besonderen Belastungen wie  Lärm, Gefahren oder Schmutz einhergehen, sind nicht gesetzlich verankert, aber in zahlreichen Tarif- und Arbeitsverträgen enthalten. Ist dies der Fall, dürfen sie nicht mit dem Mindestlohn verrechnet werden.

Zählen Trinkgelder zum Mindestlohn?

Nein. Das Trinkgeld erhalten Beschäftige als Ausdruck der Zufriedenheit des Kunden. Trinkgelder dürfen nicht vom Arbeitgeber einbehalten werden und sind nicht Teil des Arbeitslohns. Das gilt auch für Trinkgeldkassen, in denen Belegschaften, zum Beispiel in der Gastronomie, ihre Trinkgelder sammeln, um sie dann zu verteilen.